Das Kammermusik-Wochenende der Max-Reger-Tage schloss mit der überragenden Matinee "Max in Wörtern und Tönen" im Alten Rathaus. Das Humboldt-Quartett konzertierte das Klavierquartett Nr. 2 in a-Moll, op. 133, und der als Münchner "Tatort"-Kommissar bekannte Udo Wachtveitl rezitierte Texte von und über Max Reger.
Kongenial das Quartett - die Mitglieder des Humboldt-Streichtrios: Anthea Kreston (Violine), Volker Jacobson (Viola), Jason Duckles (Cello) -, ergänzt durch den hervorragenden Pianisten Markus Becker am Flügel, Kuratoriumsmitglied der Reger-Gesellschaft. Die vier runden den kammermusikalischen Dialog mit solistischer Leidenschaft in homogener Ensembleleistung mit fulminant virtuosem Klang ab. Während der ersten Monate des Ersten Weltkriegs schrieb Reger mit Freude und intensiver Energie sein melodieseliges 2. Klavierquartett a-Moll, op. 133. Er hat Brahms nicht aus dem Ohr bekommen und hatte sich gerade von einer Krankheit erholt. Zwei Jahre später wird er sterben. Das von unbeschwerter Musizierfreude durchwirkte Werk verströmt eine voll Ahnung geladene Gefühlslage wie nach und zugleich vor einem Sturm.
Aufwühlende Spannung
Formal ist die Komposition eher eine traditionelle ästhetische Stimmungsbeschreibung: Die eröffnende Sonate "Allegro con passione (non troppo allegro)" entwickelt ihre aufwühlende Spannung aus zwei kontrastierenden Themen und forcierten Tempi. Die führende Violine leitet Viola und Violoncello zu wunderbar harmonischen Bögen an. Sie vermitteln das atemberaubende Changieren der dynamischen Vorgaben zwischen den Extremen Pianissimo und Fortissimo, wie es Reger häufig in den Vortragsanweisungen der Partituren fordert, gekonnt.
Die Trio-Form des Scherzos - "Vivace - (Trio) Molto meno vivace" ist klar und durchsichtig gestaltet. Spukhaft-dämonisch umrahmt den langsameren Mittelabschnitt ein 55 Takte langer, immer wieder von der Viola angestoßener Ton. Lebhafte Klavierläufe und fließendes Streichen korrespondieren miteinander.
Leicht melancholisch kündet das ausdrucksinnige "Largo con gran espressione" beinahe lautlos heraufziehende Wolken an. Grazil setzt die Violine ein, die Bratsche korrespondiert, das Thema wird öfter wiederholt. Am Ende bricht die polyphone Linie im Tutti den Sturm los. Koboldartiges Schwärmen herrscht im aufgebrachten Finale "Allegro con spirito", das mit variationsreicher Tonsprache besticht. So wird Reger zum Genuss. Genial in dieser Matinee agiert auch der Grimme-Preisträger Udo Wachtveitl mit sprachlich und gestisch anschaulicher Rhetorik, der den maßlosen Workaholic und Gourmand Reger so darstellt, dass der überbordende Witz zwischen den Zeilen herausspringt.
Heftige Satire
Genial auch und für größte Erheiterung im Publikum sorgend die Textauswahl zwischen den musikalischen Sätzen, die Max Reger als üppigen König (Rex) heftiger Satire präsentiert. Allseits bekannt ist die Anekdote, nach der Reger eine allzu bescheidene Gage mit dem Schüttelreim Rex Mager quittiert haben soll. In Anbetracht des strahlkräftigen Programms der Max-Reger-Tage ist der Rezensent geneigt den Magneten dieses musikalischen Longseller-Festivals zum "Rex Musica Max von Weiden" zu küren. Ein Brief an seine spätere Frau Elsa verrät Regers Nachtgebet: "Lieber Gott mache, dass der Tag 72 Arbeitssunden hat" und zeigt, wer im künftigen Haushalt die Hosen anhaben wird. Zwar beginnt der Brautwerber mit "mein liebes, herziges Schatzerl", aber dann listet er eine minuziös mit sehr, sehr viel Arbeit getaktete Zeitaufstellung von 7 bis 24 Uhr auf, alles in Sorge um ihre wirtschaftliche Absicherung.
Seinen Austritt aus der Münchner Akademie der Tonkünste, von der er sich skandalös behandelt fühlte, erklärt er einem Freund in einem Brief. Gegen das Stadtgespött mit der infamen Behauptung, er sei in einer Irrenanstalt gelandet, wettert er mit streitbarem Charakter. Lieber spiele er seinem Hund etwas vor, der schaue ihn nur dumm an, als es den impotenten Kritikern, die obendrein auch noch dumm schwätzten.
Aufgeschlossenes Publikum
Köstlich amüsiert sind die Besucher über die Glanzsatire, in der Reger sein Quartett, op. 113, als "immer schrecklich klingende Musik" präventiv selbstironisch überzogen verreißt, um sich gegen alle Schmähungen zu wehren. Er schließt mit einer Entschuldigung an die "tonalen Keuschheitsapostel" aller Fugen und des Unfugs, wenn seine "Harmonik nicht ganz bazillenfrei sein sollte".
Wenig schmeichlerisch charakterisierte Reger am 13. Dezember 1900 die Stadt Weiden. Dort gäbe es kein künstlerisches Verständnis, die Bevölkerung sei stupid, die hiesigen Koryphäen schwätzten dumm drein und man komme sich vor wie abgezogen. Wachtveitl bedankte sich für die Einladung und tröstete die heftigen Beifall spendenden Anwesenden damit, dass diese Einschätzung erstens eine sehr subjektive Gemütsäußerung eines gewissen Johannes Josephus Maximilianus Reger gewesen sei und zweitens bereits fast 120 Jahre zurückliege. Er habe ein in jeder Hinsicht aufgeschlossenes Reger-Publikum in Weiden angetroffen.













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