Die Weltgemeinschaft hat ein gutes Gedächtnis: Sie weiß, was sie davon zu halten hat, wenn die US-Regierung angebliche Beweise vorlegt, mit der sie eine militärische Intervention gegen ein anderes Land rechtfertigen will. Der damalige Außenminister Colin Powell breitete 2003 vor den UN Bilder aus, die belegen sollten, dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitzt. Eine Lüge, der kurz darauf die Invasion des Irak folgte.
Jetzt steht der Iran im Fadenkreuz der Falken im Pentagon und im Weißen Haus: Der Angriff auf zwei Öltanker und der Abschuss einer amerikanischen Drohne werden dem Regime zur Last gelegt. Der Iran weist jede Schuld von sich, und nicht zuletzt, weil der aktuelle US-Präsident schon mehrfach dreist öffentlich gelogen hat, ist man fast schon versucht, Teheran zu glauben.
Der angeblich vorbereitete Angriff auf iranische Einrichtungen und Trumps theatralische Twitter-Begründung des Abbruchs wirken wie der Teil eines Bluffs, der den Druck auf den Iran erhöhen soll. Ein US-Präsident, der wegen zu erwartender Todesopfer einen Militärschlag scheut? Obama wäre dafür gefeiert worden.
Der Zocker Trump jedoch kann jetzt gegenüber dem iranischen Präsidenten Hassan Ruhani und auch vor Nordkoreas Diktator Kim Jong Un nicht mehr den harten Cowboy mimen. Bislang war seine jähzornige Unberechenbarkeit sein bester Trumpf. Jetzt hat er ihn aus der Hand gegeben. Gut so.
Frank Stüdemann ist mit seinem Kommentar eine deutlich realistischere und differenziertere Beschreibung der Situation am Persischen Golf gelungen, als der Meinungsbeitrag „Trotz Trump: Deutschlands Partner heißt USA und nicht Iran“ (DnT, 15.06.2019).
Israel und Saudi Arabien fordern seit Jahren einen Militärschlag gegen den Iran, obwohl UN-Inspektoren noch vor wenigen Wochen Teheran bescheinigten, dass sich dieses exakt an den vereinbarten Atomdeal hält. Bis heute hat sich die EU nicht der von den USA verbreiteten Version von den Anschlägen auf die Öltanker angeschlossen. Trump schreckte nicht mal davor zurück die Demokratenführerin Nancy Pelosi in einem Fake-Video als betrunken darzustellen. Deshalb ist Vorsicht geboten!
Grundsätzlich stellt sich natürlich die Frage, ob Deutschlands Platz auch im Fall eines ungerechtfertigten, inszenierten Krieges an der Seite der USA ist? Neben einigen inhaltlichen Fehlern fühlte man sich beim o.g. Kommentar von Wolfgang Würth an die unseligsten Seiten des kalten Krieges erinnert. Eine schlichte schwarz-weiß-Sichtweise wird jedoch der komplizierten Situation im nahen Osten nicht gerecht. War es nicht die USA, die die Region mit dem Sturz des laizistischen Mossadegh (frei gewählter Präsident Persiens) und den beiden Irakkriegen destabilisierte? Hat nicht Trump den Westen gespalten? Welche gemeinsamen Werte sehen Europa und die USA mit Saudi Arabien, dem schlimmsten aller mittelalterlichen Regime, während der Iran dämonisiert wird? Der Westen hat Saudi Arabien hochgerüstet, obwohl es weltweit seit 40 Jahren den politischen, radikalen und fundamentalistischen Islam finanziell unterstützt. Saudi Arabien lässt nicht nur Homosexuelle hinrichten, sondern auch noch Journalisten, die darüber berichten. Sollte der Westen auf Iranisches Öl verzichten und notfalls höhere Benzinpreise in Kauf nehmen, um der Moral willen? Sollte die deutsche Wirtschaft nicht mehr in Länder exportieren, deren Menschenrechtslage nicht unseren Vorstellungen entsprechen? Man muss die Siuation im Iran nicht beschönigen, man sollte aber auch nicht mit zweierlei Maß messen. Die USA unter Trump fühlen sich nur ihren eigenen Interessen verpflichtet und führen einen Wirtschaftskrieg gegen Freund und Feind.
Die Situation lässt sich mit zwei Zitaten zusammenfassen: Zur deutschen Position: Erst kommt das Fressen, dann die Moral (Bertolt Brecht). Zur Rolle der USA gilt der Spruch des alten Reichskanzlers Otto von Bismarck aus dem 19. Jahrhundert: "Es wird nie so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd."
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