Weiden in der Oberpfalz
07.11.2018 - 17:07 Uhr

Faust als urkomisches Kammerspiel

Goethes Faust gibt es in unzähligen Fassungen. Die Macher der Kulturbühne haben es sich bei der Auswahl des Stückes nicht leicht gemacht, sondern wollten etwas Außergewöhnliches auf die Bühne bringen.

Philipp Mosetter (links) und Michael Quast haben sich Großes vorgenommen: Den Faust mutig zu dekonstruieren und als komische Kammerstück zu entstauben, ist ihnen vortrefflich gelungen. Bild: Jörg Otto
Philipp Mosetter (links) und Michael Quast haben sich Großes vorgenommen: Den Faust mutig zu dekonstruieren und als komische Kammerstück zu entstauben, ist ihnen vortrefflich gelungen.

Nur zwei Tische, zwei Stühle und Lampen, das ist die ganze Kulisse, in der die Handlung spielt. Die Protagonisten treten weder in klassischen Kostümen noch in avantgardistischen Fantasieuniformen auf. Der eine eher hemdsärmlig, der andere in Anzug und Krawatte.

Die Version von Michael Quast und Philipp Mosetter am Dienstagabend in der Max-Reger-Halle ist wahrlich weniger eine dramatische Interpretation des Stoffes als eine szenische Lesung mit live handgereichter Interpretation - ein Meta-Faust sozusagen. Mit reichlich Bildungs-Humor und skurrilen Ideen. "Die Handlung ist schnell erzählt: Ein alter Gelehrter will sich wieder verlieben und als die Dame da ist, will er sie schon wieder loswerden."

"Ach" als zentrale Vokabel

Die beiden Darsteller haben sich Großes vorgenommen: Die (!) deutsche Tragödie, die seit Urzeiten Abiturienten und Studenten trietzt, als Humoreske zu präsentieren. Gelungen ist ihnen das sensationell - ohne den vermeintlich gebotenen Bierernst, aber ohne flach zu werden.

Während Quast Auszüge aus dem Werk in verteilten Rollen liest, unterbricht Mosetter ihn immer wieder, um entweder Bezüge zu seinem eigenen Leben herzustellen oder um hanebüchene Regieanweisungen zu geben: Das "Ach" bereitet ihm dabei großes Kopfzerbrechen. "Das ist die zentrale Vokabel", erklärt er und lässt sich verschiedene Fassungen anbieten, bis er zufrieden ist. Es geht allerdings noch absurder: "Du bist ein alter Mann, das musst du fühlen. Sprich den Text doch mal ohne Zähne."

Oder er versucht sich an abenteuerlichen Interpretationen, meist naturwissenschaftlicher Art, bringt Heisenbergs Unschärferelation oder die Quantenmechanik ins Spiel. Während Mosetter also die meiste Zeit als Kommentator fungiert, schlüpft er allerdings mit Genuss in die Rolle des Gretchens, deren verklemmtes Wesen ihm wohl von allen Figuren am nächsten ist.

Diabolischer Gestus

Und in diesem Spiel der beiden findet sich auch eine Metaebene. Mosetter ist der Gelehrte, der in jedem Satz des Faust Erkenntnisgewinn erhofft, Quast hingegen ist der Instinktmensch, der den Text mit diabolischem Gestus und in vielen Dialekten rezitiert. Erotische Szenen liest er mit besonderer Verschlagenheit in der Stimme, während Mosetter sich dort in Verlegenheit windet.

Immer wieder spielt der Anzugträger mit den Erwartungen an eine klassische Faust-Aufführung. "Das ist die Szene mit der Gretchenfrage. Diese ist als bekannt vorauszusetzen. Die überspringen wir einfach." Das ist allerdings auch der einzige Pferdefuß an dem Kammerspiel. Wer nicht zumindest Grundkenntnisse des Stücks mitbringt, wird sich manchmal nicht ganz zurechtfinden, im sprunghaften Handlungsverlauf.

Und so gibt es einen Parforceritt durch die Handlung. Vom Studierzimmer über "Pudels Kern", in dessen Rolle Mosetter kurz schlüpft ("Du musst den Hund sehen, wirklich sehen, das ist ein Vorgang auf der Retina.") bis Hexenküche, Marthes Garten, Walpurgisnacht bis zur Kerkerszene. Nach jeder Szene merkt Mosetter an, dass nun die Tragödie erst richtig beginnt, um nach der letzten Szene abrupt zu enden. Ein Running Gag mit unerwarteter Pointe. Prädikat: äußerst empfehlenswert.

 
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