Deutschland und die Welt
22.11.2019 - 11:22 Uhr

Zeitlose Schritte

Silbermond ließ seine Hunderttausende Fans einmal mehr lange warten, ehe das Quartett jetzt die nächste, inzwischen sechste Studio-Scheibe vorlegt. Eine Zeit, in der viel passiert ist im Leben des Vierers.

Leichtigkeit und Tiefe, Euphorie und Melancholie. Das Leben ist gemischt. Und dennoch ist es die Arbeit eines 
Künstlers, im Vergänglichen einen Standpunkt zu suchen, eine Haltung zu finden. Zu berühren,
ohne zu predigen. 
SILBERMOND gelingt genau das 
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mit dem wirklich außergewöhnlichen Album „Schritte“ Bild: Jens Koch
Leichtigkeit und Tiefe, Euphorie und Melancholie. Das Leben ist gemischt. Und dennoch ist es die Arbeit eines Künstlers, im Vergänglichen einen Standpunkt zu suchen, eine Haltung zu finden. Zu berühren, ohne zu predigen. SILBERMOND gelingt genau das – mit dem wirklich außergewöhnlichen Album „Schritte“

Das einschneidendste Ereignis war garantiert im April 2018 die Geburt des gemeinsamen Sohnes von Frontfrau Stefanie Kloss und Gitarrist Thomas Stolle. So schlicht wie tiefgründig „Schritte“ nennt sich das Werk der vier „Silbermonde“, allesamt Mitte 30. Eine gar nicht mal einfache Entstehungsgeschichte steckt dahinter – trotz und vermutlich gerade wegen der steilen Erfolgskarriere, die der Vierer seit Veröffentlichung des Debüts „Verschwende deine Zeit” von 2004 hingelegt hat, mit mehr als sechs Millionen verkauften Tonträgern, Hunderten von ausverkauften Konzerten, Dutzenden von Gold- und Platin- sowie ebenso vielen Renommier-Auszeichnungen wie dem „Comet”, „Echo” oder „MTV Europe Music Award”, um nur die wichtigsten zu nennen.„Schritte“ (Sony) ist das bislang in sich geschlossenste, ausdrucksstärkste, reifste Opus der Vier.

Die zehn Stücke darauf entstanden im Rotenburger „Toolhouse“-Studio sowie im „La Fabrique“, in der Provence gelegen. Jetzt sind die vier nationalen Superstars zurück in der Heimat, um den Medien ihr neues akustisches „Baby“ zu präsentieren. Sängerin Stefanie Kloß und Schlagzeuger Andreas Nowak geraten im Büro ihrer Münchner Plattenfirma „Sony“ auch Monate nach der „Schritte“-Fertigstellung ins Schwärmen:

ONETZ: „Schritte“ ist eine relativ ruhige, gelegentlich wehmütig klingende Platte geworden. Wie kommt es?

Andreas Nowak: Was bedeutet schon „ruhig“? Vielleicht kommt das Album zerbrechlicher, bewegender, nackter daher als unsere bisherigen Scheiben. Wir behandeln eher „leise“ Themen. Die wiederum eine Menge Kraft ausstrahlen. Finde wenigstens ich.

ONETZ: Immer wieder war im Vorfeld der „Schritte“-Veröffentlichung von einer Zäsur die Rede, welche ihr angestrebt habt. Ist dieses Werk der große Einschnitt in der Silbermond-Historie?

Stefanie Kloß: Die eigentliche Zäsur hat bereits mit dem Vorgänger „Leichtes Gepäck“ stattgefunden. Ehe wir an die Arbeit gegangen sind, herrschte ziemlich viel Unsicherheit darüber, ob und wie es mit der Band weitergehen soll. Nicht dass es je Streit zwischen uns gegeben hätte. Wir stellten lediglich die Grundsatzfrage: „Haben wir mit dieser Gruppe noch etwas mitzuteilen?“ Im Anschluss purzelten Ideen auf uns ein. Wir gewannen unsere Leichtigkeit von einst zurück, die uns irgendwann mal verloren gegangen war. „Leichtes Gepäck“ war perfekt dazu geeignet, um sich als Gruppe neu zu entdecken. Mit „Schritte“ haben wir diese Entwicklung konsequent fortgesetzt.
Andreas Nowak: Nachdem uns als Band klar war, dass wir gemeinsam die Kurve kriegen müssen – und sie auch gekriegt haben -, gab es in den letzten vier Jahren keine Situation mehr, in der wir über eine Auflösung der Gruppe nachgedacht hätten. Wir haben inzwischen ein tolles Team, das uns den Rücken des Alltags freihält.

