Wald.Sein neuester Gedichtband, wieder bei dem rührigen Ein-Mann-Verleger Toni Pongratz in Hauzenberg im Bayerischen Wald erschienen, trägt jedenfalls den Titel "baustellen des himmels" und suggeriert damit: Es gibt keinen einzigen Ort in der ganzen Schöpfung, der nicht von einem sanften Umbau erfasst werden kann, einem Umbau, wie ihn nur Dichter ins Werk setzen können. Sie sind nämlich, auf ihre Art, auch Baumeister und machen die Welt zu einer Baustelle. Selbst das Festgefügteste bekommt einen neuen Platz, das Fernliegendste wird auf eine Art aneinander angebunden, wie es zuvor noch niemand je gesehen hat.
Feine Ironie
Man könnte das den poetischen Bildeinfall nennen. Dichten so verstanden, ist eine Art Baustellen-Aufmachen. Es entsteht etwas Neues. Da ist zum Beispiel ein altes Kloster mit seinem Kreuzgang. Durch dessen schmale Fenster fällt das Sonnenlicht. Auf dem alten Fußbodenpflaster zeichnen sich Streifen ab. Es sieht aus wie ein Zebrastreifen. Wer nun ein Dichter ist, der nimmt diesen Bildeinfall ernst. Er baut an ihm weiter. Er schreibt: "selbst gottvater der sohn und der heilige geist / kämen sie mit dem auto des wegs / müssten anhalten".
Auf den Baustellen des Dichters Harald Grill entsteht - neben anderem - eine feine Ironie und eine Art Glanz, der sich über die Dinge legt. Sein Bildwelten-Bauen ist eines, das nicht verschandelt, sondern verschönert. Meist betrifft das die kleinen, leicht zu übersehenden Erscheinungen unseres Alltags. Zum Beispiel ein "Sonnenblumenfeld Ende September". Jeder von uns ist schon einmal an einem vorbeigefahren. Oder vorbeigegangen ...
Harald Grill plädiert ja schon sein ganzes Schreiberleben lang fürs langsame Vorbeigehen an den Dingen des Lebens. Vielleicht, dass es da eher passiert, dass man plötzlich folgendes sieht: "haben sie im frühjahr / in reih und glied aufstellung genommen / um geradezustehen für die königin // verharren sie jetzt mit hängenden köpfen / vor der abendsonne // eine geschlagene armee / sie reicht bis hinter den horizont / bald wird sie das feld räumen"
Freilich muss man viel unterwegs sein, um solche Funde zu machen, und zwar bedachtsam, langsam, wachen Auges, eben als zu Fuß Gehender. Harald Grill tut dies seit Jahrzehnten. Noch immer warten seine treuen Leser, von denen er eine stattliche Gemeinde hat, auf die Erzählung seiner großen Europa-Wanderung "Zweimal Heimgehen". Sie soll fertig sein und bräuchte nur mehr einen Verlag.
Bis dahin können wir uns vertrösten mit dem Buch seiner Balkanreise, das diesen Herbst erscheinen wird, unter dem Titel "Hinter drei Sonnenaufgängen eine andere Welt". Und natürlich jetzt auch mit diesem Gedichtband. In ihn hineingetragen hat der Dichter viele Fundstücke, die er bei seinen Reisen gemacht hat. Reisen durch Italien, nach Odessa, nach Siebenbürgen. Und vor allem immer wieder nach Tschechien, das uns nächst gelegene Nachbarland, aus dem so viele hervorragende Lyriker kommen, von denen man ja weiß, dass sie Harald Grill stets inspiriert haben, mögen sie nun Jan Skácel, Ludvík Kundera oder Josef Hrubý heißen.
"einfach leben"
In den böhmischen Gedichten speziell dieses Bandes lässt sich jedoch unverkennbar eine gewisse Enttäuschung herauslesen über den Einzug der Segnungen des Fortschritts in ein Land, von dem wir immer dachten, dort gelten Uhren nichts und die Zeit wäre stehen geblieben: "ich hör marienlieder singen / aus komotau herüber nach chomotov / zwischen kaufland kaufland über alles / raggae und white christmas und / christkindlbiertaufen halleluja halleluja". Da fällt dann das Heimkehren nicht gar so schwer, wenn die Welt da draußen solche Gestalt annimmt und eine solche Art von Baustelle wird. Zumal wenn es das Heimkehren in ein Umfeld ist - Grill lebt sehr ländlich - das nach wie vor sympathische Erscheinungen bereithält. Menschen zum Beispiel, die noch nach einem anderen Zeitmaß leben. Menschen die "einfach leben", um einen schön-mehrdeutigen früheren Buchtitel des Autors zu zitieren.
Da gibt es zum Beispiel das Gedicht über einen "Alte Bauer mit Mütze": "... der schnee unter deiner mütze / kühlt jede aufregung / über die beobachtungen am dorfrand / über die nachrichten aus der stadt / über die botschaften aus dem weltall // wenn du diese mütze trägst / kommt im leben keiner an / gegen dein lachen / und erst recht nicht / gegen dein verwegenes zwinkern" Harald Grill trägt selten bis gar nie eine Mütze. Dieses verwegene Zwinkern aber hat auch er. Und wie! Man kommt als Leser auch nicht dagegen an. Man erliegt ihm. Es blitzt fast in jedem dieser stillen, lang nachhallenden Gedichte auf. Man hat eine schöne Zeit lang Freude damit.
Harald Grill: "baustellen des himmels. gedichte", 56 Seiten, 14 Euro, Edition Toni Pongratz, Nummer 126
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