Deutschland und die Welt
25.10.2019 - 14:21 Uhr

Wechselzeit-Beschwerden: Es gibt drängendere EU-Aufgaben

Endlich wieder Normalzeit. Wenn am frühen Sonntagmorgen die Uhren zum 39. Mal seit Einführung der Sommerzeit um eine Stunde zurückgedreht wird, kann sich der Bio-Rhythmus von Millionen wechselzeitgeschädigter EU-Bürger wieder erholen.

Kommentar von Jürgen Herda
Vor einem Zeitchaos fürchten sich viele Europäer. Hier wechselt aber nur ein Gallery-Mitarbeiter in der Ausstellung 'Between Poles and Tides' in der Talbot Rice Gallery eine von insgesamt neun Uhren aus, die die Zeit auf allen Planeten in unserem Sonnensystem anzeigen sollen. Bild: Jane Barlow/dpa
Vor einem Zeitchaos fürchten sich viele Europäer. Hier wechselt aber nur ein Gallery-Mitarbeiter in der Ausstellung 'Between Poles and Tides' in der Talbot Rice Gallery eine von insgesamt neun Uhren aus, die die Zeit auf allen Planeten in unserem Sonnensystem anzeigen sollen.

Im Ernst? Zumindest hoffen darauf viele der Online-Abstimmer, die vergangenes Jahr für deren Abschaffung gestimmt hatten.

Gut, dass ein Großteil der Voten aus Deutschland kam, trübt die Aussagekraft der Abstimmung, die Jean-Claude Juncker zum Anlass nahm, die EU basisdemokratisch umzukrempeln. 4,6 Millionen Teilnehmer von 512 Millionen Bürgern, davon 3 Millionen Landsleute - so richtig repräsentativ ist das nicht.

Dennoch, auch ein Stimmungstest kann ein legitimer Impuls für mehr Bürgernähe sein: Insofern ist die Zustimmung des EU-Parlaments nachvollziehbar. Jetzt warten allerdings alle noch auf den Beschluss des Europäischen Rates. Die nationalen Minister freilich halten sich bedeckt. Kein Wunder: Außer Deutschland haben nur die skandinavischen Länder starkes Interesse an mehr Sonnenstunden.

In Spanien hält sich die Begeisterung verständlicherweise in engen Grenzen: In La Coruña ginge im Winter dann erst kurz vor 10 Uhr die Sonne auf - wie auch im französischen Le Havre. Der Süden und Westen sieht nur Nachteile, Mitteleuropa nimmt's leidenschaftslos: Kein Wunder, dass in Brüssel keiner so recht aufs Gaspedal drücken mag.

Für uns Wechselzeit-Muffel zwar bedauerlich, aber seien wir ehrlich: Eine Lösung für Nordsyrien, europäische Rezepte gegen den US-Protektionismus, Einigkeit im Umgang mit den weltweiten Despoten und wirtschaftspolitische Antworten auf den wachsenden Einfluss Chinas wären noch drängender als eine Stunde mehr oder weniger Schlaf im Jahr.

 
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