Der Begrüßungsapplaus des Futura-Publikums für den Kabarettisten Alex Burkhard ist nach eigenem Bekunden lauter als der Schlussapplaus tags zuvor bei seinem Auftritt in Gilching. Aber was hätten seine Zuhörer an diesem Abend für eine Alternative gehabt? "Zu Hause auf dem Sofa sitzen kann ich toppen", behauptet der Westallgäuer. Das tut er dann auch eindrucksvoll mit seinem zweistündigen Programm "Man kennt das ja".
Was kennt man denn eigentlich? Dating-Apps für Hunde, inhaltsleere Aussagen von Fußballstars, To-Do-Listen, Deadlines. Was die Zuhörer an diesem Abend noch nicht kennen, ist die sprachgewaltige, fast schon virtuose Darbietung des Wahlmüncheners alltäglicher Themen oder gesellschaftlicher Absurditäten wie dem Drang, alles erleben zu müssen. Burkhard begeistert vor allem mit seinen Betrachtungen unzähliger Nuancen der Sprache.
Die urbayerische Feststellung "Saff ma, dann sterm ma, saff ma ned, sterm ma a, also saff ma" (hochdeutsch: Saufen wir, dann sterben wir, saufen wir nicht, sterben wir auch, also saufen wir) steht der Philosophie eines Georg Wilhelm Friedrich Hegels in nichts nach. Burkhard haben es vor allem die in Skandinavien gesprochenen Sprachen und deren Melodie angetan. "Da klingt selbst die Antrittsrede eines Donald Trump melodisch". Es gibt nichts, was man nicht mit einer Sprache schön reden kann, auch wenn manche Laute, zum Beispiel im Dänischen, wie "eine Unterhaltung zweier Betonmischer in der Mittagspause klingen".
Unweigerlich kommt die Sprache natürlich auch auf das Studium für Skandinavistik, das der Künstler erfolgreich absolviert hat. Es stellt sich die Frage, was man damit eigentlich machen kann. "Man hat halt einen Uni-Abschluss und dann sieht man weiter". Burkhard fand es sympatisch, nicht zu wissen, wofür das Studium mal gut sei. Zumindest hat er sich ein Vokabular faszinierender Wörter angeeignet, die allein schon dazu taugen, ein Publikum zu unterhalten. Er erklärt eine seiner Lieblingsvokabeln: "Poronkusema", was auf Finnisch wörtlich "Pissen des Rentiers" bedeutet. Es wurde früher in der Rentierzucht benutzt und entwickelte sich zum finnischen Längenmaß. Rentiere können im Schnitt 7,5 Kilometer zurücklegen, bis sie einmal anhalten müssen, um Wasser zu lassen.
Schnell wird klar, dass Burkhard verliebt ist in die Sprache, mit ihr spielt. "Verantwortung für die eigene Sprache übernehmen" lautet sein Credo. Hintersinnig übt er Kritik am Wörtchen "man", das vielfach das Wort "ich" ersetzt, auch wenn es sich um Gefühle handelt.
Der Wangener (Ort im Westallgäu, der nur erscheint, wenn man bei Google-Maps entsprechend oft hineinzoomt) kommt eigentlich aus der Poetry-Slam-Szene, ist erprobt im literarischen Vortrag eigener Texte und gilt als Hochkaräter dieses Genres. Er lässt in seine netten kabarettistischen Plaudereien über Alltäglichkeiten faszinierend und wortgewaltig formulierte Gedichte sowie Raps einfließen. Brillant formuliert ist der Gangster-Rap über König Ludwig II., kalt über den Rücken läuft es dem Zuhörer bei "Max und Moritz für Erwachsene", in dem er den Wahnsinn menschlicher Zerstörungswut zusammenfasst. Am Ende serviert er noch eine Geschichte aus der Seefahrt, nämlich die vom "Ausguck-Alex", die mit der Feststellung endet: "Ne Geschichte lebt von dir und nicht von dem, was geschah".
Das Futura-Publikum lauscht gebannt seiner Wortakrobatik. Es gibt bestimmt nicht viele Künstler seines Genres, die so vielfältig unterhalten können und die richtige Mischung aus heiteren, teilweise mit einer Prise Klamauk gewürzten, ernsten und vor allem intelligenten Texten und wortgewaltigen Formulierungen finden.
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