Es gab aber nicht etwa einen Ausrufer, der die Eintretenden mit Name, Titel und Verdiensten vorstellte, sondern jeder Gast erhielt eine kleine Ansteckplakette, auf der stand, wer er war. Natürlich auch für alle anderen eine willkommene Hilfe, um das möglicherweise nur gesichtsweise (oder gar nicht) bekannte Gegenüber beim Smalltalk einordnen zu können.
Während sich die Schlange der Eingeladenen über das Treppenhaus, das Foyer des Großen Rathaussaals und den Eingangsbereich an den drei Stadtoberhäuptern vorbeibewegte, setzte drinnen die kurzfristig auf fünf Köpfe reduzierte Alphorngruppe der Hahnbacher Marktbläser musikalische Glanzpunkte. So mancher Zuhörer staunte, welche Vielfalt an Tönen den sechs Meter langen wuchtigen Instrumenten zu entlocken ist – und in einer durchaus angenehmen Lautstärke.
Wieder mehr als 45.000 Einwohner
Als gegen 20.45 Uhr auch die Mitglieder der Stadtpfeifer und der Stadtwache, die zuvor die Eintreffenden an der Rathaustür begrüßt hatten, in den Saal kamen, war dies das Signal für die Rede von Oberbürgermeister Michael Cerny. 2019 hatte noch die bundesweit Aufsehen erregende "Amberger Prügelattacke" vom Jahreswechsel seine Betrachtungen geprägt. Dieses Mal konnte der OB in ruhigerer Weise einen Blick zurück werfen. Sein Fazit: "Ich glaube, es geht uns besser, als wir manchmal wahrhaben wollen."
Die auf 4,2 Prozent gesunkene Arbeitslosigkeit führte er als Beleg dafür ins Feld, das Rekordniveau von 27.800 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen, den mit fast 42 Millionen Euro "größten Investitionshaushalt aller Zeiten für unsere Stadt" sowie das (Zensus hin, Zensus her) erneute Knacken der 45.000er-Grenze bei den Einwohnern. Genau 45.039 Amberger (mit Erst- oder Zweitwohnsitz) wurden 2019 gezählt. Und das, obwohl die Anzahl der Neugeborenen mit 348 etwas hinter dem Vorjahr zurückblieb.
Cerny zählte Höhepunkte im Kultur-, Wirtschafts- und Baubereich auf, verschwieg aber auch die Rückschläge nicht: "Gerade bei unseren beiden wichtigen Entwicklungsbereichen in der Bahnhofstraße gab es den Zwang, neue Lösungen zu finden." Auf dem Bürgerspitalareal laufe das auf eine kleinere Tiefgarage hinaus, beim Forum ersetze ein Konzept mit Einkaufspassage, Gastronomie, Wohnen und Hotel das ursprüngliche Ziel des großflächigen Einzelhandels. Diese "Drei Höfe" passten aber "architektonisch noch besser zu unserer Altstadt".
Bitte ohne Panik und Hysterie
Natürlich kann ein Rückblick auf 2019 nicht an "Fridays for Future" vorbeigehen. Cerny schätzte das Anliegen der jungen Menschen, die für den Klimaschutz auf die Straße gingen, als legitim ein. Dabei solle man sich aber nicht von Panik und Hysterie treiben lassen. Der Klimaschutz müsse sozialverträglich erfolgen, "und nachhaltig ist er meines Erachtens auch nur, wenn Klimaschutz und Ökonomie zusammengehen".
Die Klimadebatte sehe er als weiteren Beleg, dass eine starke Polarisierung der Gesellschaft drohe, so der OB. Eine "abgrenzende Freund-Feind-Logik" anstelle einer Suche nach Lösungen, die im Idealfall Elemente beider Denkrichtungen enthalten könnten. Für den Kommunalwahlkampf in Amberg hoffte Cerny, dass der "mit Visionen, guten Ideen und Begeisterung für unsere Stadt" geführt werde und dass "wir uns nach der Wahl unverletzt und unbeschadet zusammensetzen können, um möglichst rasch an die Umsetzung unserer Pläne und die politische Arbeit für die kommenden Jahre zu gehen".
"Natürlich wird mir der Medienrummel zum Jahresanfang um die Prügelei am Bahnhof sicher noch lange in Erinnerung bleiben, aber das Jahr konnte danach nur besser werden."
Cerny im Rückblick auf das Thema, das Anfang 2019 Amberg und die gesamte Republik in Aufregung versetzte
"Die Baustelle an der Wirtschaftsschule hat uns gezeigt, wie wertvoll Kupfer ist – zumindest für die Einbrecher, die uns mehr Schaden und Zeitverzögerung bereitet haben, als das Kupfer tatsächlich wert ist."
Über einen ungewöhnlichen Grund für eine Bauverzögerung
"Ein chinesisches Sprichwort sagt: Die beste Zeit einen Baum zu pflanzen war vor 20 Jahren. Die zweitbeste Zeit ist heute. Die Jugend hat uns vorgeworfen, dass wir im übertragenen Sinn viele Bäume nicht rechtzeitig gepflanzt haben, und sie erwarten von uns, dass wir die zweitbeste Zeit jetzt nutzen."
Zur Fridays-for-Future-Bewegung
"Gibt es nur noch Schwarz und Weiß, gibt es nur noch Diesel oder Elektro – oder ist es vielleicht doch möglich zu akzeptieren, dass beides nebeneinander existieren kann?"
Über eine Streitkultur, die immer schneller auf Polarisierung hinauslaufe
"Ich staune immer wieder, wie Autoren in Facebook, in Leserbriefen oder auch am Stammtisch nach maximal fünf Minuten die Überzeugung von sich geben können, dass eine Entscheidung nicht falscher sein könnte und der Stadtrat und die gesamte Verwaltung doch nur auch mal fünf Minuten nachdenken müssten, um dies zu begreifen."
"Wir werden uns samstäglich in der Fußgängerzone am Stand begegnen und dabei alle Besucher unserer Stadt mit Kugelschreibern, Gummibärchen und viel Prospektmaterial beglücken und auf den verschiedensten Veranstaltungen aufzeigen, warum mit uns die Titanic nie untergegangen wäre."
Cernys Erwartungen an die heiße Phase des Wahlkampfs
"Der Wähler will keinen Streit, und er wählt erst recht keine Streithansel und Meckerer."
"Der Bund und die Länder müssen handeln, wenn nicht auch die gesunden Strukturen im Krankenhausbereich gefährdet werden sollen. ... Wir sind kommunaler Träger eines Schwerpunktkrankenhauses und wir wollen es auch bleiben."
"Damit Alexa sich mit meiner Solaranlage unterhält, braucht es ein paar Klicks mit der Maus – die Anmeldung der Solaranlage als neuer Unternehmer, Netzteilnehmer, Umsatzsteuer etcetera hingegen ist viel zu kompliziert."
Alexa ist Cernys "kleine digitale Assistentin zu Hause", die Bürokratie dagegen ist das, was ihn manchmal den Glauben an den Fortschritt verlieren lässt
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.