Windischeschenbach
27.01.2019 - 11:04 Uhr

Herausragendes Politkabarett auf der Höhe der Zeit

René Sydow erklärt auf der "Futura"-Kleinkunstbühne mit einem brillanten Programm den Unterschied zwischen Wissen und Bildung

<p>René Sydow begeistert zum Auftakt der Saison auf der Kleinkunstbühne "Futura '87" das Publikum mit abwechslungsreichem, spannendem Politkabarett.</p>
 Bild: prh

René Sydow begeistert zum Auftakt der Saison auf der Kleinkunstbühne "Futura '87" das Publikum mit abwechslungsreichem, spannendem Politkabarett.

Ist die Zeit der großen Kabarettisten vorbei? Wer das beklagt, kennt René Sydow nicht. Mit seinem aktuellen Programm „Die Bürde des weisen Mannes“ könnte sich der Schauspieler, Schriftsteller und Regisseur nahtlos in die Riege der ganz großen politischen Kabarettisten einreihen. Das Publikum beim "Futura"-Auftakt auf der Kleinkunstbühne in der Alten Schwimmhalle begeisterte er total.

Warum wird die Welt eigentlich nicht klüger, wenn der Zugang zu Wissen noch nie so leicht war? Warum verdient eine Minderheit so viel wie der gesamte Rest der Menschheit? Warum haben 6,5 Milliarden Menschen Zugang zu internetfähigen Handys und nur 3,5 Milliarden zu Toiletten? Wer ist schuld an diesem Elend, und wer trägt eigentlich die Bürde des weisen Mannes?

René Sydow hat Antworten darauf, die vielfach bitter schmecken und uns die Frage aufdrängen: Ja wo leben wir denn eigentlich? Geht’s noch? Der Kabarettist fesselt geradezu zwei Stunden lang mit einem Programm voller bitterer Wahrheiten, glänzend recherchiert und sprachlich brillant umgesetzt.

Sydow bietet keine Unterhaltungskomik mit „Furzwitzen“, mit der er, wie so manch anderer seiner Kollegen, problemlos Stadthallen füllen könnte. Sein Thema ist auch nicht in erster Linie die große Weltpolitik, die neben uns selbst sicher schuld am Dilemma unserer Zeit ist. Er widmet sich zum Großteil der Gesellschaftspolitik: zum Schreien traurig und ebenso schockierend lustig.

Bildung mit Moral

Obwohl Bildung das zentrale Thema seines Programms ist, weiß der 38-Jährige, dass diese eben nicht nur Angelegenheit der Schule sein kann, sondern politische, ökonomische und kulturelle Aspekte hat. Sydow hält ein feuriges Plädoyer für echte Bildung mit moralischer Komponente und gegen das "Wissen-wo’s-steht", mit dem man vielleicht ein Billy-Regal von Ikea aufbauen kann. „Wenn sie Wissen anhäufen, dann können Sie eine Steuererklärung machen. Wenn Sie gebildet sind, können Sie dabei bescheißen“, klärt er auf. Die Welt wird in unserer Zeit von Algorithmen bestimmt: „Entweder du bist eine Eins oder eine Null.“ Für Herzensbildung sei da kein Platz.

Der Träger des Deutschen Kabarettpreises seziert satirisch auch Themen wie Konsum, Fernsehen – mit dem er schwer auf Kriegsfuß steht –, Sprache, Eltern oder Internet und Gesellschaftspolitik. Politiker fragten sich allen Ernstes, wo beim Bürger der Europa-Patriotismus bleibe, wenn sie selbst nicht daran glaubten. Bereits 1992 initiierte der inzwischen verstorbene FPÖ-Politiker Jörg Haider ein Volksbegehren namens „Österreich zuerst“. 26 Jahre später wird man mit einem ähnlich plump gearteten Nationalismus US-Präsident. "Sie wissen schon, der mit dem aufgeplatzten Staubsaugerbeutel als Frisur.“

Unterhaltung mit Teufel

Der glänzende Schauspieler Sydow hat auch theatralische Elemente in sein Programm eingebaut. Einmal unterhält sich sein durchoptimierter Nachbar, ein Karrierist, mit ihm. Das andere Mal erklärt der Satan Stefan Malefiz, dass eine böse Tat oft nur das Scheitern einer besseren Möglichkeit ist und nicht er, sondern die Religionen schuld an Kriegen sind.

Fesselnd und begeisternd

Sydow zeigt mit seinem Programm, dass politisches Kabarett nicht langweilig sein muss, sondern abwechslungsreich, fesselnd und begeisternd sein kann. Es kommt beim Publikum bestens an und sorgt so für einen gelungenen Saisonauftakt. Aber wer trägt nun die Bürde des weisen Mannes? Sydow: „Keine Ahnung“.

Anstelle einer Zugabe nach großem Applaus fordert der Künstler dazu auf, sich auch unbekannte, junge Kabarettisten anzusehen und bei Gefallen weiterzuempfehlen. Für die ist die "Futura" eine hervorragende Plattform.

<p>Der Kabarettist, Schauspieler, Schriftsteller und Regisseur René Sydow begeistert zum Auftakt der Saison auf der Kleinkunstbühne "Futura '87" das Publikum mit abwechslungsreichem, spannendem und hochinteressantem Politkabarett.</p>
 Bild: prh

Der Kabarettist, Schauspieler, Schriftsteller und Regisseur René Sydow begeistert zum Auftakt der Saison auf der Kleinkunstbühne "Futura '87" das Publikum mit abwechslungsreichem, spannendem und hochinteressantem Politkabarett.

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.