Weiden in der Oberpfalz
28.01.2019 - 16:10 Uhr

Rente mit 63 ein "Etikettenschwindel"

Es klang so gut: Nach 45 Beitragsjahren können Arbeitnehmer mit 63 abschlagsfrei in den Ruhestand gehen. Damit ist es längst vorbei. Die Regel gilt nur für Jahrgang 1952 und älter - und dieser Kreis ist längst in Rente.

Symbolbild Bild: Ralf Hirschberger/dpa
Symbolbild

Der "Boom bei der Rente ab 63 hält an", meldete das "Handelsblatt" am Wochenende. "Das Angebot, nach 45 Beitragsjahren in der Rentenversicherung vorzeitig ohne Abschläge in den Ruhestand zu gehen, wird von Arbeitnehmern gerne angenommen." Die Meldung, zitiert von der deutschen Presseagentur, stößt auf Protest bei unseren Lesern. Ist die "Rente ab 63" ein Schwindel? Antworten dazu gibt DGB-Regionssekretär Peter Hofmann, Experte für Rentenfragen.

ONETZ: Bei uns hat sich ein Arbeitnehmer gemeldet, der sagt: Von wegen! Wenn er 63 wird, hat er die 45 Beitragsjahre voll – aber die abschlagsfreie Rente ab 63 bekomme er trotzdem nicht. Stimmt das so?

Peter Hofmann: Der muss bis 64 Jahre und 6 Monate arbeiten.

ONETZ: Für wen gilt dann eigentlich die „abschlagsfreie Rente ab 63 nach 45 Arbeitsjahren“?

Peter Hofmann : Die abschlagsfreie „Rente mit 63“ gilt für die Jahrgänge 1952 und älter.

ONETZ: Aber diese Jahrgänge sind 66 und 67 Jahre und doch längst in Rente.

Peter Hofmann: Genau. Ab Jahrgang 1952 kommen pro Jahr zwei Monate Zuschlag hinzu, um ab 63 in Rente zu gehen. Das geht bis Jahrgang 1964, dann gilt: Ich muss mit 45 Beitragsjahren bis 65 arbeiten statt bis 67. Die Altersrente ist ja auf 67 angehoben worden.

ONETZ: Das heißt auf gut Deutsch: Die „Rente ab 63“ gilt für niemanden? Die gibt’s gar nicht?

Peter Hofmann: Doch, die gibt es schon. Die heißt nach wie vor „Rente mit 63“. Aber eben „Rente mit 63 und vier Monate“. „Rente mit 63 und sechs Monate.“ Und so fort.

ONETZ: Das ist doch ein Witz.

Peter Hofmann: Das ist ein Etikettenschwindel, den ich ständig versuche in der Öffentlichkeit darzustellen. Es ist, als ob Sie in ein Schuhgeschäft gehen und es heißt: Alle Schuhe heute für 99 Euro! Und dann hängt überall noch ein Zettel dran: 99 Euro plus 5 Euro, 99 Euro plus 10 Euro...

Peter Hofmann, DGB. Bild: ca
Peter Hofmann, DGB.

ONETZ: Der Betroffene in unserem Fall arbeitet auf Montage. Er sagt, er könne nicht über 45 Jahre arbeiten, das sei körperlich nicht zu schaffen. Und 50 Prozent Schwerbehinderung bekommt er selbst mit kaputten Knien und operierter Bandscheibe nicht.

Peter Hofmann: Da hilft bloß die Erwerbsminderungsrente. Oder er muss eben mit Abschlägen gehen. In seinem Fall wären das 12,6 Prozent. Die Abschläge werden nicht bis 64 Jahre 6 Monate gerechnet, sondern in seinem Fall bis 66 Jahre 6 Monate, bis seine Regelaltersgrenze erreicht ist. Das sind pro Monat 0,3 Prozent.

ONETZ: Das klingt aber hart.

Peter Hofmann: Das ist alles Betrug. Dagegen kämpfe ich ja an wie ein Wahnsinniger. Die Rente mit 63 war ein reines Wahlgeschenk für damals. Das Ganze birgt noch ein anderes Problem, das Menschen betrifft, die Altersteilzeitverträge bis 63 abgeschlossen haben. Durch das neue Gesetz müssten sie 63 Jahre und 4 Monate arbeiten. Diese Leute waren gezwungen, noch irgendwo zu jobben, um Abschlägen zu entgehen. Da hat man die Leute wirklich aufs Glatteis geführt.

ONETZ: Immer mehr Rentner haben Jobs.

Peter Hofmann: Ich mache seit sieben Jahren Rentenberatung. Als ich angefangen habe, war immer die erste Frage: Wann ist mein erster Tag, an dem ich daheim bleiben kann? Jetzt ist die erste Frage: Wie viel darf ich dazu verdienen? Daran sehen Sie, wo wir stehen.

 
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