Servus, Dawanda!

Sulzbach-Rosenberg
02.09.2018 - 16:37 Uhr

Wie geht es weiter für die Oberpfälzer Handmade-Szene? Nach dem Aus für Dawanda müssen sich Designer neue Wege suchen. Ein Amberger Model-Label beweist, dass es auch ganz ohne Dawanda geht.

Elisabeth Steger aus Sulzbach-Rosenberg verkauft Schnittmuster, Bastelanleitungen und Schritt-für-Schritt Nähanleitungen. Inzwischen ist sie bei Etsy.

Fragt man Christine Raß aus Auerbach, was die Schließung von Dawanda für sie bedeutet, antwortet sie: "In erster Linie: Ärmel hochkrempeln." Kaufen konnte man auf ihrer Seite "Deine Schmuckfreundin" bis vor wenigen Tagen Ohrringe, Ketten, Ringe und Anhänger aus Silber, Gold, Perlmutt oder Holz. Als klar war, dass Dawanda schließen sollte, sah sie sich eine ganze Weile nach anderen Plattformen um. "Die Verkaufs-Möglichkeiten schossen damals wie Pilze aus dem Boden", erinnert sie sich. Sie entschied sich schließlich für "Etsy" und "Handmade at Amazon".

Nun steht ihr viel Arbeit ins Haus: Jede Artikelbeschreibung will extra an die jeweilige Plattform angepasst werden. "Neue Rechtstexte brauche ich auch", sagt Christine Raß. Zwar freut sie sich schon über die ersten Verkäufe bei Etsy, dennoch werde es noch dauern, bis sie sich dort so zurechtfindet wie auf Dawanda, sagt sie. Die Abläufe seien ganz anders. "Etsy ist ein großer, internationaler Markt, der sich für deutsche Kunden und Verkäufer erst etablieren muss", meint Raß. Bisher verkauft sie nur an deutsche Kunden - doch das würde sie gerne ändern. So sieht sie Etsy auch als Möglichkeit, einen internationalen Markt zu erschließen. "Viele Kollegen berichten, dass sie den größten Teil ihrer Artikel in die USA verkaufen."

Bruch als Chance

Raß bedauert die Dawanda-Schließung sehr. Sieben Jahre lang war sie mit ihrem Shop dabei - und hat den Schritt in die Selbstständigkeit nie bereut. "Der herzliche Kontakt zu den anderen Verkäufern wird mir fehlen. Und auch die Kundschaft auf Dawanda war meist sehr nett - ich konnte einige Stammkundinnen gewinnen." Und das weit über die Oberpfalz hinaus. "Ich sehe diesen Bruch allerdings auch als Chance, dazuzulernen und neue Kontakte zu knüpfen", betont sie.

Ihre Schmuck-Werkstatt hat sie in einem kleinen Dachatelier im Wohnhaus. "Vor sieben Jahren habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht", erinnert sich Raß. Sie konnte nebenbei noch die Pflege ihrer Mutter übernehmen. Für sie war das ein großer Pluspunkt, den ihr Dawanda ermöglichte. "Das ist auch der Grund, weshalb ich bisher nur online verkaufe."

Umzug zu Etsy

Ein Umzug zu Etsy wird von Dawanda empfohlen. Elisabeth Steger ist da schon einen Schritt voraus: Bei Etsy ist sie schon vier Jahre lang angemeldet. "Anfangs hatte ich auch Produkte eingestellt, aber nie etwas verkauft", erinnert sie sich. Seit sie ihren Etsy-Shop vor kurzer Zeit neu befüllte, seien einige Anfragen gekommen - allerdings auf Englisch. "Für mich bedeutet die Schließung von Dawanda auch, dass ich anfangen werde, meine Anleitungen zu übersetzen." Die Einstellgebühren werden den Verkäufern erstattet, der Umzug war mit wenigen Klicks erledigt. "Alleine schon wegen der Verlinkungen zwischen Dawanda und Etsy musste ich umziehen. Ich will ja, dass mich meine Kunden weiterhin finden", sagt Elisabeth Steger.

