Wackersdorf
30.05.2019 - 17:54 Uhr

Rudolf von Bennigsen-Foerder: Der Mann, der die WAA kippte

Am 31. Mai 1989 ruhen auf der Baustelle im Taxölderner Forst plötzlich die Bauarbeiten. Im Film "Wackersdorf" haben allen voran Hans Schuierer und die tapferen Oberpfälzer die WAA verhindert. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Im Frühjahr 1989 zerstörten Abrissbirnen den Bauzaun der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf. Bild: Gerhard Götz
Im Frühjahr 1989 zerstörten Abrissbirnen den Bauzaun der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf.

Tausende haben demonstriert, immer wieder. Am Bauzaun bei Wackersdorf spielen sich bürgerkriegsähnliche Szenen ab. Am 26. April 1986 erschüttert die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl den Glauben an die Atomkraft. Und am 3. Oktober 1988 stirbt Franz Josef Strauß, der heftigste Verfechter der WAA. Vieles trägt bei zum Aus für die WAA. Einer, der fast vergessen ist, aber ganz besonders: Rudolf Christian von Bennigsen-Foerder.

Billiger als Wackersdorf

Denn der langjährige VEBA-Konzernchef ist es, der der WAA den Todesstoß versetzt. Am 3. April 1989 leitet Bennigsen-Foerder die Wende, die Abkehr von der Wiederaufarbeitung in Deutschland, ein. Denn damals beschließt VEBA, mit der französischen Ver- und Entsorgungsgesellschaft Cogema eine gemeinsame Firma zum Betrieb der im Bau befindlichen französischen Wiederaufarbeitungsanlage UP 3 zu gründen. VEBA könne sich mit bis zu 49 Prozent an der Gesellschaft beteiligen. Dieser Anteil reiche bei der geplanten Gesamtkapazität von 800 Jahrestonnen aus, um die Wiederaufarbeitung der verbrauchten Brennelemente aus allen deutschen Kernkraftwerken sicherzustellen. Damit könne auf die Wiederaufarbeitung in Wackersdorf verzichtet werden.

Die Pläne bringt Bennigsen-Foerder am 12. April 1989 mit einer Erklärung in Bochum an die Öffentlichkeit. Bennigsen-Foerder selbst schränkt ein, dass die VEBA-Pläne die politische Zustimmung der Bundesregierung bräuchten. Der Standort Wackersdorf müsse deshalb nicht aufgegeben werden. Das dort im Bau befindliche Werk könne zur Brennelementefertigung und/oder als Zwischenlager genutzt werden. Schlagendes Argument für Bennigsen-Foerder: Die Wiederaufarbeitung in Frankreich käme um etwa ein Drittel billiger als in Wackersdorf. Später korrigiert ein VEBA-Sprecher, die Aufarbeitung in La Hague sei sogar um zwei Drittel billiger als in Wackersdorf.

Die Nachricht schlägt ein wie eine Bombe. Noch am Abend des 12. April meldet das ZDF, dass die Entscheidung zur Aufgabe von Wackersdorf bereits gefallen sei. Die deutsch-französische Zusammenarbeit sollte beim Gipfel von Helmut Kohl mit François Mitterrand in der folgenden Woche besiegelt werden.

Lang: Eine "Riesensauerei"

Am Tag darauf spricht der Bundeskanzler mit Blick auf das Cogema-Angebot von einer "neuen Situation" für Wackersdorf. Und in einem Fernschreiben an Kohl fordert Bayerns Ministerpräsident Max Streibl eine unverzügliche Richtlinienentscheidung des Kanzlers, ob er noch "ohne Wenn und Aber" am WAA-Bau festhalte. Bayerns Wirtschaftsminister, der Oberpfälzer CSU-Chef Gustl Lang erklärt am 13. April wütend, es sei eine "Riesensauerei", wenn die VEBA die WAA jetzt aufgebe. Alle politischen Anstrengungen seien "für die Katz gewesen und wir Oberpfälzer stehen als die Blöden da", sagt Lang. Er fordert zudem eine Entschädigung von der Energiewirtschaft für die 1600 versprochenen Arbeitsplätze, wenn die WAA nicht in Betrieb genommen würde.

