Weiden in der Oberpfalz
15.12.2019 - 21:48 Uhr

Aufgespießt mit spitzer Feder

Ein Karikaturist, der seinen Lesern nicht auch manchmal die Zornesröte ins Gesicht treibt, macht seinen Job nicht richtig. Jürgen Tomicek ist da keine Ausnahme. Aber jetzt ist Schluss.

Karikaturist Jürgen Tomicek in seinem Atelier in Werl (Nordrhein-Westfalen). Bild: exb
Karikaturist Jürgen Tomicek in seinem Atelier in Werl (Nordrhein-Westfalen).

Ja, Tomicek macht Schluss. Schluss mit dem Jahr 2019, soll das heißen. Denn das ist bald Geschichte – und damit auch die Pleiten, das Pech und die Pannen des politischen Betriebs. Für Kommentatoren gab es viel zu tun, und auch ein aufmerksamer und feinsinniger Karikaturist wie Jürgen Tomicek kam mit Tuschefeder und Papier kaum hinterher, so schnell drehte sich die Nachrichtenwelt: Groko-Stress, endloser Brexit-Aufschub, AKKs Tanz durch die Fettnäpfchen, Scheuer-Andis Maut-Desaster, der Groll auf das Schwedenmädchen mit den Zöpfen und immer wieder Donald Trump, Donald Trump, Donald Trump. Und Donald Trump.

Seit 2007 sammelt Tomicek seine besten Werke jeweils in einem Jahresband, so auch dieses Jahr. Der 62-Jährige gehört zu den in Deutschland meistgedruckten Künstlern seines Fachs, seit Jahrzehnten sind seine Karikaturen auch in den Zeitungen von Oberpfalz-Medien zu sehen. Vielbeschäftigt ist der Mann in seinem Atelier, trotzdem hat er sich Zeit für ein kurzes Interview genommen.

Das neue Jahrbuch von Jürgen Tomicek mit den besten Karikaturen von 2019. Bild: exb
Das neue Jahrbuch von Jürgen Tomicek mit den besten Karikaturen von 2019.

ONETZ: Sie bekommen viel Lob, aber sicher auch Beschwerden zu Ihren Karikaturen. Fällt die Kritik in diesen aufgeheizten Zeiten heftiger aus?

Jürgen Tomicek: Durchaus, vor allem auf Facebook, wo ich meine Karikaturen ja auf meiner Seite ebenfalls veröffentliche. Ich habe den Eindruck, Satire wird mittlerweile anders wahrgenommen, manche Menschen reagieren übertrieben sensibel. Manchmal höre ich auch den Vorwurf, meine Karikaturen seien nicht neutral genug - dabei darf eine Karikatur eben gerade nicht neutral sein, sondern muss polarisieren. Teilweise wissen die Leute einfach gar nicht mehr, was eine Karikatur überhaupt ist, vielleicht, weil sie medial so übersättigt sind. Im Allgemeinen fallen die Reaktionen auf meine Arbeit jedoch positiv aus.

ONETZ: Gibt es manchmal Ideen, die Sie verwerfen, obwohl Sie schon eine Karikatur fertig haben? Und wenn ja, was sind die Gründe für solche "Rückzieher"?

Jürgen Tomicek: Es gibt solche Fälle tatsächlich, aber dann sind die Gründe eher künstlerischer Art. Manchmal verfehle ich aber auch inhaltlich das Ziel oder schieße über das Ziel hinaus, dann wird die Karikatur in die Tonne gekloppt - und zwar wirklich in den Papierkorb ...

ONETZ: ... weil Sie nicht am Computer, sondern nach wie vor auf Papier arbeiten?

Jürgen Tomicek: Genau. Handwerklich bin ich da oldschool und leidenschaftlich. Gerade Karikaturen müssen prägnant und deutlich sein, sie brauchen dynamische Striche. Und das erreiche ich nur mit Stift und Feder, lediglich das Kolorieren passiert dann am Computer. Ich brauche einfach das Kratzen der Feder auf Papier, und dann denke ich oft: Nur noch der Zeitungsleser und ich haben noch Papier in der Hand.

ONETZ: Haben Sie eine Art "Testpublikum" für Ihre Arbeiten, oder schicken Sie die Karikaturen direkt raus?

Jürgen Tomicek: Früher hat meine Frau die Zeichnungen vorher angeschaut, aber mittlerweile weiß ich zu gut, wie sie tickt, das funktioniert nicht mehr. Außerdem arbeitet heute die ganze Familie mit in der Firma, wir sitzen quasi den ganzen Tag zusammen. Nein, mittlerweile gehen die Karikaturen direkt raus, ohne "Testpublikum".

Ein Blick in Tomiceks neuen Jahresband. Grafik: Jürgen Tomicek
Ein Blick in Tomiceks neuen Jahresband.

ONETZ: Wie sieht der klassische Tomicek-Vormittag aus: Tasse Kaffee, Nachrichten gucken, Entwürfe auf den Block kritzeln?

Jürgen Tomicek: Ich bin eigentlich schon recht früh im Atelier, meistens zwischen 7 und 8 Uhr. Ich brauche Ruhe zum Arbeiten, und um diese Zeit ist noch nicht viel los. Dann schaue ich die üblichen Nachrichtenticker durch und suche nach Themen. Außerdem läuft den ganzen Tag das Radio, damit bin ich immer mit einem Ohr im Weltgeschehen. Und Kaffee, klar, der gehört bei jedem kreativen Mensch dazu, denke ich. Aber ein typisches Ritual gibt es bei mir morgens nicht.

ONETZ: Wie entstehen Ihre Ideen? Rein im Kopf?

Jürgen Tomicek: Ich wühle in den geistigen Schubladen, suche nach umgangssprachlichen Ausdrücken, nach Metaphern, Redewendungen. Dann notiere ich mir Stichworte und versuche Verbindungen zu knüpfen zwischen den Nachrichten und den Bildern im Kopf.

ONETZ: Fällt Ihnen zu Donald Trump eigentlich noch etwas ein?

Jürgen Tomicek: Was soll ich in diesem Job eigentlich? Trump ist doch selbst eine wandelnde Karikatur. Er bietet jedenfalls viel Angriffsfläche, allerdings versuche ich, mehr mit den Reaktionen auf Trump zu spielen, mehr aktuelle thematische Verbindungen herzustellen und nicht nur den Mann an sich zum Thema der Karikatur zu machen.

www.tomicek.de

 
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