Fast 30 Jahre lang hat Sieglinde Schiener über 200 Abonnenten des "Neuen Tags" als Zeitungsausträgerin an sechs Tagen in der Woche mit ihrer Tageszeitung beliefert. Sie hat dabei zehntausende Kilometer zu Fuß zurückgelegt. Seit einiger Zeit wollen ihre Beine nicht mehr und sie sitzt im Rollstuhl. Am Freitag konnte sie im Seniorenwohnheim Löffler im Kreise ihrer Familie ihren 90. Geburtstag feiern.
Sieglinde Schiener wurde am 12. Juli 1934 als Tochter von Josef und Emma Bogner geboren. Ein Jahr später kam Bruder Hans zur Welt, der 2019 verstarb. Auch der Vater starb früh. Er kam nicht mehr aus dem Zweiten Weltkrieg zurück. Einen Beruf konnte sie nicht erlernen. Sie arbeitete nach der Schule bei ihrer Tante im "Ascherl-Wirtshaus" gegenüber der Bleikristallglasfabrik F.X. Nachtmann mit. Dann heiratete sie Karl Schiener. Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor. Die Familie lebte, da die Großmutter auch noch zum Haushalt gehörte, mit zehn Personen in sehr beengten Verhältnissen in einer Genossenschaftswohnung. Im Laufe der Zeit zog die Familie mehrmals innerhalb der Kreisstadt um.
Wegen der großen Familie, die für sie immer im Mittelpunkt stand, war ihr die Aufnahme einer ganztägigen Arbeit nicht möglich. Der Job als Zeitungsausträgerin des "Neuen Tags" kam ihr da sehr gelegen. Sie musste zwar frühmorgens um 5 Uhr bereits auf den Beinen sein, aber die Arbeit war drei Stunden später erledigt. "Ich musste bei Wind und Wetter über 200 Zeitungen austragen, die auch einiges gewogen haben. Aber ich habe es immer gern getan", sagt sie. Not macht bekanntlich erfinderisch. Da im Laufe der Zeit mehrere Transportgeräte für die Zeitungen den Geist aufgaben, funktionierte sie einen alten Kinderwagen um.
Mit 50, als die Kinder aus dem Haus waren, fühlte sie sich noch lange nicht alt und begann Mofa und später Mofa-Roller zu fahren. Dadurch war sie mobil. Da sie viele Neustädter kannte, war sie oft mit ihrem Gefährt auf einen Ratsch bei Freunden unterwegs. Zeit für Hobbys ließ ihr der Alltag wenig. Sie liebte den Umgang mit Wolle und Stoffen. Das Stricken machte ihr bis zuletzt Spaß. Am liebsten strickte sie Mini-Baby-Schuhe, die so klein waren, dass sie in eine Zündholzschachtel passten.
Seit ein paar Jahren wollten ihre Beine nicht mehr so. Vor drei Jahren ging sie ins Seniorenwohnheim Löffler nach Altenstadt. Dort erhält sie regelmäßig Besuch von ihren Kindern. Auch 14 Enkel und 10 Urenkel zählen zur Familie. Zum 90. Geburtstag ließ es sich Bürgermeister Ernst Schicketanz nicht nehmen, der Jubilarin zu gratulieren.
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