Wunsiedel
24.06.2018 - 13:50 Uhr

Von Helden und Agitatoren

Mit der Geschichte über den Tiroler Freiheitshelden Andreas Hofer werden am Freitagabend die diesjährigen Luisenburg-Festspiele in Wunsiedel eröffnet. Der neuen Künstlerischen Leiterin Birgit Simmler gelingt dabei eine solide Inszenierung.

Mit dem dramatischen Volksstück „Andreas Hofer – Die Freiheit des Adlers“ von Felix Mitterer wurden am Freitagabend die ersten Luisenburg-Festspiele unter der künstlerischen Leitung von Birgit Simmler eröffnet. Dem Titelhelden, der von Jürgen Fischer (4. von rechts) grandios verkörpert wurde, ebenbürtig war der schillernde Pater Joachim Haspinger, den Paul Kaiser (2. von links) mit unbändiger Leidenschaft darstellte. Luisenburg-Festspiele/Florian Miedl
Mit dem dramatischen Volksstück „Andreas Hofer – Die Freiheit des Adlers“ von Felix Mitterer wurden am Freitagabend die ersten Luisenburg-Festspiele unter der künstlerischen Leitung von Birgit Simmler eröffnet. Dem Titelhelden, der von Jürgen Fischer (4. von rechts) grandios verkörpert wurde, ebenbürtig war der schillernde Pater Joachim Haspinger, den Paul Kaiser (2. von links) mit unbändiger Leidenschaft darstellte.

Es ist nur ein ganz kurzer, unauffälliger Satz, der fast untergeht. Und doch einer, der den Fokus auf das Wesentliche lenkt. Jakob (Johannes Steger), der in die Bayerische Armee zwangseingezogene Tiroler, wird gefragt, ob er denn Tiroler oder Bayer sei. "Ich bin ein Mensch", so die einfache und gleichzeitig auch alles sagende Botschaft. Eine Feststellung, die in Zeiten des Krieges und der gewalttätigen Auseinandersetzungen kaum etwas zählt und letztlich auch für Jakob nicht gut ausgeht. Jeder Krieg ist die Selbstpreisgabe der Menschlichkeit - das war früher so und das ist heute so.

Schwerer Stoff

Birgit Simmler hat es sich nicht leicht gemacht und gleich zum Auftakt für ihre Regiearbeit einen extrem schweren und durchaus auch komplizierten historischen Stoff ausgewählt. Unter den Augen von Autor Felix Mitterer, der Stellvertretenden Bayerischen Ministerpräsidentin Ilse Aigner sowie zahlreichen weiteren Ehrengästen spürt sie dem wichtigsten und geschichtsträchtigsten Lebensabschnitt Andreas Hofers nach, der noch heute in Tirol als großer Freiheitsheld verehrt wird.

Das Volksstück "Andreas Hofer - Die Freiheit des Adlers", das von Mitterer als Auftragswerk für die Luisenburg-Festspiele verfasst worden war, beginnt inhaltlich am 16. Juni 1808 bei der militärischen Aushebung der Fronleichnamsprozession in St. Leonhard im Südtiroler Passeiertal und endet mit der Hinrichtung Hofers am 20. Februar 1810 in Mantua. Es ist eine politisch wirre Zeit: So klein Tirol auch ist, so freiheitsliebend und unabhängig fühlen sich die Tiroler. Und sind doch mittendrin im Ränkespiel zwischen den Mächten Österreich, Frankreich und Bayern. Die Besetzung des Landes in den Bergen durch das mit Napoleon verbündete Bayern geht deswegen vielen Tirolern gehörig gegen den Strich, vor allem die Einberufung in die bayerische Armee sorgt für Sprengstoff.

Perfekt besetzt

Zum Revoluzzer, zum Aufständischen, zum Freiheitskämpfer wird der Mensch nicht geboren - auch der Wirt Andreas Hofer nicht. Mit Jürgen Fischer ist die Rolle des Titelhelden perfekt besetzt. Bravourös spielt er die Wandlungen seiner Figur, die anfangs eigentlich besonnen agiert und nur widerwillig den Aufstieg zum obersten Kommandierenden der Tiroler annimmt. Eine Figur, der es um Gerechtigkeit und Moral geht ("Ich kommandiere doch keine Räuberbande!"). Eine Figur, die an das Gute glaubt und Ideale hat ("Der Kaiser verlässt uns nicht, der Kaiser macht alles gut!"). Aber eben auch eine Figur, die im positiven Sinne naiv ist und gerade deshalb auch so leicht zu verführen ist. Jürgen Fischer - ein vollends überzeugender Hofer-Darsteller mit erkennbarer langjähriger Luisenburg-Erfahrung.

