Ehe man als Interviewpartner richtig zu Wort kommt, um Gordon Lightfoot nach seinem aktuellen Album "Solo" (Warner/Rhino) zu befragen - übrigens dem ersten Studio-Werk seit 16 Jahren -, erzählt der 81jährige Kanadier am Telefon mit tragender, gebrochener Stimme davon, dass just am Tage davor einer seiner ältesten, besten Freunde am Corona-virus verstorben ist. Und er deshalb gerade eben seine komplette Tour durch Kanada sowie die USA abgesagt hat.
Songs im 4-Minuten-Format
Das bringt den Ablaufplan des Gesprächs, es wurden gerade mal 30 Minuten eingeräumt, gehörig durcheinander. Wie reagieren auf eine solche Aussage? Kanada ist weit weg, dort residiert Gordon Lightfoot, das ist sein Geburtsland. Aber Corona kennt offensichtlich keine Grenzen. Dieser Erreger ist aktuell immer und überall präsent.
Aber dann erzählt Lightfoot, diese Singer/Songwriter-Legende, schließlich doch was über seine neue Musik. Über "Solo" demnach, ein herrliches, spartanisches Alterswerk, das all die wunderbare Einzigartigkeit aufweist, für die Lightfoot seit bald 50 Jahren ein Inbegriff ist: Ausdrucksstarke Geschichten im 4-Minuten-Format erzählen, Menschlichkeit vermitteln, Empathie an den Zuhörer übertragen. Gordon Lightfoot ist der Bob Dylan, der nicht näselt, und der stets etwas zu berichten hat. Einfache Storys, die weit über den Tellerrand blicken, selbst wenn sie gerne im provinziellen Umland spielen. Kunst demnach, die jenseits von Zeit und Raum zu Hause ist, im besten Sinne des Wortes "anachronistisch" ist.
"Ich startete mit dieser Platte vor knapp zwei Jahren", berichtet Lightfoot in sonorem Tonfall, "am Anfang war die Idee, eine Scheibe mit kompletter Band zu fabrizieren. Aber mehr und mehr im Verlauf des Entstehungsprozesses hat sich heraus kristallisiert, dass es ein Album nur mit Gesang und Gitarre werden wird. Im Stil von Bruce Springsteen und seiner Produktion "Nebraska". Ein Mensch, eine Stimme, eine Gitarre. Lediglich unter solchen Umständen kann man, meiner bescheidenen Ansicht nach, pure Harmonie vermitteln, die Sache aufs Wesentliche verdichten. Schönheit in seiner reinsten Form."
"Ich bin ein alter Mann"
Dass es über 15 Jahre gedauert hat, ehe "Solo" fertiggestellt war, interessiert Lightfoot nicht sonderlich: "Ich bin ein alter Mann und mir meiner Betagtheit bewusst", sagt er stoisch. "Meine Tantiemen fließen bislang regelmäßig, davon kann ich ordentlich leben. Dadurch genieße ich jegliche künstlerische Freiheit. Meine Plattenfirma lässt mir, auch aus Gründen des Respekts, die Wahl, woran ich arbeite und was veröffentlicht werden soll. Das ist ein Segen. Und zur gleichen Zeit ein Fluch. Weil ich mein Schaffen selbst beurteilen muss."
Gordon Lightfoot wird oft als "lebende Legende" bezeichnet. Das ging im Februar 2010 so weit, dass es von kanadischen Medien für tot erklärt wurde. Der eher introvertierte Musiker stellte diese Falschmeldung höchstpersönlich durch einen live übertragenen Telefonanruf in einer lokalen Radiostation richtig. "Es ist merkwürdig, wenn die Öffentlichkeit glaubt, dass man tot ist", rätselt Lightfoot bis heute, " und über den Status der "lebenden Legende" denke ich besser nicht nach. Der beinhaltet ziemlich viel Verwesung. Unabhängig davon bin ich stolz auf meine Karriere. Ich habe viel richtig gemacht, denke ich. Diese Aussage trägt nichts von Arroganz in sich. Am Ende meines Daseins schaue ich auf mein Leben zurück und stelle fest: Wow, viele schöne Lieder hinterlassen."
Gitarre steht im Vordergrund
Der Kanadier sieht sich in erster Linie als Poeten. "Um das Lyrische geht es in meinen Texten", ist Lightfoot überzeugt. "Daran hat sich all die Jahre nie etwas geändert. Ich profitiere von meinem Unterbewusstsein, was dort unaufhörlich passiert, mir Inspiration spendiert. So sehr ich Bob Dylan schätze, aber wenn er immer mal wieder Politisches von sich gegeben hat, habe ich ihn und sein Werk verachtet. Es ist nicht unser Job als Liedermacher, politisch konkret Stellung zu beziehen. Das bringt nichts."
Auf "Solo" steht, neben der Stimme des Protagonisten, ganz eindeutig die Gitarre im Vordergrund. "Das ist ein wundervolles Instrument", grummelt Lightfoot vergnügt, " trotz seiner Begrenzung auf sechs Saiten kann der Künstler ziemlich alles darauf ausdrücken, was er ausdrücken möchte. Wobei der Gitarrist sich zunächst darum kümmern muss, dass sein Instrument richtig gestimmt ist. Ansonsten kann er darauf keine neuen Lieder verfassen. Wenn das Instrument nicht liebevoll behandelt wird, verliert der Musiker seine beste Freundin. Darum kümmere ich mich um die Klampfe. Jeden Tag aufs neue."














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