Fast auf den Tag genau sechs Jahre ist es nun her, dass Dieter Hildebrandt bei den Weidener Literaturtagen zu Gast war: Im April 2013 steht und sitzt er im Neue Welt Kinocenter auf der Bühne. Ein halbes Jahr später stirbt Hildebrandt an Krebs. Walter Sittler sorgte am Dienstagabend zum Abschluss der diesjährigen Literaturtage an selber Stelle für eine Art "Wiederauferstehung" des unvergessenen Grandseigneur des deutschen Kabaretts.
Der Schauspieler Walter Sittler ("Nikola", "Der Kommissar und das Meer") bringt mit dem Programm "Ich bin immer noch da" eine besondere Hildebrandt-Hommage an die Besucher im ausverkauften Kino-Saal. "Es wäre schön, wenn Dieter Hildebrandt heute selbst hier wäre, aber das wird er nicht können", sagt Sittler. Hildebrandt sei "langfristig" verhindert, solche Termine wahrzunehmen. Schon mit der Begrüßung macht Sittler deutlich, dass er sich den Humor Hildebrandts angeeignet hat und sich damit auch wohlfühlt. Die Besucher merken von Beginn an, dass hier der "Geist" Hildebrandts an jenen Ort zurückkehrt, wo er einen der letzten größeren Auftritte vor seinem Tod gefeiert hatte.
Sittler hat eine Hommage zusammengestellt, die einer Tour d'Horizon durch das Werk Hildebrandts gleicht: Er liest und spielt dessen Texte, man erfährt Wissenswertes über den Künstler, manche Texte ergänzt und aktualisiert Sittler. Auch im Wortduktus und in der Gestik nimmt Sittler viel von dem auf, was Hildebrandt einzigartig und unverwechselbar gemacht hat. Den Auftakt macht ein Auszug aus Hildebrandts Dankesrede für den 2013 erhaltenen Erich-Kästner-Preis, in der die Zuhörer viel über die Anfänge des künstlerischen Lebens Hildebrandt erfahren - unter anderem über die Zeit als Kartenabreißer und die erste prägende Begegnung mit Erich Kästner.
Es sind bekannte und weniger bekannte Texte, die Sittler zusammengestellt hat. Ein Klassiker, der nicht fehlt, ist die Hildebrandt'sche Version von Matthias Claudius' "Abendlied", vorgetragen im Stil des Alt-Kanzlers Helmut Kohl: "Der Mond ... meine Damen und Herren, liebe Freunde - und das möchte ich hier in aller Offenheit sagen ... ist aufgegangen." Das Publikum lacht und ist begeistert, der Wortwitz und der Humor Hildebrandts kennen keine Patina. Politik nimmt einen großen Teil des Abends ein, die Spitzen gegen die Parteien - allen voran gegen CDU und CSU - wirken noch heute. So widmet sich Sittler den "umherirrenden Millionen" der CDU-Spendenaffäre, Horst Seehofer muss, genauso wie Angela Merkel, immer wieder für Spott herhalten. Eine gelungene Episode aus dem Werk Hildebrandts spielt auf dem Obersalzberg mit den Fundamenten der Alpenfestung, auf dem der "Verein zur Pflege reaktionären Brauchtums" ein Hitler-Museum eingerichtet hat. Um das Thema Hitler auch für die heutige Jugend und die Fans der alten Zeit attraktiv zu machen, seien noch eine 125-teilige Fernsehserie, fünf Kinofilme, drei Musicals, zwei Operetten, eine Oper und eine Gemäldeausstellung in Planung - manchmal bleibt einem das Lachen auch im Halse stecken, wenn man sich die Realität ansieht.
Und Sittler geht mit seinem Programm noch ein kleines Stück weiter, nimmt den Geist Hildebrandts mit, um aktuelle Tendenzen und Erscheinungen wie die "besorgten Bürger", Pegida und die AfD zu kommentieren. Sittlers klarer Tipp für die Zukunft: Die "Bio-Deutschen" sollten sich mit anderen Nationalitäten vermischen, schon allein wegen des schöneren Erscheinungsbildes.
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