ONETZ: Stichwort „Entwicklung“: Gibt es auch eine hin zu nachdenklicheren Texten als bislang gewohnt?

Stefanie Kloß: Dieser Eindruck ist richtig. Für mich ist diese neue Nachdenklichkeit einfach zu erklären: Einerseits sind einige Freunde gestorben. Andererseits bin ich vor gut 18 Monaten Mama geworden. Damit hat sich mein Blick auf die Welt und die Zukunft sicherlich geändert. Man bekommt eine andere Perspektive auf diesen Planeten, sieht ihn gelegentlich aus der Sicht des Kindes. Jedenfalls: Ein Lied wie „Hand aufs Herz“, meinem Jungen gewidmet, hätte es vor zwei Jahren nicht gegeben.

ONETZ: Ist der Nachwuchs eine Art „kollektives Silbermond-Baby“?

Andreas Nowak: Er ist eine großartige Bereicherung für unsere „Familie“. Ihn groß werden zu sehen, ist eine super-tolle Erfahrung für uns alle.
Stefanie Kloß: Der Knirps ist vom ersten Tag an voll bei uns integriert. Allesamt große Freude!
Ist das neue Werk musikalisch eher ein Blick zurück – oder eher einer nach vorne?
Andreas Nowak: Wir freuen uns darüber, wenn das Album – im positiven Sinne – als retro bezeichnet wird. Für mich persönlich ist es eine zeitlose Angelegenheit. Ich behaupte mal frech, „Schritte“ kann man sich noch in zehn oder mehr Jahren anhören, ohne dass Staub angesetzt wurde.
Stefanie Kloß: Auch der Albumtitel ist zeitlos: Schritte geht jeder von uns täglich. Und sie führen jeden einzelnen dahin und dorthin. Das macht die alltägliche Bewegung so interessant.

ONETZ: Alle eure fünf Alben gingen in Deutschland in die Top 4 der Hitparade. Ist unter solchen Umständen der Druck vonseiten der Öffentlichkeit wie der Plattenfirma nicht immens auf jede neue Produktion?

Stefanie Kloß: Wir sind, auch aufgrund unseres kommerziellen Erfolgs, seit längerer Zeit keinem Verpflichtungs-Kreislauf mehr ausgesetzt. Bei uns gilt inzwischen die Devise: „Nach dem Album ist vor dem Album.“
Andreas Nowak: Wir haben uns nie selbstzufrieden zurückgelehnt und auf Lorbeeren ausgeruht. Wir wollten und wollen immer kreativ weitermachen. Selbst wenn das bedeutet, dass man ab und an auch mal innehalten und tief durchatmen muss.

ONETZ: Sind die Werte „Freundschaft“ und „Vertrauen“ die entscheidenden Schlüssel eures Erfolgs?

Stefanie Kloß: Das sind definitiv die Grundpfeiler unserer Beziehung. Die standen all die gemeinsamen Jahre über nie infrage. Wie erwähnt, wir hatten immer mal wieder kreative Meinungsverschiedenheiten. Aber das hatte nicht einen Tag lang was mit unserer persönlichen Freundschaft zu tun. Wenn man mich persönlich fragt, wo Silbermond aktuell stehen, lautet meine Antwort – ganz weit vorne.

ONETZ: In den letzten Wochen war „30 Jahre Mauerfall“ das beherrschende innenpolitische Thema. Wie geht ihr privat damit um?

Stefanie Kloß: Hätte es den Mauerfall und die Wiedervereinigung niemals gegeben, wären wie als Band nicht da, wo wir heute stehen. In der DDR wäre so ein Erfolg mit unserer Art von Musik unmöglich gewesen. Andererseits sind wir „Ossis“, sehr gerne sogar. Und gestehen uns durchaus ein, dass es noch weitere Zeit braucht, ehe wir als Nation „wirklich“ wiedervereinigt sind. Man sollte und muss daran arbeiten. Die Sache ist es wert.

ONETZ: Ab Januar geht es auf Tournee. Seid ihr bei dieser Aussicht nervös oder freudig erregt?

Andreas Nowak: Wir haben die letzten Wochen viel geprobt. Dieser Umstand hilft gegen die Nervosität. Außerdem haben wir festgestellt, dass sich die alten und neuen Lieder live prächtig verstehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sämtliche Beteiligten großen Spaß haben werden bei den Konzerten.

Cover der neuen Silbermond-CD. Bild: Sony Music
Cover der neuen Silbermond-CD.
 
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