Weiden in der Oberpfalz
01.01.2019 - 20:09 Uhr

Achtung, Minderrente!

Aufgepasst: Ein Tag kann bei der Erwerbsminderungsrente einen Unterschied von 105 Euro im Monat ausmachen.

Nur ein möglicher Grund, das reguläre Renteneintrittsalter nicht zu erreichen: Eine Frau bewegt mit der Hand ihren Rollstuhl. Bild: Patrick Pleul/dpa
Nur ein möglicher Grund, das reguläre Renteneintrittsalter nicht zu erreichen: Eine Frau bewegt mit der Hand ihren Rollstuhl.

"Schon jeder siebte Arbeitnehmer muss eine Erwerbsminderungsrente beantragen", sagt Peter Hofmann. Der DGB-Rentenreport 2018 lässt für den Weidener Regionssekretär nur einen Schluss zu: "Es wäre fatal, die Lebensarbeitszeit noch weiter zu erhöhen, das ist nur noch eine Kürzung der Rente."

Die Bandbreite der Gründe, warum Menschen vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden, ist groß: "Das reicht von schweren Krankheiten über den Betriebs- bis zum Verkehrsunfall", erzählt DGB-Regionssekretär Peter Hofmann aus der Praxis. Oft kämen psychische Beschwerden hinzu: "Bei mir saß kürzlich eine Frau, die hat Rotz und Wasser geheult", schildert er einen Fall. "Sie hat zusammen mit einem Leiharbeiter und einem Werksverträgler eine Maschine bedient und wurde von beiden gemobbt." Die beiden benachteiligten Kollegen hätten die Festangestellte aus ihrem Job gedrängt, um selber zu Zug zukommen.

"Ich hatte auch schon schwer traumatisierte Frauen hier, die nach einem Gewaltverbrechen eine Art Flashback hatten." Alles andere als Lappalien, stellt der Weidener Gewerkschafter fest: "Niemand verzichtet leichtfertig auf Rentenpunkte." Umso skandalöser empfindet er die systematische Benachteiligung von Bestandsrentnern nach der Gesetzesnovelle, die der Report aufdeckt: "Wer seinen Antrag auf Erwerbsminderungsrente vor dem 1. Januar 2019 gestellt hat, ist von den Verbesserungen ausgeschlossen." So wirke sich die Erhöhung und die Zurechnungszeit für sie nicht aus.

Wieder im alten System

Beim Durchschnittsrentner mache das einen Unterschied von 105 Euro im Monat aus. Zumal die Erwerbsminderung bei Antragstellung rückdatiert werden könne, solle, wer auf Nummer sicher gehen wolle, am besten nicht vor dem 1, April einreichen. "Sonst kann es dir passieren, dass du wieder im alten System bist", sagt er kopfschüttelnd.

"Ein Unding, wie kompliziert das wieder aufgesetzt ist", ärgert sich Hofmann. Ob bewusst, um Kosten zu sparen, oder aus alter bürokratischer Gewohnheit, lässt er dahingestellt. In zwei Stufen sei das Gesetz erst unter Nahles in 2014 und jetzt erst wieder nachgebessert worden: "Ursprünglich wurde der Rentenanspruch aus dem Durchschnitt der letzten vier Berufsjahre nur bis zum 60. Lebensjahr, dann bis zum 62. und jetzt bis 65 und 8 Monate hochgerechnet - ab 2031 sogar bis 67."

Wer seinen Antrag also einen Tag zu früh einreicht, müsse mit erheblichen Nachteile rechnen. In einer alternden Gesellschaft, in der Top-Leistungen bis zum letzten Tag verlangt würden und die Verdichtung der Arbeitszeit kaum noch Luft zum Atmen lasse, würde das Thema ständig wichtiger: "Seit einem halben Jahr halte ich Vorträge bei der Kritischen Akademie in Inzell, wo ich regelmäßig darüber aufkläre", erklärt Hofmann die große Nachfrage nach seinem Know-how.

DGB-Renten-Report :

◘ Eigene Beiträge:

Mehr als 15 Prozent der 5,8 Millionen Versicherten schaffen es nicht, mit eigenen Beiträgen Ansprüche zu erwerben.

◘ Atypische Beschäftigung:

Mit einem Anteil von 38,3 Prozent erreichten 2016 die atypisch Beschäftigten mit geringeren Rentenbeiträgen einen Höchststand.

◘ Wie viel Rente?

Bayerische Neurentner bekamen im Schnitt 1081 Euro Altersrente, Neurentnerinnen nur 684 Euro. Erwerbsminderungsrentner kamen durchschnittlich auf 793 Euro, Frauen auf 704 Euro.

◘ Renteneintrittsalter

Männer gingen 2017 mit einem durchschnittlichen Alter von 63,9 Jahren in Altersrente, Frauen mit 64,2 Jahren. Erwerbsminderungsrentner mussten mit 52,1 Jahren ausscheiden, gehandicapte Frauen mit 51,3 Jahren.

https://bayern.dgb.de/service/broschueren/rentenreport-bayern-2018

 
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