Gottlieb Biedermann ignoriert und verdrängt sämtliche Warnungen und Vorzeichen. Und läuft damit blindlings in sein Verderben. Der Zuschauer kann darüber nur den Kopf schütteln und sich fragen, was zu dieser Realitätsverweigerung führt. Andererseits: Steckt nicht in jedem ein Hauch Biedermann? Möchte man nicht selbst auch unbequeme Wahrheiten ignorieren? Glaubt man nicht lieber das Einfachere, das weniger Ärger und Probleme macht? Max Frisch hat mit seinem Stück das Denken dem Zuschauer übertragen, der Betrachter wird dazu angehalten über das zu reflektieren, was sich vor seinen Augen abspielt. Und vielleicht auch zu fragen: Wie würde man selbst handeln?
Gottlieb Biedermann (Marc Marchand) weiß Bescheid, denn er liest Zeitung: Gefahr droht, denn Brandstifter sind in der Stadt. Äußerste Wachsamkeit ist geboten, um Gefahr von Leib, Leben und Eigentum fernzuhalten. Eines Abends klingelt ein Unbekannter an seiner Tür und appelliert eindringlich an seine Menschlichkeit. Es ist der ehemalige Ringer Josef Schmitz (Alexander Bräutigam), der sich in einer Notlage befindet. Da Haarwasserfabrikant Biedermann gerade seinen Mitarbeiter Knechtling fristlos gekündigt hatte, fühlt er sich verpflichtet, Gutes zu tun. Er stimmt zu, dass Schmitz auf dem Dachboden seines Hauses übernachten darf. Am nächsten Tag taucht plötzlich der Kellner Eisenring (Benjamin Jorns) im Haus auf, der gemeinsam mit Schmitz Benzinfässer auf dem Biedermann'schen Dachboden deponiert.
Obwohl die beiden – anfangs verklausuliert, im Laufe des Stückes immer offener - über Brandstiftung reden, besagtes Benzin auf seinem Dachboden lagern, Zündschnüre legen und zu guter Letzt Biedermann sogar um Streichhölzer bitten, weigert sich dieser, die beiden als das zu betrachten, was sie sind: nämlich die schon lange polizeilich gesuchten Brandstifter.
Bis zur Selbstverleugnung sieht Biedermann in den beiden Brandstiftern das Harmlose oder will es zumindest: Er lädt sie zum Abendessen ein, trinkt mit ihnen Brüderschaft, ja wanzt sich regelrecht an sie ran. Und wird damit zum Handlanger und willfährigen Helfer der Brandstifter. „Aber die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Komischerweise. Die glaubt niemand“, sagt einer der Brandstifter im Laufe des Stücks – und behält damit bei Biedermann recht.
Die schauspielerische Leistung des Ensembles kann überzeugen – das gilt nicht nur für Darsteller von Biedermann und den Brandstiftern, sondern auch für Susanne Pfeiffer als Biedermanns Ehefrau Babette und Anna Schindlbeck als Dienstmädchen Anna. Gelungen ist auch der Kniff von Regisseur Ingo Pfeiffer, die Moderatorin sowie den Chor der Feuerwehrleute per Video einzuspielen.
Mit aktuellen politischen Anspielungen – die förmlich auf der Hand liegen – hält sich der Regisseur bedauerlicherweise komplett zurück: Sie hätten der stellenweise etwas zu braven Inszenierung mehr Würze verliehen. Nichtsdestotrotz: Dem überwiegend jungen Publikum, meist Schüler weiterführender Schulen aus der Region, gefällt es und der der Schlussapplaus fällt verdientermaßen kräftig aus.
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