Am 21. April beantragen die WAA-Gegner beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, per Eilentscheidung den sofortigen Baustopp für die WAA auszusprechen, weil die Gründe für die Erteilung der ersten Teilgenehmigung "samt und sonders hinfällig" seien. Wochenlang laufen hinter den Kulissen die Verhandlungen zwischen Bonn und Paris und zwischen München und Berlin. Zuerst versucht die bayerische Staatsregierung noch, das Projekt zu retten. Schließlich geht es der CSU nur noch darum, ein Zwischenlager im Taxölderner Forst zu verhindern, und um möglichst üppige Entschädigungsleistungen für die Region.

Das Projekt steht scheinbar auf der Kippe, bis Bayerns Umweltminister Alfred Dick am 11. Mai in Kemnath (Landkreis Tirschenreuth) verkündet: "Die WAA in Wackersdorf wird nicht gebaut werden." Und auch für Wirtschaftsminister Lang ist das Projekt erledigt: "Ich mag sie nicht mehr, die WAA." Am 18. Mai spricht der damalige CSU-Generalsekretär Erwin Huber vom "inoffiziellen Aus für die WAA". "Wenn die Bauherren und Betreiber dieses Projekt nicht mehr wollen, dann ist damit wohl das Ende eingeleitet."

Fertigbeton fließt und fließt

Am 31. Mai 1989 werden die Bauarbeiten an der Großbaustelle im Taxölderner Forst eingestellt. Bis um 17 Uhr allerdings wird gearbeitet, als ob nichts gewesen wäre. Über Stunden fließt noch der Fertigbeton. Rund 400 WAA-Gegner feiern bei einer spontanen Demonstration den Baustopp und singen "Großer Gott wir loben Dich". Es gibt Freudentränen und Umarmungen, dazu immer wieder die Feststellung, "dass wir das noch erleben dürfen." Die Bürgerinitiative Schwandorf feiert mit Freibier in Pappbechern, Sektflaschen kreisen und der damalige Landrat Hans Schuierer wird mit langanhaltendem Beifall empfangen.

Nahezu fertiggestellt waren zu diesem Zeitpunkt das Brennelementeingangslager, der Modul-Teststand, die Zentralwerkstatt und die Anlagenwache. 2,6 Milliarden Mark seien bis zu diesem Mittwoch in das Projekt investiert worden, hieß es damals. Davon etwa 400 Millionen Mark in reine Bauprojekte.

Rudolf Christian von Bennigsen-Foerder, der Mann, der der WAA den Todesstoß versetzte, stirbt nur ein halbes Jahr später, am 28. Oktober 1989, im Alter von 63 Jahren überraschend an den Folgen einer Lungenentzündung.

Landrat Hans Schuierer (SPD/Mitte) mit Demonstranten vor dem Bauzaun der WAA in Wackersdorf. Bild: Gerhard Götz
Landrat Hans Schuierer (SPD/Mitte) mit Demonstranten vor dem Bauzaun der WAA in Wackersdorf.
Kommentar:

