Der "Doyen der Porzellanforschung", wie der bayerische Wissenschafts- und Kunstminister Bernd Sibler Wilhelm Siemen nannte, hätte in 35 Porzellanikon-Jahren oft Grund zum Heulen gehabt. Hat er aber nicht, sondern "das Wunder von Selb" verbracht, wie es Kunsthistoriker Dr. Christoph Schmälzle in seinem Festvortrag unter dem Titel "Eine ganz unwahrscheinliche Museumsgeschichte" formulierte.
Gut und wichtig
Das Porzellanikon sei gut und wichtig für Hohenberg und Selb, für Oberfranken und ganz Bayern, betonte Oberfrankens Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz. Dieses "Vorzeigemuseum mit großer Strahlkraft" besitze Weltgeltung und dürfe sich einiger Superlative rühmen: Es sei nicht nur Oberfrankens einziges Landesmuseum und das zweitgrößte Museum in ganz Nordbayern, sondern auch Bayerns erstes Industriemuseum sowie das größte Spezialmuseum für Porzellan in Europa.
Minister Sibler formulierte er es so: Mit Kreativität und Flexibilität, wissenschaftlicher Akribie, gestalterischer Sicherheit, visionärem Denken, Hartnäckigkeit, Überzeugungskraft und Einfühlungsvermögen schuf Porzellanikon-Direktor Großes.
Es sei genau der richtige Zeitpunkt, um zu gehen, betonte Siemen zwar im Interview mit der Frankenpost - doch Piwernetz bezweifelte, ob der Museumsdirektor gefühlsmäßig wirklich schon so weit sei. Denn 35 Jahre an der Spitze des größten Museums in Oberfranken seien fürwahr eine Ära: "Ihre heutige Verabschiedung bedeutet eine markante Zäsur - nicht nur für das Porzellanikon, sondern für den gesamten Regierungsbezirk."
Gut aufgestelltes Haus
Wenn Siemen am 1. November im Alter von 64 Jahren in den Ruhestand gehe, hinterlasse er ein gut aufgestelltes Haus, ein eingespieltes und motiviertes Team, ein Netzwerk nationaler und internationaler Partner, eine gute Verankerung in der Region sowie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Freistaat, sagte Minister Sibler: "Du wirst hier fehlen!" Auch den 50 Mitarbeitern, betonte der stellvertretende Museumsdirektor Wolfgang Schilling. Er wird die beiden Häuser in Selb und Hohenberg weiterführen, bis dann am 1. Februar ein neuer Direktor mit der Leitung beauftragt wird. Schilling nannte Siemen "Herz und Hirn des Porzellanikons".
Der Wunsiedeler Landrat Dr. Karl Döhler erinnerte daran, wie steinig der Weg in den vergangenen Jahrzehnten gewesen sei: Oft kämpfte man gegen Windmühlen - es gab viele Rückschläge. Obwohl diese Zeiten vorbei sind und Minister Sibler das Porzellanikon am Mittwoch einen "Leuchtturm für die Region mit überregionaler Strahlkraft" nannte, bleibt Döhler vorsichtig. Für seine Rede hatte sich der Landrat von Mitarbeitern die Kosten zusammenstellen lassen, die im Laufe der Jahrzehnte für das Porzellanikon entstanden sind. "Aber ich sag's lieber nicht."
Hintergrund
Das Porzellanikon beherbergt heute auf 10 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche eine europaweit einzigartige Sammlung mit 240 000 Porzellanobjekten vom 18. Jahrhundert bis in die Jetztzeit. Während in Hohenberg die Kulturgeschichte des Porzellans erlebbar ist, zeigen die historischen Fabrikgebäude in Selb die Herstellungsprozesse und Einsatzbereiche der High-Tech-Keramik. In einem alten Brennhaus ist zudem eine Rosenthal-Ausstellung untergebracht.
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