Mitterteich
16.01.2018 - 20:00 Uhr

Literarischer Arbeitskreis wirft Schlaglicht auf Oskar Maria Graf: Schläue und schwarzer Humor

Ein berühmter Schriftsteller ist nicht anwesend, auch sonstige Prominenz nicht. Dennoch ist das Mitterteicher Mehrgenerationenhaus bei einer Lesung gut gefüllt. Die Verantwortlichen des Literarischen Arbeitskreises hatten es wieder einmal geschafft, Lust auf Literatur zu wecken.

Das gefiel den Zuhörern: Mit viel Liebe zum Detail und voller Leidenschaft stellten Hans Günther Lauth (links) und Berthold Kellner den Schriftsteller Oskar Maria Graf vor.	Bild: ubb
Das gefiel den Zuhörern: Mit viel Liebe zum Detail und voller Leidenschaft stellten Hans Günther Lauth (links) und Berthold Kellner den Schriftsteller Oskar Maria Graf vor. Bild: ubb

Am Vorlesetisch sitzen Hans Günther Lauth und Berthold Kellner, ein unscheinbarer Stapel Bücher liegt vor ihnen. Die Literatur stammt von Oskar Maria Graf. Landrat a. D. Karl Haberkorn, der Sprecher des Arbeitskreises, stellt den Hobby-Schriftsteller aus Wiesau und den Geschäftsführer der Lebenshilfe Tirschenreuth aus Parkstein als hervorragende Vorleser vor und verspricht nicht zu viel. In den nächsten zwei Stunden erfahren die Anwesenden viel Wissenswertes über den bayerischen Buchautor. Dabei übernimmt jeder der Vorleser einen für ihn passenden Part: Lauth stellt Grafs Biografie anschaulich dar. Berthold Kellner, in der Freizeit passionierter Theaterspieler, trägt Buchauszüge vor. Darauf sind alle sehr gespannt. Denn sobald Kellner Blätter in die Hand nimmt, darf man sich auf eine regelrechte Inszenierung freuen.

Walter J. Pilsak steuert Eigenkompositionen am Akkordeon bei und komplettiert das unterhaltsame Programm. Geboten wird eine etwas andere Geschichtsstunde. Diese reicht von 1894 (Geburt des Autors in Berg am Starnberger See) bis 1967 (Tod in New York). Durch und durch kritisch war dieser Graf. Vorteile hatte er davon nicht. Berthold Kellners Auszüge aus Grafs Schülerleben lassen einen schwarzen Humor durchdringen. Keine Chance hat das Kind Oskar gegen den übermächtigen Bruder, der ihn verprügelt hat. Graf flieht im Alter von 17 Jahren nach München und wird Schriftsteller.

Unruhiger Geist

Hans Günther Lauth hat sich intensiv mit diesem extravaganten Künstlerleben beschäftigt. Dabei stieß er auf eine frühe Veganer- und FKK-Szene in den Jahren 1912/13, der Graf angehört haben soll. "Nicht lange", so Lauth, der den unruhigen Geist des Schriftstellers herausstellt. Graf hatte stets neue Schauplätze, neue Frauen, übte neue Kritik. Köstlich ist Berthold Kellners Darstellung von politischen Debatten um die Jahre 1928/29. Da wurde noch heftigst gestritten, gepoltert, getobt und beleidigt am Stammtisch im Dorfwirtshaus. Kellner hebt die Stimme, überzeugt mit Mimik und Gestik. Der Sonderapplaus folgt auf den Fuß.

In der Irrenanstalt

Schläue rettete Graf vor dem Soldatentod. Ein unschönes Buchkapitel. Im Ersten Weltkrieg verhalf dem Autor eine erfundene Kriegsneurose zur Einlieferung in eine Irrenanstalt. Lauth: "Was ihn vielleicht vor dem Tod gerettet hat." Grafs Bruder fällt an der Front. 1933 kommt es zur Bücherverbrennung durch die Nazis. Grafs Werke sind nicht dabei. Graf besteht aber ausdrücklich darauf: "Verbrennt mich!", fordert er in einem offenen Brief. Sein Wunsch wird erfüllt. Seither ist Graf in Deutschland geächtet und er geht nach New York. Gerne bekleidet mit Lederhose, großkariertem Sakko und Trachtenhut bleibt der imposante Mann auch nach außenhin deutlich sichtbar ein Bayer. Ein erstaunlicher und sehr politischer Schriftsteller wird an diesem Montagabend hervorgehoben. Graf hat mit seiner Meinung nicht hinterm Berg gehalten, seine Bücher sind es wert, in die Hand genommen zu werden. Dies legt Hans Günther Lauth den Zuhörern am Ende ans Herz. "Das Leben meiner Mutter" nennt der Wiesauer als bestes Werk. Dann plädiert Lauth noch für den Kauf von Literatur in den kleinen heimischen Buchhandlungen - dafür gibt's Sonderapplaus.

AK-Sprecher Karl Haberkorn hat für die drei Interpreten noch Geschenke dabei. Im Herbst sei Manfred Knedlik mit einer Lesung hier, verrät Haberkorn der Presse Neuigkeiten. Der Literarische Arbeitskreis wolle mit seiner Arbeit weiterhin den Schöngeist des Lesens in den Fokus rücken, gerade auch mit Lesungen durch Heimatautoren. Nach dem Schlussapplaus geht noch niemand heim. Pilsak spielt weiter Akkordeon und die zahlreichen Besucher sind sich einig: Eigentlich hat der Abend ja erst begonnen!

 
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