Zusammen mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern lebt sie in Sulzbach-Rosenberg. Ihre erste Tochter brachte sie zu Dawanda. "Während meiner ersten Elternzeit 2013 entdeckte ich die Plattform für mich", erinnert sich die gelernte Mediengestalterin und Siebdruckerin. Als sie Lätzchen, Strampler und Shirts für ihre Tochter nähte, begann sie, Fotos von den jeweiligen Arbeitsschritten zu knipsen und Schnittmuster sowie illustrierte Anleitungen zu erstellen. "Zu Beginn konnte ich es kaum fassen, dass ich tatsächlich mit Anleitungen Geld verdienen konnte", sagt Steger. Nach und nach entwarf sie Schürzen, Kometiktaschen, Knistertücher, Bettschlangen, Rucksäcke, Pullover, Handyhalter. Und für all ihre kreativen Nähideen gibt es Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Schnittmuster - die stehen mittlerweile auf sieben verschiedenen Plattformen zum Download bereit.

Durch den "Buschfunk"

Dawanda war auch ihr Einstieg in die Selbstständigkeit. Nach der Elternzeit konnte es sich die Sulzbach-Rosenbergerin leisten, nicht mehr in ihren alten Job zurückzukehren. "Es läuft so gut, dass ich meinen Beitrag zur Haushaltskasse leiste."

In den letzten Jahren brachte ihr Dawanda zwar immer weniger Käufer, trotzdem hat sie als "Shesmile" 2642 Bewertungen. Diese kann Elisabeth Steger zu Etsy mitnehmen. Eigentlich sieht auch sie den "Umzug" als Chance. Enttäuscht ist sie trotzdem. Vor allem von der Art und Weise, wie die Bekanntgabe der Schließung abgelaufen ist. "Nach so langer Zeit bekamen wir nur zwei Monate, um zu reagieren. Das hätte ich nicht erwartet", sagt Steger. Sie erfuhr die Neuigkeit "durch den Buschfunk", wie sie erzählt. Eine offizielle Mail kam bei ihr erst später an. "Das lief eher komisch." Die Frage, ob es überhaupt weitergeht, hat sich Elisabeth Steger gar nicht gestellt. Sie wusste, was sie will - ob mit Dawanda oder ohne.

Mit ihrem Oberpfälzer Mode-Label "Waschechter Bayer" beweist das auch Anna Osterhage: Die Ambergerin entschied sich gleich zu Beginn ihrer Karriere vor sieben Jahren gegen Dawanda. Sie wollte ihr Klamotten-Label alleine hochziehen. Statt über Plattformen verkauft sie ihre Trachtenmode via Homepage. Auf ihren T-Shirts stehen Sprüche wie "Wer busslt is fix zam" oder "Zwirrde Henna". Im "Kammerl", wie sie ihr Atelier liebevoll nennt, steht ihre T-Shirt-Druckmaschine. "Ich wollte Produkte entwickeln, mit denen sich mein Umfeld identifizieren kann." Urbayerisch und trotzdem modisch. Ihre Klamotten kann man zwar in ausgewählten Läden kaufen, für sie steht allerdings der Kauf per Mausklick im Mittelpunkt - ähnlich wie für die beiden Ex-Dawanda-Verkäuferinnen.

Was war Dawanda? Was ist Etsy?:

Dawanda war eine Online-Plattform für Selbstgemachtes. Sie wurde 2006 von Claudia Helming ins Leben gerufen. Rund 7 Millionen Mitglieder waren registriert. Seit Ende August werden Besucher der Website automatisch auf die Seiten des ehemaligen Konkurrenten Etsy umgeleitet. Man habe erkannt, dass „das Risiko, nicht mehr mithalten zu können“, zu groß sei, hieß es auf der Internetseite.

Das Schmuckatelier von Christine Raß. Für sie war es nicht leicht, Dawanda den Rücken zu kehren.
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