Bitte zwei Denkmäler

"Wackersdorf", der Kino-Film über den Widerstand gegen die WAA in der Oberpfalz, ist heftig gelobt worden im Herbst vorigen Jahres. Zu recht. Ein Hoch auf den Mut und die Ausdauer der WAA-Gegner. Sogar mit dem Bayerischen Filmpreis wurde das Werk von Oliver Haffner ausgezeichnet. Ministerpräsident Markus Söder musste damals von der ersten Reihe aus zusehen, wie der rote Ex-Landrat Hans Schuierer, die Galionsfigur des Widerstands und der einstige Erzfeind der CSU-Staatsregierung, mit Standing Ovations bejubelt wurde.
Die rührselige Geschichte über den Sieg des Volkes über die Staatsmacht hat wie die meisten Märchen nur einen kleinen Schönheitsfehler. Sie stimmt nicht ganz. Denn letzten Endes hat nicht der Widerstand das Projekt WAA verhindert. Nein, die Wirtschaft hat das Interesse an Wackersdorf verloren, weil sich der atomare Müll leichter und billiger in Frankreich aufarbeiten ließ.
Trotzdem war der Großkonflikt um die WAA prägend für die Oberpfalz. Nicht dass die Oberpfälzer die Zumutung einer WAA der CSU auf ewig verübelt hätten. Dafür sorgten schon die Milliarden, die nach dem Aus für die WAA in die Region flossen. Aber die Oberpfälzer sind selbstbewusster geworden. Und sie vertrauen der Obrigkeit nicht mehr blind. Deutlich zu spüren bekommen das gerade die Planer der Süd-Ost-Link-Stromtrasse.
Schuierer ist für seinen Mut und seine Standhaftigkeit vielfach ausgezeichnet worden. Er ist nicht der Typ, der auf Denkmäler schielt. Aber er hätte eines verdient. Ein Denkmal verdient hätte aber auch VEBA-Chef Rudolf Christian von Bennigsen-Foerder. Denn er war der Mann, der der WAA den Todesstoß versetzte.
Wenn auch hauptsächlich aus wirtschaftlichen Erwägungen. Der Oberpfalz ist dadurch viel erspart geblieben. Und vielleicht war das WAA-Aus sogar der Startschuss für das Oberpfälzer Wirtschaftswunder. Aber wer ehrt schon gern einen Wirtschaftsboss, der der Politik sagt, wo es lang geht?

Albert Franz

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Ingo Fliess

Sie fanden in Ihrem Text „Rudolf von Bennigsen-Foerder: Der Mann, der die WAA kippte“, dass unser Film „Wackersdorf“ (ich bin der Produzent) nur die „halbe Wahrheit“ schildere, weil er die Rolle der Industrie als Totengräber der WAA unterschlage. Dem ist nicht so. In unserem Film gibt es die fiktive Figur des „Dr. Billinger“, gespielt von Fabian Hinrichs, einem überzeugten und überzeugenden Industriellen, der den Landrat von der Sinnhaftigkeit des Vorhabens überzeugt. Dieser Billiger ist im Film zu hören, wie er dem „Staatssekretär" berichtet: "Ich muss Sie allerdings von einigen aktuellen Entwicklungen in Kenntnis setzen. In meinem Hause gibt es Zweifel am Standort Wackersdorf.“ Noch später warnt er den Landrat: "Also unter uns - in absoluter Diskretion. Es gibt mittlerweile ernsthafte Zweifel was den Standort Wackersdorf betrifft. Auf deutsch: Das Ding wird vermutlich gar nicht gebaut werden.“ Darauf rekurriert die Figur des Landrats beim Dialog mit dem „Staatssekretär“ fast am Ende des Films, wenn er ihn fragt: "Und was, wenn die DWK gar nicht mehr bauen will?“

Sie sehen also, wir haben die Rolle der Industrie, der DWK und der VEBA mitgedacht und auch erzählt. Es waren, so die Haltung des Films, mehrere Faktoren, die das Ende der WAA besiegelt haben: Tschernobyl und damit eine Idee, der Zeit gekommen war, und das Aussteigen der Industrie. Und über all dem: wenn der Widerstand der einheimischen Bevölkerung über sieben Jahre (!) nicht so anhaltend und entschlossen gewesen wäre, hätte die DWK diese Zweifel, die letztlich auch einen Herrn Bennigsen-Foerder in seinem Handeln beeinflußt haben, nicht bekommen.

Insofern finde ich es nicht angemessen, ein zweites Denkmal für eben diesen Herrn zu fordern, hat er doch den Oberpfälzern und Oberpälzerinnen die WAA - mit all ihren Folgen für die Zivilgesellschaft - überhaupt erst eingebrockt.

