Von Hans-Jörg Schmidt
Petr Pavel findet sich in seiner Rolle auf der Prager Burg immer besser zurecht. Außenpolitisch setzte er vergangene Woche ein Zeichen, als er gemeinsam mit der slowakischen Präsidentin Zuzana Čaputová die Ukraine besuchte. Innenpolitisch bemüht er sich, in schwierigen Fragen wie der Rentenpolitik zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln. Er scheut sich nicht, die Regierung zu kritisieren, weil die sich schwer tut, den Leuten ihren Kurs vernünftig zu vermitteln. Gäbe es bereits eine Umfrage über die Vertrauenswürdigkeit der wichtigsten Verfassungsorgane, würde Pavel mit Sicherheit Regierung, Abgeordnetenhaus und Senat hinter sich lassen.
Bei einer Bevölkerungsgruppe hat der neue Präsident besondere Hoffnungen geweckt. Es geht um die Roma. Eine Viertelmillion lebt in Tschechien, stellt damit die zahlenmäßig größte Minderheit dar. Doch die Roma leben seit ewigen Zeiten am Rand der Gesellschaft. Die EU beklagt die schlechten Bildungsmöglichkeiten für die Roma-Kinder, die zumeist in Sonderschulen unterrichtet werden, in denen sie unter sich sind. Sie werden dort auf ein Leben vorbereitet, in dem sie auf staatliche Hilfe angewiesen sein werden wie ihre Eltern und Großeltern.
Immerhin gibt es schon seit längerer Zeit keine schlimmen Schlagzeilen im Zusammenhang mit der Roma-Minderheit mehr. Märsche von Neonazis gegen Roma, bei denen es immer wieder auch zu Ausbrüchen von Gewalt kam, scheinen der Vergangenheit anzugehören. Der Brandanschlag 2010 in einem Ort in Mährisch-Schlesien, bei dem ein zweijähriges Roma-Mädchen lebensgefährlich verletzt wurde, hat glücklicherweise keine Nachahmung gefunden.
"Die Roma“, so sagen Soziologen, „haben Glück gehabt, dass sich andere Sündenböcke fanden, an denen man sein Mütchen kühlen konnte.“ Mit der Flüchtlingskrise 2015/2016 machten radikale Gruppen die Migranten für alle möglichen Probleme verantwortlich, obwohl die auf ihrem Weg nach Mittel- und Westeuropa Tschechien bewusst links liegen ließen. Abgeschreckt von der Aussicht, sich in Flüchtlingslagern wiederzufinden, die nicht eben verlockend waren. Jetzt finden sich auch schon mal zehntausende Menschen auf dem Prager Wenzelsplatz zusammen, um gegen die großzügige Politik der Regierung gegenüber den vielen Flüchtlingen aus der Ukraine und für Putin zu demonstrieren.
Über die Roma redet derzeit niemand. Ob sich die große Minderheit auf Dauer besser in der Mehrheitsgesellschaft zurechtfindet, ist jedoch offen. Um so wichtiger ist, dass die Roma nicht völlig vergessen werden. Eine Aufgabe besonders für die jeweiligen Präsidenten, die in Tschechien eine hohe moralische Autorität genießen und mit der Macht des Wortes Aufmerksamkeit erregen.
Václav Havel hatte verschiedene Anläufe genommen, um sich des Problems anzunehmen. Unter ihm gab es auch die ersten Überlegungen, eine Schweinemastanlage auf einem Territorium abzureißen, auf dem einst im NS-Protektorat ein Roma-Lager mit tschechischen Wachmannschaften stand. Es hat aber lange gedauert, bis der Staat die Schweinemast den Betreibern abkaufte, um eine würdige Gedenkstätte zu errichten. Beim Havel-Nachfolger, Václav Klaus, waren entsprechende Forderungen auch des Europaparlaments auf entschiedene Ablehnung gestoßen. Präsident Miloš Zeman interessierte sich überhaupt nicht für das Projekt.
Petr Pavel hat binnen kurzer Zeit gleich zweimal Gelegenheit zu Treffen mit Roma-Vertretern gesucht. Zum einen bei einem Besuch in Usti (Aussig), als er eine Schulklasse traf. Danach lud er Roma-Gymnasiasten und -Hochschüler auf die Burg ein. Pavel nannte die anwesenden Roma ein „Beispiel sowohl für die Roma-Gemeinschaft wie für die Mehrheitsgesellschaft, Vorurteile zu überwinden“. Vorurteile gehörten „zu den größten Gefahren unserer Zeit“. Worte, die nicht nur von den eingeladenen Roma als Zeichen dafür bewertet wurden, dass das Thema unter Präsident Pavel nicht länger ein Randthema bleiben wird.
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