Windischeschenbach
24.09.2018 - 16:31 Uhr

Wut und Empörung mit Würde

Nahezu zwei Stunden lang bombardiert der Holger Paetz seine Zuhörer auf der Kleinkunstbühne Futura '87 in Windischeschenbach - in gestochen scharfer Sprache. Mit seinem neuen Programm erweist er sich als Literat unter den Kabarettisten.

Holger Paetz gastiert in Windischeschenbach. Sein neues Programm heißt: „Ekstase in Würde“. Bild: Heiner Brückner
Holger Paetz gastiert in Windischeschenbach. Sein neues Programm heißt: „Ekstase in Würde“.

Aufregendes und Aufreger gibt es in dieser Gesellschaft mehr als genug. Paetz holt seine Zuhörer vom Eifer-Gipfel der Ekstase herunter: Er verleiht Wut und Empörung Würde, so sagt er, damit sie glaubhaft wird. Themen von aktueller Brisanz seziert er mit dem Skalpell eines Kabarettisten bis auf die Schnittmenge eines möglicherweise wahren Kerns. Sein Inneres sei zwiegespalten, das rechte Herz wolle das linkslastige immer wieder zum Schweigen bringen. In solcher Bewegtheit wendet er die Methode der "Kreuzigung" an: Er hebt ein Thema hoch, betrachtet es von oben nach unten, von rechts nach links und nagelt es schließlich auf die Mitte fest.

Und schon folgt der nächste Ekstasen-Beschleuniger, zum Beispiel zum Diesel-Skandal: Luftreinhaltung solle wohl heißen "den Auspuff in die Luft rein halten". Je genauer man hinschaue, desto komplizierter und komplexer würden die "Lebensgefährlichkeiten". Auf der einen Seite negativ und depressiv, andererseits aber inklusive Anzeichen positiver Verzückungen. Wenn man die Statistiken zu Ende denke, dann behauptet Paetz: "Insekten sterben aus, aber sie nehmen noch ein paar von uns Menschen mit." Sarkasmus gehört zu seinem Metier, vor allem beim Thema Politik. So pointiert er: Merkel habe sich, was das Thema Migration angehe, "blitzradikalisiert", weil der "christliche Klumpen" in ihr sie gewürgt habe. "Könnte Seehofers Masterplan nicht heißen: Wir wollen die Wahl nicht gewinnen?"

Paetz redet sich in Rage und gelangt so zu frappierenden Erkenntnissen - dabei klingt er bitter und wird bösartig, wenn die Verrückung ihn übermannt. Er bietet die volle Palette von Ironie, Satire und Zynismus. Das Fazit des Kabarettisten über die gesellschaftlichen Ekstasen: Wir müssten aushalten in Würde, jeder seiner "Struktur" entsprechend, denn wir seien "verregnete Mitteleuropäer".

Paetz chargiert zwischen Artikulation in unterschiedlichen Tonfarben, gelegentlich auf Englisch oder im Dialekt. Soll es sanfter werden, bricht das Unterfränkische durch. Die Sahnehäubchen der edlen Sprechkunst sind eingestreute Gedichte des Poeten Paetz. Sie reichen von einer Sonate über die "Winde, die im Inneren reifen" bis zum Rap über die ausufernden Gewerbegebietsausweisungen oder die Fußball-Ekstase eines 60er-Fans im Stadion - inklusive Rubenbauer als Reporter.

Paetz liefert Kabarett der Hildebrandt'schen "Scheibenwischer"-Schule ab. Angefangen bei einer Aufzählung europäischer Nieslaute über ein Oktoberfest-Gedicht hin zur "Ode an die Freude", die er auf Geistesgrößen und Politiker ausdeutet. Ein Abend ohne füllende Plattitüden. Noch jeden Nebensatz klopft er ab, jedes Wort trifft messerscharf. Satire at its best.

 
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