I. Fliess

04.06.2019
A. Schmigoner

Im Frühjahr 1986 besuchte ich mit einer Jugendgruppe eine Infoveranstaltung der DWK in Wackersdorf. In schönen Schaubildern wurden der Segen und die Ungefährlichkeit der Atomenergie dargestellt. Wenn die WAA nicht gebaut würde, gingen in Deutschland die Lichter aus, so die zentrale Aussage des Abends. Eine Lüge, wie man damals vermuten konnte und heute weiß.
Der Kommentar macht es sich leider etwas zu einfach, wenn suggeriert wird, dass der einzige Grund für das Ende der WAA war, „dass sich der atomare Müll leichter und billiger in Frankreich aufarbeiten ließ.“ Das war lediglich die von der CSU ausgegebene Parole. Der Volkeswille und die Demonstrationen durften bei einer so nüchternen, betriebswirtschaftlichen Entscheidung zum WAA-Ende schließlich keine Rolle gespielt haben. Wenn „Der Neue Tag“ damals titelte, dass VEBA-Chef Rudolf Christian von Bennigsen-Foerder der Mann war, der der WAA den Todesstoß versetzte, dann lag DNT schon 1989 falsch, wie die damaligen Protagonisten inzwischen selbst einräumen. Deshalb hat Bennigsen-Foerder auch kein Denkmal verdient.
Was wäre das für ein Manager, der erst 2,5 Jahre nach Baubeginn und 2,6 Milliarden Mark in den Sand gesetzten Baukosten merkt, dass die alternative Aufarbeitung in Frankreich nur ein Drittel kostet? Hat die Wirtschaft das Interesse an Wackersdorf verloren, weil die Proteste, entgegen den Erwartungen, nicht einschliefen? Bereits dem Freistaat Bayern liefen damals die Kosten für die Polizeieinsätze am Bauzaun aus dem Ruder, seine Gesamtkosten werden mit 6 Milliarden DM (Gerichte und Polizeikasernen inklusive), beziffert. Ahnte Bennigsen-Foerder die Sicherheitskosten, die auf die Betreibergesellschaft DWK bei anhaltenden Protesten zukommen würden?
Im April 1989 flüchtete die Atomwirtschaft fast panisch aus ihrer WAA-Traumwelt – das Projekt war zu teuer und zu unberechenbar geworden. Die Gründe, das Projekt aufzugeben, waren vielfältig: Die kalkulierten Kosten waren von 4,5 Milliarden auf über 10 Milliarden Mark geklettert. „Und man bekam die Technik nicht in den Griff“, erinnert sich Michael Sailer, Atomexperte des Öko-Instituts, „da wurde wild rumkonstruiert.“ Der Bebauungsplan wurde von der BI durch einen sogenannten Normenkontrollantrag vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) angegriffen und später aufgehoben, weil klar wurde, dass in dem Plan Fehler gemacht wurden und die WAA so wie vorgesehen nicht machbar war. Die DWK als Vorhabenträgerin und das Umweltministerium als Genehmigungsbehörde waren in der schwierigen Situation, eine Anlage genehmigen zu wollen, von der man noch nicht wusste, wie sie technisch aussehen soll. Die WAA war noch nicht fertig entwickelt. Der Erfolg der BI ist nur deswegen zustande gekommen, weil sich bundesweit Wissenschaftler, Geologen, Nuklearmediziner und Strahlenbiologen zur Verfügung gestellt und die Klage unterstützt haben. Rechtsanwalt Baumann und der Kläger waren im laufenden Verfahrensgang mit sämtlichem wissenschaftlichen Sachverstand ausgerüstet, den man zum damaligen Zeitpunkt aufbieten konnte.
