Weiden in der Oberpfalz
23.11.2018 - 17:57 Uhr

"Warum gebt ihr Oberpfälzer euch so ein schlechtes Image?"

Stefan Willeke ist Ruhrpottler durch und durch. Seit gut zwei Jahren lebt er in Weiden. In unserer Rubrik "Zugroast" verrät er, was er von seiner neuen Heimat hält und warum seine "Preißn"-Freunde bei Besuchen in der Region immer staunen.

Stefan Willeke stammt aus dem Ruhrpott und lebt seit gut zwei Jahren in Weiden. Bild: Lukas Meister
Stefan Willeke stammt aus dem Ruhrpott und lebt seit gut zwei Jahren in Weiden.

Lastwagensitze und Fahrräder, Porzellan und Straßenwalzen, Chips und Zoigl. Es gibt fast nichts, was von den Unternehmen in der Oberpfalz nicht hergestellt wird. Das lockt an. Menschen aus der ganzen Welt ziehen in die Oberpfalz - und finden eine neue Heimat. Hier erzählen sie davon. Heute mit Stefan Willeke (46). Er ist in Bochum geboren und lebt seit 2017 in Weiden. Dort arbeitet er bei Oberpfalz-Medien als Manager Digitale Innovationen.

ONETZ: Der Oberpfälzer ist ein Grantler und Sturkopf. Stimmt’s?

Stefan Willeke: In den vergangenen 20 Jahren habe ich in verschiedenen Regionen in Deutschland gelebt – die Oberpfälzer erscheinen mir wesentlich freundlicher und weltoffener, als die Bewohner so manch anderer Region. Und Sturkopf muss ja nicht negativ gemeint sein. Liebe Oberpfälzer: Warum gebt Ihr Euch selbst so ein schlechtes Image?

ONETZ: Mit welchen Vorurteilen und Erwartungen sind Sie in die Oberpfalz gekommen? Und wie lautet jetzt Ihr Fazit?

Tatsächlich bin ich aufgezogen worden, ich würde nach West-Sibirien ziehen – dabei lebe ich doch in Weiden und nicht in Tirschenreuth. Ernsthaft: Nachdem ich zuletzt in München und Ingolstadt gelebt habe, war mir natürlich vorab klar, dass Weiden keine Großstadt ist. Der Trubel und der Lärm der Großstädte fehlen mir aber auch nicht im Geringsten. Die Infrastruktur in Weiden stimmt: Krankenhaus, eine lebendige Altstadt mit schönen Einkaufsläden und auch noch eine abwechslungsreiche Gastronomie – viel besser als erwartet. Mir gefällt es in der Oberpfalz sehr gut! Einmal abgesehen davon, dass die Busse am Abend viel zu früh ihren Betrieb einstellen und ich somit regelmäßig meinen 16-jährigen Bub abholen muss, kann ich kaum Kritikpunkte finden.

ONETZ: Spielen Sie oft mit dem Gedanken, in Ihre alte Heimat zurückzukehren? Wie oft fahren Sie tatsächlich zurück?

Der Gedanke ist mir offen gestanden völlig fremd. Nach dem Tod meiner Schwester sind meine Eltern vor ziemlich genau zehn Jahren nach Unterschleißheim nachgezogen und somit habe ich damit die ‚Kernfamilie’ gen Bayern gebracht. Die restliche Familie im Ruhrgebiet besuche ich, wenn möglich, einmal im Jahr zu Familienfeiern oder wenn Termine im Pott anstehen.

ONETZ: Was erzählen Sie dort von Ihrer neuen Heimat? Was würden Sie Ihren Verwandten oder Freunden zuerst zeigen, wenn die zu Besuch in die Oberpfalz kommen?

Ich erzähle recht begeistert davon. Bis zum ersten Besuch können mich die meisten nicht verstehen – danach sind die meisten auch begeistert. Normalerweise starten wir am Samstag in Weiden auf dem Bauernmarkt, dann zeige ich gerne den Fischhofpark Tirschenreuth, und natürlich geht es immer auch nach Amberg. Und wenn dann auch noch mein Lieblings-Zoigl geöffnet hat, dann geht es am Abend nach Windischeschenbach. Besuch aus Übersee freut sich immer über einen Blick gen Grafenwöhr und natürlich Regensburg. Besonders angetan sind in den warmen Monaten alle vom ‚riesigen Wohnzimmer’ Unterer Markt. Hier staunen meine Freunde aus ‚Preißn’ und ‚Minga’ dann immer, dass man sich in der Oberpfalz einen Rausch sogar in einer Bar leisten kann.

ONETZ: Verstehen Sie Ihre Oberpfälzer Kollegen, wenn Sie mit ihm nach Feierabend ein Bier trinken?

Vor dem Dialekt bin ich gewarnt und teilweise auch regelrecht bemitleidet worden. Ich solle mir den Hund von einem Kollegen ausleihen, damit er mir übersetzen könne. Auch dieses Vorurteil kann ich nicht bestätigen. Nun nehmen viele Menschen auf mich als Nordlicht natürlich Rücksicht – aber ein ‚Bellen’ habe ich in den letzten knapp zwei Jahren eigentlich nie gehört. Verstanden habe ich bisher noch immer jeden. Eine Kollegin macht mit mir einen ‚Sprachkurs’ Oberpfälzisch per Whats-App – sie schreibt mir ausschließlich im Dialekt. Da muss ich manchmal schon etwas langsamer lesen

ONETZ: Fühlen Sie sich bereits als Oberpfälzer?

Nein – und das werde ich wohl auch niemals. Tief im Inneren bin und bleibe ich ein Ruhrpottler mit all seinen Ecken und Kanten. Damit ich als Oberpfälzer durchgehe, müsste ich zunächst einmal viel weniger Reden. Wer mich kennt, weiß, dass schwierig bis unmöglich ist …

 
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