Der Bayerische Rundfunk schneidet mit, er sollte eine große Stunde erlauscht haben: 16 Jahre gemeinsame Arbeit und internationale Konzerterfahrung des „Atos Trio“ sind nicht ohne Folgen geblieben. Die Besetzung „Klaviertrio“ ist durchaus heikel: Großer Flügel und kleine Streichinstrumente, anschlagen und anstreichen müssen den gleichen Musik-Dialekt finden. Sonst werden letztere unversehens unter Klavier-Klang-Massen verschüttet, ihre Gegenwehr mit Bögen provoziert forcierten Ton.
Trio-Seilschaft am Gipfel
Annette von Hehn (Violine), Stefan Heinemeyer (Violoncello) und Thomas Hoppe stellen bemerkenswert stimmige Lösungen vor: Der Pianist hört fast mehr als er spielt, er führt eine außerordentlich kluge Stimmen-Regie; solistisch oder begleitend, Struktur- oder Klang-bildend, nie wirkt sein Klavierton schwerlastig verfettet. So können die streichenden Kollegen ein erstaunliches Pianissimo wie beim Streichquartett-Spiel zaubern. Klangfarben, Artikulation von Klavier und Streichern sind feinstens austariert, nie gibt es Brüche bei Dialogen zwischen den Stimmen. So klingt Trio-Spiel oberster Liga!
Die superbe (neue!) Violine der Geigerin hat auf ihrer Palette sowohl kernig-klare G-Saiten-Töne - packend der leidenschaftliche Einstieg in Smetanas g-Moll-Trio op. 15 - wie auch goldleuchtende Reger-Halle-füllende Höhen. Das Violoncello von Heinemeyer wiederum lässt mit besonders warmen, erdigen Klängen der mittleren Saiten aufhorchen, etwa im 1. Satz von Dvořáks f-Moll-Trio op. 65.
Jugend und Schicksal
Atos beginnt mit Musik eines Hochbegabten: Josef Suk hat das jugendlich-überschwängliche Werk c-Moll op. 2 mit 16 Jahren geschrieben. Erstaunlich wie gewandt er schon die Besonderheiten der Instrumente kennt, wie er mit der Tonsprache des Jahres 1891 vertraut ist. Mit Augenzwinkern scheint er im Andante eine Habanera anklingen zu lassen. Im Finale schürt er pubertäres Feuer im besten Sinne.
Tief ergreifend, ja erschütternd musizieren sie dann das Trio von Smetana: Es basiert zwar auf traditionellen Strukturen, hat aber einen autobiografisch-programmatischen Hintergrund, die Trauer über den Tod der 5-jährigen Tochter. Nur perfektes Spiel wäre hier zu wenig – es gilt ein emotional empfundenes Psychogramm darzustellen: Überschwang bis an die Grenze zur Raserei; Euphorie, Glück, Trauer, Leid, Resignation, plötzliches lähmendes Entsetzen. Es gelingt exemplarisch!
Auch Dvořáks dichtes, dunkles, manchmal düsteres Opus spielen die Drei mit packender Leidenschaft und ergreifender Gefühlstiefe. Atem und musikalischer Durch- und Überblick reichen mühelos für 45 spannende Minuten. Dann kocht Applaus hoch, es gibt noch den mit ironischer Sektlaune servierten „Wiener Marsch“ von Fritz Kreisler.
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