Selbst die ehemaligen Atommanager Gert Wölfel und Dr. Reinhard Proske schreiben in ihrem Buch „Die WAA Wackersdorf – politisch gewollt, technisch machbar, betriebswirtschaftlich unsinnig“, dass die WAA von Anfang an betriebswirtschaftlich unsinnig war und nicht etwa sich erst im Laufe der Bauarbeiten als betriebswirtschaftlich unsinnig herausstellte. Ansonsten liefert das Buch die altbekannten, längst widerlegten Thesen vom ewigen Recyclingkreislauf und sauberer sicherer Technik.
Was sagt die Politik? Rückblickend sagte Peter Gauweiler 2016: „Wir haben verloren, weil das Argument der Ungefährlichkeit der WAA nicht mehr haltbar war.“ In der Rückschau müsse er ehrlich sagen: „1986 war die politische Debatte inhaltlich bereits verloren. Wir haben nicht erkannt, dass es hier massive und begründete Einwände gab. Wackersdorf ist letztlich gescheitert, weil sich die Einschätzung der Gefährlichkeit der Kernenergie zwischen 1980 und 1990 massiv geändert hat.“ Die CSU habe sträflich „unterschätzt, dass die Stimmung kippt. Die Debatte ist inhaltlich gar nicht geführt worden.“
Also keine wirtschaftlichen Gründe?
Die WAA war ein Projekt der 1950er und 1960er Jahre. Die Anfänge liegen in der Gewinnung von Plutonium für die Atombombe. In den 1960er Jahren entstand eine neue Erlöserutopie: Das Wunder-Duo aus Schnellem Brüter und WAA sollte die atomare Energieversorgung im nächsten Jahrtausend sichern. Der „Schnelle Brüter“ ging wegen technischer Probleme nie ans Netz. In den 80er Jahren diente die WAA aber vor allem als Entsorgungsnachweis. Heute blickt man fassungslos auf die damaligen Pläne. Man stelle sich vor: Eine Anlage, die nach einigen Jahren Betriebsdauer das radioaktive Inventar von 5.000 Hiroshima-Bomben beherbergt hätte, stünde mitten in Bayern. Plutonium, der unheilvolle Bombenstoff, eine der giftigsten Substanzen auf diesem Planeten, wäre gleich tonnenweise aus abgebrannten Brennelementen extrahiert worden. Die radioaktiven Emissionen sollten über einen 200 Meter hohen Schornstein in die oberpfälzer Umwelt „abgeleitet“ werden.
War die WAA als Einstieg in die Plutoniumwirtschaft gedacht? Sollte sie eigentlich primär den Weg zu der vom frühen Franz-Josef Strauß ersehnten deutschen Atombombe ebnen? Der große Henry Kissinger sagte einmal über Franz Josef Strauß, dieser sei „regelrecht besessen von der Atombombe“ und ordnete sogar stärkere Wachmannschaften vor den US-Stützpunkten an. Zu meinem persönlichen Fundus zählt ein Flyer von 1985 (damals noch Prospekt) der Bayerischen Staatsregierung zur geplanten WAA in Wackersdorf. In einem Recyclingkreislauf zur Atomenergie waren der gewonnene Strom und die Atombombe eingezeichnet. Kurze Zeit später, im Nachfolgeflyer, fehlte die Bombe.
In der Nachschau muss man sich deshalb die Frage stellen, wieso die Politik eine WAA genehmigen und durchdrücken wollte, die technisch nicht funktionierte und nicht fertig durchgeplant war. Selbst als die Fakten auf dem Tisch lagen herrschte bei Minister Lang, Gauweiler u.a. noch Uneinsichtigkeit. Schließlich noch die Frage, wieso die hochgelobten Atommanager dem unsinnigen Vorhaben nicht schon vor Baubeginn den Todesstoß versetzt haben? Als Betreiber mussten sie die technischen Probleme gekannt haben. Jedenfalls wäre den Steuerzahlern, einigen Polizisten (die zum Teil die Vorgänge ebenfalls kritisch sahen) und den Oberpfälzern viel Ärger erspart geblieben.

