Weiden in der Oberpfalz
24.02.2019 - 11:53 Uhr

Marathon musikalischer Zimmermanns-Kunst

Musikmarathon bei den Meisterkonzerten mit dem Trio Zimmermann: 20 Minuten Schönberg (Opus 45), 80 Minuten Bach (Goldberg-Variationen). Selten vergingen 100 pausenfreie Musikminuten so schnell, so konzentriert und so faszinierend.

Frank Peter Zimmermann (Violine), Antoine Tamestit (Viola) und Christian Poltéra (Violoncello, von links) spielen auf herausragenden Instrumenten von Antonio Stradivari (1648–1737). Bild: Kunz
Frank Peter Zimmermann (Violine), Antoine Tamestit (Viola) und Christian Poltéra (Violoncello, von links) spielen auf herausragenden Instrumenten von Antonio Stradivari (1648–1737).

Nichts weniger als niederknien darf man vor der genialen Meisterschaft Johann Sebastian Bachs in BWV 988. In der Aria mit ihren 30 Variationen (original für „Clavicimbal“) breitet er den Stand dieser Kunst (1741) aus: als Rahmen nach jeweils zwei freieren Variationen neun Kanons, dann das Quodlibet. Dazwischen Stücke verschiedener Stile, Taktarten, Tempi und Affekte, mit spieltechnisch höchsten Ansprüchen an den Musiker am 2-manualigen Cembalo. Auch wenn die Noten beim Konzert des Trios Zimmermann in der Max-Reger-Halle nun auf drei Schultern verteilt sind, bleibt es eine Herausforderung, wie mit einer Zunge zu sprechen, die virtuosen Passagen nahtlos zu verflechten. Letzteres gelingt hervorragend.

Meister aller Meister

Das Arrangement des Trios ersetzt die gezupften, flüchtigen Cembaloklänge durch modulationsfähige Streichertöne, das bringt Lebendigkeit und Klarheit, allerdings sind manch rauschende Cembalo-Effekte (Nr. 29) von Streichern schwer umzusetzen. Man spielt auf Instrumenten des legendären Antonio Stradivari: Faszinierend ist deren süffig-samtiger, überaus edel singender Ton, die fixe Leichtigkeit der Tonansprache. Selbst das leiseste Piano berührt und leuchtet wie magisch bis in die letzten Winkel des Saales. Frank Peter Zimmermann (uneitel, gelassen, souverän), Antoine Tamestit (immer präsent, vermittelnd zwischen Violine und Cello) und Christian Poltéra (sensibel, kraftvoll, schwerelos beweglich) spielen Bach modern, mit romantischem Zungenschlag. Sensibel ihr Vibrato-Einsatz als „Verzierung“; kein gesägter „Bach-Strich“, sondern ein mit Sautillé-Effekt durchlüfteter Strich – ein Barockbogen könnte dies wohl noch organischer und mit mehr Binnen-Differenzierung.

Auf den Punkt getroffen die abgeklärt atmende Ruhe der Aria, nicht verschleppt oder gar wie zu Eis erstarrt. Raffiniert verteilt die Stimmkreuzungen in Variation fünf, schwerelos, elegant sprudelnd die virtuosen Partien. Perfekt getroffen die stilistischen und affektiven Charaktere der freien Sätze. Atemberaubend perfekt die blitzenden Abwechslungen in Variation 14, die Nachschläge in Nr. 20. In überirdischem Glanz die expressive Nr. 25, Musik aus einer anderen Welt, spätestens das g’standene Quodlibet holt die Zuhörer zurück in die Realität.

Wahrheit statt Gefälligkeit

An den Anfang hatten die Künstler das superb musizierte Trio op. 45 von Arnold Schönberg gesetzt, geschrieben 1946 nach einem knapp überlebten Herzinfarkt, gespickt mit schwierigsten Passagen, Tempowechseln und Klangeffekten. 73 Jahre nach der Entstehung des Werks können wir – neben der Bewunderung der kompositorischen Leistung – auch die Ausdrucksdimensionen angemessen würdigen: das Schwirren von Gedanken und Gefühlen, wie ein Aufblitzen der neuronalen Netze im Kopf.

Ohne die strenge Struktur der Musik geriete es zum Chaos. Einen nicht unbedeutenden Anteil an der Faszination und Spannung dieses Abends tragen auch das interessierte, aufgeschlossene und konzentrierte Weidener Publikum sowie die vorzügliche Akustik der Reger-Halle.

 
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