Weiden in der Oberpfalz
05.04.2019 - 13:22 Uhr

Mit voller Wucht

Marko Dinic präsentierte bei Weidener Literaturtagen Debütroman "Die guten Tage"

Marko Dinic las aus seinem Debütroman „Die guten Tage“. Bild: Holger Stiegler
Marko Dinic las aus seinem Debütroman „Die guten Tage“.

Wuchtig, verstörend und doch faszinierend: Es ist keine leichte Kost, die den Zuhörern am Donnerstagabend bei den Weidener Literaturtagen serviert wird. In der Regionalbibliothek stellt Marko Dinic seinen Debütroman "Die guten Tage"vor, in dem der Serbe ein düsteres Bild Serbiens nach den Kriegen und Konflikten auf dem Balkan zeichnet. Nach der kurzfristigen Absage Franzobels haben die Verantwortlichen mit Dinic eine mehr als adäquate Alternative verpflichten können.

Der Ich-Erzähler, ein junger Mann in den Zwanzigern, bricht von Wien aus auf in seine Heimatstadt Belgrad, die er zehn Jahre lang nicht mehr besucht hat. Erst der Tod seiner geliebten Großmutter zwingt ihn auch zur Auseinandersetzung: mit seiner Familie und seiner Vergangenheit, vor allem aber auch mit der Nachkriegszeit in Serbien und den dort lebenden Menschen. Im sogenannten "Gastarbeiter-Express" reist er per Bus dorthin. Die Passagen, die der Autor bei der Lesung auswählt, bestechen durch eine kraftvolle, direkte und ungeschönte Sprache. Der Zuhörer wird mit einem wütenden Ich-Erzähler konfrontiert, einer Figur, die Dinic im Gespräch mit dem Publikum nicht "Protagonist" nennt, sondern als "Antagonist seiner selbst" beschreibt. So könne man sich als Leser selbst ein Bild davon machen, ob die im Roman beschriebene Vater-Figur wirklich so ein "Monster" sei, wie es der Ich-Erzähler darstelle.

Dinic betont, dass es sich um einen sehr persönlich geschriebenen Roman handle, allerdings keine reine Autobiografie vorliege -ungeachtet der Tatsache, dass Dinic ebenfalls in Wien lebe und Belgrad aus Wut verlassen habe. "Ich bin eigentlich ein Wirtschaftsflüchtling, der wieder eine Perspektive haben wollte, die es in Serbien nicht gab und nicht gibt", bekennt Dinic. Er würde natürlich gerne wieder nach Belgrad zurückkehren, in die Stadt, die er liebe. Allerdings sei dies nicht möglich, da es dort eben keine Perspektiven für junge Menschen gebe und darüber hinaus auch die autoritär geführte Regierung abschrecke. Immer wieder kommt Dinic an diesem Abend auf den übersteigerten Nationalismus in Serbien sowie auf dem Balkan insgesamt zu sprechen: "Wir alle wissen doch, worin der Nationalismus mündet".

Es ist ein Roman, der nachwirkt - was auch mit dem ambivalenten Titel zu hat. Denn "gute Tage" gibt es kaum, der Autor spricht von einer "trügerischen Heiterkeit" während des Bombardements Serbien durch die Nato, da damals die Schule ausfiel. Dass aber auch eine junge, traumatisierte Generation entstanden sei, habe viele erst später als Erkenntnis eingeholt. Ein Buch, das zwar keinen "Lesespaß" bereitet, aber dringend zu empfehlen ist.

 
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