04.06.2019
Hilde Lindner-Hausner

Wie schon im Artikel erwähnt, war der Prozess um die Baugenehmigung gewonnen worden, das atomrechtliche Genehmigungsverfahren hätte von vorn aufgerollt werden müssen und das hätte Jahre gedauert. Rechtsnwalt Wolfgang Baumann und der Kläger Michel Meier seien hier erwähnt. Dabei wollte man mit der Wiederaufarbeitung ein Atommüll-Entsorgungskonzept vorweisen. Hatte man doch schon zu Beginn der zivilen Nutzung der Kernenergie versäumt, die atomrechtliche Voraussetzung dafür, nämlich ein Konzept für den atomaren Müll, zu erstellen und somit entgegen dem Atomrecht AKWs betrieben. Die Wiederaufbereitung wurde als Entsorgungs-, Recycling-Konzept gepriesen. Allerdings vergrößert sich das Atommüllvolumen um ein Vielfaches und Stoffe werden freigesetzt, die bei direkter Endlagerung niemals so in die Umwelt gekommen wären. Die zur Wiederbenützung erzeugten Mischoxid-Brennelemente eine höchstbrisantes Produkt. Also gab es praktisch schon eine gewisse (Zeit)Not mit dem Atommüll. Dass es eine Heldentat von einem Konzernchef ist, wenn er eine wirtschaftliche Entscheidung trifft, kann ich wirklich nicht nachvollziehen. Er kippte die WAA nicht, er traf lediglich eine Entscheidung. Schließlich wollte man doch weitermachen mit der Atomindustrie. Er traf doch die Entscheidung dafür, dieses schmutzige Geschäft nicht in Deutschland, sondern in Frankreich und auch England ausführen zu lassen.
So sehe ich die Rolle von Herrn Bennigsen-Förder. Es tut echt weh, wenn von dem Segen gesprochen wird, dass der Kelch WAA an uns vorbeigegangen ist, wenn man sich vorstellt, wie die irische See und der Kanal kontaminiert wurden, und wie die Menschen in LaHague und Sellafield und weit darüberhinaus mit Radioaktivität "gesegnet" wurden. Die letzten WAA-Müll-Castoren, selbstverständlich muss Deutschland das zürücknehmen, aus Frankreich und England kommen voraussichtlich bis 2022 ins Land, unter andrem nach Ohu (Landshut). Sie landen in den Zwischenlagern bei den AKWs und dürften dort auch noch eine zeitlang verbleiben, denn die Endlagerfrage dürfte noch lange nicht, wenn überhaupt, gelöst sein. Wofür soll Herr Bennigsen-Förder nun ein Denkmal bekommen? Hätte Wirtschaft und Politik schon vor 30 Jahren den Weg zum Atomausstieg eingeschlagen, wie es die BIs forderten, und Möglichkeiten für die direkte Endlagerung der abgebrannten Brennelemente gesucht, wären wir jetzt schon viel weiter! Vor 30 Jahren gab es bereits die Forderung auf "alternative" heute erneuerbare Energien umzusteigen. Wird uns das jetzt endlich gelingen?

31.05.2019
Maria Estl

Also her mit dem Denkmal für die Wirtschaftsbosse, die der Politik sagen, wo´s langgeht.
Bravo, endlich wissen wir Bescheid, ein Informationsdefizit wurde beseitigt. Und ich dachte immer, die demokratisch gewählten Volksvertreter hätten das letzte Wort. So kann man sich irren.
So, Ironie off. Selten habe ich einen die Realität derart verzerrenden Artikel gelesen.
Ganz im Ernst: welcher Wirtschaftsboss denkt schon über Alternativen nach, wenn er nicht dazu gezwungen wird? Damals waren es die widerständigen Oberpfälzer, die durch ihren Widerstand Politik und Wirtschaft in Sachen WAA dazu zwangen. Wer 2016 in Weiden die Ausstellung zur WAA gesehen hat, dem dürfte klar sein, wer hier die Initiative ergriff und den Kampf durchstand, die Dokumentation zeigte es. Familienmütter und –Väter, in Kittelschürzen und Arbeitskleidung gingen auf die Straße, um den WAAhnsinn zu beenden. Ganz normale, friedliche Menschen wie du und ich, die im ganzen Leben vorher noch nie demonstriert hatten. Und die Aussagen der damaligen Politiker wie: „Man sollte den WAA-Gegnern im Winter bei minus 20 Grad den Strom und die Heizung abstellen. Dann kriegen sie die Quittung.“ zeugen von einer Menschenverachtung sondergleichen.
Damals war die Kernenergie das goldene Kalb der Union. Von dieser Seite erhält diese Form der Energieversorgung auch heute noch die größte Unterstützung. Da darf es nicht wundern, wenn ebenfalls von dieser Seite immer noch die größten Bremsklötze für eine 100%ige dezentrale Energiewende angelegt werden – unter gehöriger Mitwirkung der Konzernbosse. Das gilt insbesondere auch für den überflüssigen Süd Ost Link und seine Folgeprojekte. Allerdings ist da auch die SPD mit im Boot, neben Landes- und Bundesgrünen – so ganz anders, als zu WAA-Zeiten.

31.05.2019
Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.