Als Thomas Würdinger, Chef der Weidener Arbeitsagentur, die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in der Nordoberpfalz präsentiert, staunen die anwesenden Vertreter der Wirtschaftsverbände nicht schlecht: „Wir müssen das besser kommunizieren“, finden die Macher des Aufschwungs. „Wir müssen unsere Stärken besser erklären“, findet auch Bernd Fürbringer, Vorsitzender des IHK-Gremiums Nordoberpfalz. Im Wettbewerb um Fachkräfte, die unbedingt gebraucht werden, um den erreichten Standard zu halten, gebe es Nachholbedarf: „Der Informationsstand der Jugendlichen und Eltern ist nicht der beste.“
Man müsse vor allem dem Nachwuchs die Vorzüge familiengeführter Mittelständler näherbringen: „Man bekommt schneller ein eigenes Projekt, kann auch leichter Auslandserfahrung sammeln als im Konzern.“ Am bescheidenen Image seien die Unternehmer teils selbst schuld: „Da ist die Nordoberpfälzer Kultur hinderlich“, findet Florian Rieder, Leiter des IHK-Gremiums Nordoberpfalz, „man muss auch mal Stärke zeigen, die Karrierechancen müssen in die Köpfe der Eltern.“
Grenzöffnung als Initialzündung
„Am Beginn der Erfolgsgeschichte steht sicher die Grenzöffnung“, erklärt Weidens Arbeitsagenturchef Thomas Würdinger den Wandel vom Zonenrandgebiet zur Mitte Europas. „Wir hatten zuvor eine Arbeitslosigkeit im zweistelligen Bereich – die nördliche Oberpfalz war notleidend.“ Regensburg habe von der Uni und BMW profitiert, Schwandorf von Wackersdorf, der Norden aber darbte: „Das ist überholt. Heute ist es eher so, dass wir mit Fachkräftemangel kämpfen.“ Regensburg dagegen sei stärker von den aktuellen Risiken der Automobilbranche betroffen: „BMW setzt Zeitarbeiter frei, die Zulieferindustrie inklusive Conti bekommt das zu spüren.“
Im Aufschwung zwischen 2013 und 2017 habe der Arbeitsmarktbezirk Weiden einen Zuwachs um 7000 Arbeitsplätze verzeichnet – ein Viertel der neuen Beschäftigten sei aus der Arbeitslosigkeit gekommen. „Wir haben eine hohe Förderintensität orientiert an Prognosen fürs Geschäftsjahr.“ „Wir stehen sehr breit da“ „Die Monokultur ist verschwunden“, nennt Fürbringer einen weiteren Grund für die stabile Konjunktur in der Nordoberpfalz. „Wir stehen sehr breit da, sind konjunkturunabhängiger“, freut sich der Geschäftsführer des Bauunternehmens Kassecker in Waldsassen.
„Die traditionellen Branchen – Glas und Porzellan – haben erkannt, dass es so nicht weitergehen kann“, sagt er. „Mit herkömmlicher Ware hatte man keine Chance gegen die Konkurrenz aus Fernost.“ Heute produzierten diese Unternehmen hochmodern: „Auch wenn es immer noch Manufakturanteile gibt“, sagt Fürbringer, „hat da längst die Robotik Einzug gehalten.“
Amberg und Schwandorf: Guter Mix
Was ist ursächlich für den Wandel der Landkreise Schwandorf und Amberg-Sulzbach von Massenarbeitslosigkeit zu Vollbeschäftigung? „Die Zahlen macht zu mehr als 50 Prozent der Markt“, erklärt Markus Nitsch, Chef der Arbeitsagentur in Schwandorf. Das Aus einer ganzen Branche – Stichwort Maxhütte – habe beide Landkreise hart getroffen. „Der grenznahe Bayerische Wald war von Haus aus strukturschwach“, sagt Nitsch, „im Winter stieg die Arbeitslosigkeit auf bis zu 50 Prozent.“
Inzwischen hat sich der Agenturbezirk zwischen Amberg und Schönsee neu aufgestellt: „Insgesamt haben wir im Landkreis eine tolle Entwicklung mit Wackersdorf als Treiber“, freut sich Nitsch. „Jetzt haben wir einen guten Mix aus Metall, Elektro, in Cham auch mit einem Gesundheitssektor.“
Hochburg des Handwerks
Und die nördliche Oberpfalz die Hochburg des Handwerks: „In der Stadt Weiden werden 40 Prozent aller generierten Umsätze von Handwerkern erarbeitet.“ Denkbar gute Voraussetzungen seien das in Ostbayern, findet der Regensburger Unternehmer: „Zwei der besten fünf Handwerkerregionen in Deutschland sind in der Oberpfalz, Neustadt/Waldnaab und Neumarkt. Zwei weitere befinden sich in Niederbayern.“
Zum Vergleich: Im bayerischen Schnitt erwirtschaften Handwerker 10 Prozent des Gesamtumsatzes, im Kammerbezirk 20 und in Neumarkt 36 Prozent. 38 000 Betriebe in Ostbayern garantieren eine ausgewogene Wirtschaftsstruktur: „Wo Handwerkerregionen sind, ist das soziale Gefüge stabil. Das mache die Region krisensicherer als andere: „Selbst die Leman-Krise hat man hier deutlich weniger gespürt.“
Die Oberpfalz in Zahlen
Der mittel- bis langfristige Trend ist ein Oberpfälzer – bei allen wichtigen Kennzahlen geht es aufwärts. Die Wachstumsregion überzeugt durch:
◉ die im bayernweiten Vergleich niedrigste Arbeitslosenquote mit den günstigsten Jahresdurchschnittswerten im Freistaat Bayern in den Jahren 2015 bis 2017,
◉ die positive Bevölkerungsentwicklung in der Oberpfalz (Zunahme 2016 gegenüber 2015 um 0,6 Prozent oder über 6000 Personen),
◉ die positive – und alle Landkreise und kreisfreien Städte gleichermaßen betreffende – Zunahme der Erwerbstätigenzahl gegenüber 2010 um 7,4 Prozent (an zweiter Stelle hinter Oberbayern),
◉ die landesweit stärkste Zunahme des Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukts im 5-Jahres-Vergleich (+19,7 Prozent; Bayern: +18,0 Prozent). Bezogen auf den absoluten Wert des BIP/Einwohner rangiert die Oberpfalz im bayernweiten Vergleich hinter Oberbayern und Mittelfranken sogar an dritter Stelle,
◉ die überdurchschnittliche Zunahme des verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte je Einwohner gegenüber 2010 um 13,8 Prozent (Bayern: 10,8 Prozent) auf 21 592 Euro und damit eine weitere Annäherung an den Landesdurchschnitt,
◉ die weitere Steigerung des Umsatzes im Verarbeitenden Gewerbe 2016 gegenüber 2015 um 6,5 Prozent und damit die mit Abstand günstigste Entwicklung aller Regierungsbezirke (Bayern: 2,0 Prozent); im 5-Jahresvergleich liegt die Oberpfalz mit einer Umsatzsteigerung von 2011 bis 2016 ◉ um 14 Prozent an zweiter Stelle und ebenfalls deutlich über dem Landesdurchschnitt von 4,8 Prozent.
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