Mindestens ebenbürtig spielt Paul Kaiser in seiner Rolle den Pater Joachim Haspinger. Er sorgt für die beklemmenden Momente des Abends, wenn er als religiöser Fundamentalist, als Fanatiker, als Aufrührer zum Kampf gegen die Bayern und die Franzosen aufruft. Wenn er das "heilige Land Tirol" beschwört und von den "1000 toten Bayern im Inn" schwärmt. Und der auch selbst in den Kampf eingreift und in Kreuzritter-Manier die Gegner mit dem Kreuzstab erschlägt. Ein Nationalchauvinist, wie er aktueller nicht sein könnte. Kaiser gelingt eine durch und durch glaubwürdige Darstellung des diabolischen Agitators ohne Gewissen, der Hofer immer mehr zur Marionette werden lässt. Und der dann, als es richtig brenzlig wird, in Carles-Puigdemont-Manier das sinkende Schiff verlässt.

Diese beiden herausragenden Akteure tragen das Stück auch über manches Abflauen der Spannungskurve hinweg. Dagegen haben es andere natürlich ungleich schwerer, Akzente zu setzen und griffige Konturen zu entwickeln: Nikola Norgauer gelingt dies aber äußerst eindringlich als Anna Hofer, die im Laufe der Handlung mehrere familiäre Fegefeuer durchlaufen muss. Auch Mira Huber als Bürgermeister-Tochter Lisa Schumacher sowie Wolfgang Zarnack als Oberst Wrede geben ein überzeugend agierendes bayerisch-tirolerisches Liebespaar ab, das sich der Tragik der Situation letztlich nicht entziehen kann.

Zahlreiche Kampfszenen

Nicht ganz nachvollziehbar ist der räumliche Bühnenansatz Simmlers, die Hofer-Stube an die oberste Stelle der bespielbaren Bühne zu verlegen: Gerade dort, wo sich viele dramatische Szenen und innere Kämpfe der Protagonisten abspielen, wäre der Zuschauer gerne "näher" dabei, um auch Gestik und Mimik intensiver auf sich wirken zu lassen. Gespickt ist das Geschehen auf der Bühne mit zahlreichen "großformatigen" Kampfszenen (Choreographie: Claus Großer), die von Ulf Schertel mit harten Gitarrenriffs untermalt werden.

Die Bühne (Bühnenbild: Karel Spanhak) ist klar gegliedert in verschiedene Szenerien: Neben dem Haus der Hofers sind dies die Hofburg in Innsbruck, das Haus des Bürgermeisters und die freie Natur in den Tiroler Bergen. Das europapolitische Geschehen mit Napoleon (David Schroeder), Kaiser Franz von Österreich (C.C. Weinberger) und dessen Brüder Erzherzog Karl (Philipp Rudig) und Erzherzog Johann (Maurice Ernst) sowie König Max Josef von Bayern (William Ludwig) und Prinzregent Ludwig (Markus Pol) wird im Besucherraum dargestellt.

Es ist der Rahmen, der zeigt, wie das Schicksal der einfachen Menschen aller Nationen zum Spielball der Machtinteressen wird. Das ist regietechnisch sicherlich gutgemeint, aber durch die Häufigkeit der Szenen nicht immer "zuschauerfreundlich". Den verdienten Schlussapplaus gibt es für die Darsteller und das Kreativ-Team - kräftig, aber nicht frenetisch.

Das Schicksal Andreas Hofers ist besiegelt, seine Ehefrau Anna (Nikola Norgauer) verabschiedet ihn in die Gefangenschaft und damit in den sicheren Tod. Luisenburg-Festspiele/Florian Miedl
Das Schicksal Andreas Hofers ist besiegelt, seine Ehefrau Anna (Nikola Norgauer) verabschiedet ihn in die Gefangenschaft und damit in den sicheren Tod.
 
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