Weiden in der Oberpfalz
07.04.2019 - 14:13 Uhr

Dichter in der Tiefgarage

Es ist das jüngste Format der Weidener Literaturtage. Und gleichzeitig zuverlässig der Publikumsmagnet. Der Poetry Slam zieht wieder Hunderte in die Tiefgarage des City Centers. Im Industrial-Chic der Location sind Sitzplätze Mangelware.

Publikumsliebling Rainer Holl rechnet bissig ab mit Lokalpatriotismus und proklamiert gnadenlos: "Deutschland, Deutschland, überall is' scheiße." Bild: otj
Publikumsliebling Rainer Holl rechnet bissig ab mit Lokalpatriotismus und proklamiert gnadenlos: "Deutschland, Deutschland, überall is' scheiße."

Moderiert wird der Dichterwettstreit erneut von Felix Römer, charismatisches Urgestein der Slammerszene. Im Gepäck hat der Berliner vier echte Hochkaräter der Sprachkunst aus ganz Deutschland: Yusuf Rieger, Rainer Holl, Imke Sommerlang und Veronika Rieger. Zu den erfahrenen Bühnenhasen gesellt sich außerdem die Weidenerin Sita Kraus.

Den Start in den Abend wagte Yusuf Rieger mit einem Text über Helden der Kindheit und deren Entzauberung. „Pippi Langstrumpf ist auf psychedelischen Drogen hängen geblieben, der Sandmann hat mit Koks gedealt und Pinocchio ist ein Schwindler.“

Anschließend reflektiert Imke Sommerlang ihr nomadisches Studentenleben, Partys, Freundschaften, die entstehen, Bestand haben oder sich nach einem Umzug wieder verlieren. Und über Teelichter, die selbst der schäbigsten Studentenwohnung Gemütlichkeit geben.

Sita Kraus aus Weiden fordert mit ihrem Text dazu auf, Menschen die uns im Alltag begegnen, nicht vorschnell zu verurteilen, sondern das Bild im Kopf zu hinterfragen. „Der Flüchtling da, der sich mit seinen Freunden in einer fremden Sprache unterhält.“ Vielleicht sei der einfach nur glücklich, sich in all der Fremdheit ein bisschen heimisch zu fühlen.

Einen nicht zu ernsten Kontrapunkt setzt Rainer Holl zunächst mit Werbung in eigener Sache. Im Gepäck hat der Slammer einen demotivierenden Spruchkalender. „Lebe nicht deinen Traum, sondern halt einfach die Fresse.“

Sein Text befasst sich anschließend mit grassierendem Lokalpatriotismus. Der Titel: Deutschland, Deutschland, überall is’ scheiße. „Die Norddeutschen hassen die Münchener, die Hamburger die Bremer und das Ruhrgebiet ist grün. Aber trotzdem scheiße.“

Veronika Rieger beschäftigt sich mutmachend mit ihrem 14-jährigen Ich. „Hör auf dich zu fragen, ob du gut genug für Menschen bist und fang an, dich zu fragen, ob die Menschen gut genug zu dir sind. Hör auf dir zu wünschen, klein und schmal und wenig zu sein. Du hast einen festen Stand in dieser Welt.“

Und natürlich gehört zu einem Poetry Slam auch ein Sieger. Wobei man an diesem Abend nichts von Konkurrenz unter den Künstlern spürt. Entsprechend schwierig gestaltet sich denn auch die Abstimmung durch das Publikum. In mehreren Wahlgängen werden die unterschiedlichsten Methoden erprobt: Applaus, nonverbales Aufzeigen und lautstarke Schinkenrufe. Am Ende setzt sich Rainer Holl durch.

Yusuf Rieger rechnet mit Helden seiner Kindheit ab: Pippi Langstrumpf auf psychedelischen Drogen, der Sandmann als Koksdealer und Pinocchio ein Schwindler. Bild: otj
Yusuf Rieger rechnet mit Helden seiner Kindheit ab: Pippi Langstrumpf auf psychedelischen Drogen, der Sandmann als Koksdealer und Pinocchio ein Schwindler.
Imke Sommerlang reflektiert mit Tiefe über ihre Studienzeit, Partys, Umzüge, Freundschaften und Teelichter. Bild: otj
Imke Sommerlang reflektiert mit Tiefe über ihre Studienzeit, Partys, Umzüge, Freundschaften und Teelichter.
Mit Sita Kraus wagt sich eine Weidenerin in die Höhle der Slammer. Und ermutigt zu einem Blick hinter die Fassade der Menschen, die uns im Alltag begegnen. Bild: otj
Mit Sita Kraus wagt sich eine Weidenerin in die Höhle der Slammer. Und ermutigt zu einem Blick hinter die Fassade der Menschen, die uns im Alltag begegnen.
Veronika Rieger appelliert an ihr 14-jähriges Ich: „Hör auf dich zu fragen, ob du gut genug für Menschen bist und fang an, dich zu fragen, ob die Menschen gut genug zu dir sind." Bild: otj
Veronika Rieger appelliert an ihr 14-jähriges Ich: „Hör auf dich zu fragen, ob du gut genug für Menschen bist und fang an, dich zu fragen, ob die Menschen gut genug zu dir sind."
Nachdem sich Rainer Holl direkt für das Finale qualifiziert hat, sind es nur noch vier: Yusuf Rieger, Imke Sommerlang, Sita Kraus und Veronika Rieger (von links). Bild: otj
Nachdem sich Rainer Holl direkt für das Finale qualifiziert hat, sind es nur noch vier: Yusuf Rieger, Imke Sommerlang, Sita Kraus und Veronika Rieger (von links).
 
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