Weiden in der Oberpfalz
18.12.2019 - 15:15 Uhr

Ein Märchen für Weiden

Man muss sich auch im Märchen entscheiden. Kulturfreunde, die am Dienstag in die Max-Reger-Halle kamen, hatten sich richtig entschieden. Nämlich für eine faszinierende Suche nach den Spuren der Brüder Grimm

Philipp Mosetter und Michael Quast sorgten mit ihrer Kombination aus vermeintlich knochentrockener Analyse und humorvoll mit Gestik und Mimik aufbereiteter Lesung für gute Stimmung. Bild: stg
Philipp Mosetter und Michael Quast sorgten mit ihrer Kombination aus vermeintlich knochentrockener Analyse und humorvoll mit Gestik und Mimik aufbereiteter Lesung für gute Stimmung.
Philipp Mosetter und Michael Quast sorgten mit ihrer Kombination aus vermeintlich knochentrockener Analyse und humorvoll mit Gestik und Mimik aufbereiteter Lesung für gute Stimmung. Bild: stg
Philipp Mosetter und Michael Quast sorgten mit ihrer Kombination aus vermeintlich knochentrockener Analyse und humorvoll mit Gestik und Mimik aufbereiteter Lesung für gute Stimmung.

Bereits in der vergangenen „Kulturbühne“-Saison gastierten Philipp Mosetter und Michael Quast von der "Fliegenden Volksbühne Frankfurt" mit ihrem Goethe-Stück in Weiden. Am Dienstag hieß es nun tief einzutauchen in die Grimm’sche Märchenwelt und ins Entdecken vieler Details, die mit den Märchen zusammenhängen.

Dazu braucht es auf den ersten Blick erst einmal nicht viel außer zwei Schreibtischen und den Märchensammlungen der Brüder aus dem Hause Reclam. Aber freilich ist mehr nötig, um einen Zwei-Stunden-Abend mit viel Humor, viel Tiefgründigem und vermeintlich Offensichtlichem zu gestalten – nämlich zwei hervorragende Akteure, die sich nicht nur die Wortbälle perfekt zuwerfen, sondern auch bei Gestik und Mimik die richtige Ausdrucksweise finden. Und die über einen hohen Grad der Spontanität verfügen, so dass sie Reaktionen des Publikums mit einbauen können.

Märchen sind einfach Märchen. Nein, natürlich nicht. In jedem steckt etwas Besonderes, ja Tiefenpsychologisches, wenn man Quast und Mosetter folgt. „Und auch die Brüder Grimm wussten schon, dass es nichts Ekligeres als Strandurlaub gibt“, interpretiert Mosetter anhand des Geschriebenen. Sogar Anspielungen auf „Hartz 4“ könne man darin finden. Mosetter übernimmt an diesem Abend den Part des Erklärers, des Moderators, des „Die-Rote-Linie-nicht-verlassen-Überwachsers“. Quast stürzt sich dagegen auf das Lesen und Rezitieren der Märchen, natürlich nicht ohne zuvor von Mosetter auf die richtige Tonlage hingewiesen zu werden, mit der man ein Märchen beginnt.

Im Mittelpunkt des Abends steht das Märchen Nummer 107 aus der Sammlung mit dem Titel „Die beiden Wanderer“. Nach einer Abfrage im Publikum zum Lieblingsmärchen und einer komplizierten mathematischen Formel hat sich diese „besonders grimmige“ Geschichte als das „Märchen von Weiden“ herauskristallisiert. Da hat auch die Geschichte von den „Sieben Geißlein“ keine Chance, auch wenn Quast – als „Running Gag“ des Abends – immer mal wieder penetrant dahingehend insistiert.

Quast liest allerdings nicht nur vor, sondern er leiht vielen Akteuren der Geschichte eine individuelle Stimme – einem Bienenschwarm, einem Mann am Galgen, einem sächselndem Protagonisten oder einem Storch. Das sorgt für Lacher, das ist beste Unterhaltung. Nicht weniger witzig geraten die regelmäßigen Unterbrechungen von Mosetter, der erheiternde Anekdoten aus seinem Leben oder dem der Grimm-Brüder erzählt. Und so nebenbei erfährt das Publikum noch allerhand über die Kategorien der Spurenleger-Märchen, Blattpfeifer-Märchen, Verstümmelungs-Märchen und Kammer- sowie Ketten-Märchen. Insgesamt haben die Grimm-Brüder eine Meisterleistung geschaffen, wenn man den Ausführungen Mosetters und Quasts folgt: „Sie haben alle Schreckensbilder des europäischen Kontinents gesammelt und in die kindlichen Schlafzimmer gebracht!“ Viel Applaus für einen geistreichen Abend bei der „Kulturbühne“.

 
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