Die Kulturbühne Weiden startet am 22. Oktober humorvoll in die Saison 2019/20: Auf dem Spielplan steht die Tragikomödie „Indien“ von Josef Hader und Alfred Dorfer, auf die Bühne gebracht wird sie vom Neuen Globe-Theater aus Potsdam. Untertitelt ist das Stück mit „Eine Schnitzeljagd durch die deutsche Provinz“, die Handlung wurde von der österreichischen Provinz nach Brandenburg verlegt. Die Kulturredaktion hat sich mit Regisseur Kai Frederic Schrickel unterhalten, der in dem Stück zudem die Rolle des Kurt Fellner übernimmt.
ONETZ: Herr Schrickel, was haben die österreichische und die brandenburgische Provinz gemeinsam?
Kai Frederic Schrickel: Im Original geht es darum, dass zwei Wiener Gastronomie-Inspektoren durch das österreichische Umland fahren und den Wirtsleuten vor Ort das Leben zur Hölle machen. Der Wiener im Allgemeinen wird in Österreich als besserwisserisch, arrogant und somit hassenswert angesehen. Diese Konstellation haben wir versucht, im Verhältnis von Landeshauptstadt Potsdam zum Land Brandenburg aufzugreifen. Verwaltungsmetropole versus Fläche. Insofern ist „Provinz“ mit einem Augenzwinkern zu verstehen, denn sie ist nur provinziell im Auge der beiden pedantischen Gastronomietester aus der Behörde. Gemeinsam bleibt beiden „Provinzen“ auf jeden Fall der Hader (sic!) mit den Besserwissern aus der Hauptstadt!
ONETZ: Was darf sich der Theaterbesucher bei der „Schnitzeljagd durch die deutsche Provinz“ vorstellen?
Seit Rainald Grebes Song „Brandenburg“ herrscht ja das Vorurteil, in Brandenburg müsse man sich das Essen selber mit ins Gasthaus bringen, wenn man gut beziehungsweise überhaupt etwas essen will. Wo man hinkommt: Servicewüste und Unfreundlichkeit. Mit dieser Einstellung reisen Herr Bösel und Herr Fellner im Auftrag der Brandenburger Landesregierung durch Orte wie Dallgow-Döberitz oder Finsterwalde, um ihre Expertise an den Mann zu bringen: wie man es verhindert, dass sich der Teppichboden im Flur zur Stolperfalle aufrollt, wie man Saunageländer für verschwitzte Rentnerhände fachgerecht montiert und, vor allem, wie ein ordentliches Schnitzel zubereitet sein muss. Sozusagen eine Jagd nach dem perfekten Schnitzel und letztlich eine Reise zu sich selbst.
ONETZ: Der Humor von Hader und Dorfer ist ja schon etwas – sagen wir mal – speziell und auch derb. Welche Erfahrungen haben Sie damit beim Publikum gemacht?
Das Stück zielt verbal schon manchmal unter die Gürtellinie: Da sind zwei sympathische Unsympathler, die über die Frauen herziehen, sich streiten, besaufen und schließlich versöhnen. Menschen, denen manch Theaterbesucher im Restaurant vielleicht eher aus dem Weg gehen würde. Und trotzdem erleben die beiden Protagonisten die gleichen Enttäuschungen, Schicksalsschläge, Glücksmomente und sogar Freundschaft wie alle Menschen. Das allerdings mit teilweise drastischen Worten.
Wenn man es auf Österreichisch spielt, haftet der Sprache immer etwas Folkloristisches und Drolliges an. Aber nur in Deutschland! Das wollte ich in meiner Bearbeitung vermeiden und habe es ins Hochdeutsche übertragen. Sicher, Zuschauer reagieren manchmal auch etwas pikiert, die allermeisten aber lachen herzlich und ständig – und verstehen diese Ironie. Das hat viel mit Qualtinger zu tun, viel mit Gerhard Polt. Uns wird der Spiegel vorgehalten, unsere eigene Spießigkeit, unsere Sehnsucht nach Kitsch und natürlich auch unsere manchmal kümmerliche Männlichkeit. Und das freut dann auch wieder die Damen!
ONETZ: Haben Sie von den beiden Autoren eine Rückmeldung bekommen, was sie von der Verlegung des Stückes nach Brandenburg halten?
Nein, Hader und Dorfer haben sich leider noch nicht bei uns gemeldet. Im Vorwort schreibt Josef Hader allerdings ausdrücklich, dass er wünscht, dass man das Stück in die jeweilige Umgebung verpflanzt, in der es gespielt wird. Das ist bei uns halt Brandenburg. Und da Brandenburg quasi dialektfreie Zone ist, steht es in unserer Inszenierung allgemein für die deutsche Provinz, mit deutschem Schlager, italienischen Wirten, die deutsches Brauchtum pflegen, und indischen Ärzten, die in deutschen Krankenhäusern arbeiten. Hader wollte ausdrücklich, dass die Leute im Zuschauerraum sich in den Charakteren und Lebensrealitäten auf der Bühne wiederfinden.
ONETZ: Sie nennen sich „Neues Globe-Theater“. Der Bezug zum „Globe Theatre“ beziehungsweise „Shakespeare’s Globe“ in London ist sicher nicht zufällig. Was hat es damit auf sich?
Das Globe-Theater Shakespeares war Volkstheater im besten Sinne. Man spielte in einem gemeinsamen Erlebnisraum, nämlich einem runden Theaterbau ohne Vorhang, bei Tageslicht und vor bis zu 2000 Zuschauern. Die Leute im Parkett haben die Leute auf der Bühne gefeiert, der Kontakt war unmittelbar und direkt: Man erkannte sich in den Charakteren und Geschichten auf der Bühne selber wieder.
Außerdem war Shakespeare zuallererst Schauspieler, wie auch Josef Hader und Alfred Dorfer. Hier ging es also nicht um Literatur, hier ging es darum, dass Schauspieler unmittelbar Geschichten erzählen. Das verbindet Hader mit Shakespeare mit Molière mit Marlowe mit Turrini, alles Schauspieler-Autoren, die wir auf die Bühne bringen.
Und außerdem ist "Indien" eine Tragikomödie, bei der Lachen und Weinen ganz eng zusammengehören. So wie es im englischen elisabethanischen Theater Shakespeares eben auch keine Unterscheidung zwischen U und E (Unterhaltung und Ernst) gab und gibt. Weil auch das Leben immer beides ist!
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