Veitshöchheim
21.02.2025 - 22:29 Uhr

Zwischen Kampfmoral und Wärmepumpe - "Fastnacht in Franken"

Im Frankenland bleibt man gerne unter sich. Da kommt so mancher aus der Ferne lieber bis zur Unkenntlichkeit maskiert an den Main. Und ist hier auch noch zum Stillschweigen verdonnert.

Was macht der Franke, wenn die Welt aus den Fugen gerät? Er besinnt sich auf sich selbst - jedenfalls, wenn der Fastnacht-Verband Franken zu seiner Prunksitzung nach Veitshöchheim lädt. "Ich bleib' im Frankenland. Ich hab' dich auserkoren, ich komm' von hier und bleibe, wo ich bin", singt die a-cappella-Band Viva Voce gleich zur Einstimmung auf eine turbulente "Fastnacht in Franken" im BR Fernsehen. Und Kabarettist Oti Schmelzer aus dem Steigerwald unterstreicht mit seinem unverkennbaren Dialekt: "Wer jetzt kein Fränkisch versteht, der hat verschissen."

Was schert's den Franken, wenn in Berlin in der "Villa Kunterbunt" (Bauchredner Sebastian Reich mit Amanda) alles drunter und drüber geht und jenseits des Atlantiks ein "orangefarbener Horrorclown" (Musikkabarettist Matthias Walz über US-Präsident Donald Trump) außer Rand und Band ist?

Nur gelegentlich scheint bei den Narren auf der Bühne der Mainfrankensäle durch, dass sich Deutschland in der wohl schwierigsten sicherheitspolitischen Lage seit Jahrzehnten befindet - und dass dies auch an Unter-, Mittel- und Oberfranken nicht spurlos vorbeiziehen dürfte.

Kampftruppe aus der Oberpfalz

Rund dreieinhalb Stunden lang tauchen die etwa 600 Gäste im Saal unweit von Würzburg und Millionen vor den Bildschirmen zu Hause ab in eine Welt zwischen Kloß mit Soß', Frankenwein und "Bassd scho!".

"Fränkisch ist wie Latein - nur die Gebildeten können es sprechen", betont Sitzungspräsident Christoph Maul süffisant. Schließlich sollen vor allem die trotz fränkischer Straßensperren doch noch angereisten Gäste aus der Oberpfalz - die Altneihauser Feierwehrkapell'n - sich nicht so viel auf sich einbilden.

Vor der Infanterie aus Windischeschenbach sollte der Franke lieber mal in die Knie gehen, hält der Störtrupp dagegen und bläst den aufgeblasenen Franken den Marsch. Die musikalische Kompanie ist ein Publikumsliebling, den sich die Narren alljährlich zur Erdung freiwillig ins Haus an den Main laden.

"Allein der Anblick ist es wert, dass man nach Veitshöchheim fährt", reimt der selbst ernannte Kommandant Norbert Neugirg und legt nach: "Kriegstüchtig ist wieder in, da macht der Wein aus Franken Sinn. Die Plörre tut dem Krieger gut, da steigt in ihm der Todesmut. Auch der Blick in diesen Saal verstärkt in uns die Kampfmoral."

Ein Nilpferd in Personalnot

Auf das Bezirksgezänk will sich das drollige Nilpferd Amanda - unvergleichlich mit seinem Bauchredner Sebastian Reich - nicht einlassen. Als strenge Schuldirektorin ist das Plüschtier mit den großen Knopfaugen auf der Suche nach Fachkräften jenseits der bayerischen Landesgrenze. "In Berlin werden nächste Woche einige Stellen frei. Die haben sich schon alle bei mir beworben."

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wolle Religionslehrer werden. "Der ist ein sehr gläubiger Mensch", betont Amanda unter dem Gelächter der kostümierten Gäste bei der Generalprobe. "Der glaubt auch immer noch, dass er Bundeskanzler wird."

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) könne sie dagegen nicht einstellen: "Da bekommt ja Schultüte eine ganz neue Bedeutung", frotzelt die Handpuppe angesichts der von Lauterbach unterstützten Teil-Legalisierung von Cannabis.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) aus Niederbayern, einer der bekanntesten Vertreter der bayerischen Mundart, habe sich beim Thema Fremdsprachen in den Vordergrund gedrängelt. Er sei aber nicht qualifiziert: "Den versteht ja so schon keiner."

Eine Personalie könne sie allerdings - Bundestagswahl hin oder her - schon verkünden: Wirtschaftsminister Robert Habeck werde ihr Hausmeister. "Wir brauchen im Keller der Schule noch eine Wärmepumpe", begründet Amanda ihre Entscheidung für den Grünen-Politiker, der ihr von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder empfohlen worden sei.

Spötteln kurz vor der Wahl

Bei der seit Jahren meistgesehenen Sendung im Bayerischen Rundfunk kommen die Politikerinnen und Politiker aus dem Freistaat heuer vergleichsweise glimpflich davon. Einzig Söder, der beim Frankenfasching jedes Jahr eine Kostümshow abzieht, muss sich wenige Stunden vor der Bundestagswahl gehörige Frotzeleien gefallen lassen. Widerworte, Ausflüchte? Unmöglich.

Der Büttenredner Peter Kuhn von der "Schwarzen Elf" aus Schweinfurt, ein Genie der bitterbösen Pointen, sinniert über die Motivation des CSU-Chefs, in der Kanzlerfrage Friedrich Merz (CDU) den Vortritt zu lassen. "Das ist in der Branche ungewöhnlich und sieht dem Markus ja auch gar nicht ähnlich. Aber eins ist klar und steht schon fest: Wer dem anderen den Vortritt lässt, der kann bei allen Eventualitäten, dem dann viel besser in die Hacken treten."

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Veitshöchheim 22.02.2025
 
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