Eigentlich hätten sich die Mitglieder der israelitischen Kultusgemeinde Amberg am Mittwochabend getroffen, um mit Gebet in der Synagoge und Sedermahl im Gemeindesaal den Beginn des achttägigen Pessachfestes zu feiern. Doch angesichts von Coronavirus-Pandemie, Abstandsgebot und Ausgangsbeschränkungen muss Pessach heuer in den innerfamiliären Kreis verlegt werden.
Pessach ist jenes Fest, an dem sich Juden in aller Welt an den Auszug des Volkes Israel in Ägypten erinnern - und damit an das Ende der Sklaverei. Die Vorbereitungen für Pessach beginnen schon weit vorher. Wohnung beziehungsweise Haus werden gesäubert. Das hat einen guten Grund: Zu Pessach darf nichts Gesäuertes, auch Chamez genannt, im Haus sein - weder Brot noch Kuchen noch Pasta. Wie Rabbiner Elias Dray erklärt, verschenken Juden deshalb diese Vorräte häufig im Vorfeld an Nichtjuden. Oder geben sie jemandem, der sie während der Zeit für Pessach für einen aufbewahrt. Kleinere Mengen an Gesäuertem würden mitunter verbrannt.
Als gesäuert gilt, wenn Getreide wie Weizen, Roggen, Gerste, Hafer oder Dinkel für mindestens 18 Minuten mit Wasser in Berührung gekommen ist. In der Zeit von Pessach essen Juden ungesäuertes Brot, Mazze genannt.
Der fünfte Becher Wein ist für den Propheten Elias.
Rabbiner Elias Dray hat seine jüdische Gemeinde mit Symbolkräftigem für den Sederabend versorgt. "Wir haben an unsere Gemeindemitglieder Pakete verschickt", erzählt der mit seiner Familie in Berlin lebende Rabbiner. Darin befanden sich neben Mazze noch Wein sowie Traubensaft für die Kinder. All das spielt nämlich eine wesentliche Rolle beim traditionellen Sedermahl an Pessach.
Der Sederabend unterliegt laut Rabbiner Dray einer strengen Ordnung. Eine wesentliche Rolle spielt das Buch Haggada. Darin niedergeschrieben ist die Geschichte der Knechtschaft der Israeliten unter pharaonischer Herrschaft, der Auszug aus Ägypten, der Weg in die Freiheit. Die Haggada ist aber gleichzeitig eine Handlungsanweisung für den Sederabend.
Christen müssen heuer wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus´ und der weltweit verbreiteten Lungenkrankheit Covid-19 auf den Besuch von Ostermessen verzichten. Die Pandemie wirkt sich auch auf jüdische Traditionen aus. So wird das am Mittwochabend beginnende achttägige Pessachfest nicht in der Gemeinschaft und mit dem Rabbiner gefeiert, sondern im allerengsten Familienkreis im eigenen Haushalt.
Rabbiner Elias Dray verbringt die jüdischen Festtage mit seiner Frau Sara Rivka und den vier Kindern in Berlin. Den Amberger Juden hat die israelitische Kultusgemeinde Päckchen für Pessach daheim geschickt. Außerdem wird während der Coronakrise ein Einkaufsservice für ältere Gemeindemitglieder organisiert, „dabei unterstützt uns die Amberger Tafel sehr“, freut sich Dray. Leid tut es ihm, dass seine in der Oberpfalz lebende Mutter heuer Pessach alleine feiern muss. „Das geht leider vielen älteren Menschen so.“ Da derzeit nicht in den Synagogen gebetet werden kann, würden viele Rabbiner Gebete beispielsweise über Facebook veröffentlichen. Dray selbst hat ein Projekt mit dem Bayerischen Rundfunk gestartet: In Videobotschaften wendet er sich an die Menschen. Für die israelitische Kultusgemeinde Amberg hat er einen Film gedreht, in denen er Tipps für Pessach daheim gibt. Nach dem nächsten Schabbat wird er mit den Gemeindemitgliedern über Zoom eine Videokonferenz abhalten. „Auch der Religionsunterricht läuft über Zoom“, sagt Dray.
Die momentane Situation sei auch eine Chance, dass man sich als Familie näher kommt. „Ich weiß aber auch, dass das eine Herausforderung ist.“ Er nutze die Zeit für Spiele und Spaziergänge mit Frau und Kindern.
Tradition haben laut Elias Dray auch verschiedene Speisen, die auf einer Platte, dem Sederteller angerichtet werden. Auch sie stehen für die Knechtschaft in Ägypten. Mazze ist das Symbol des überhasteten Aufbruchs (es blieb keine Zeit mehr, den Teig zu säuern), ein Radieschen als Frucht der Erde steht für die Sklavendienste, die Israeliten in Ägypten leisten mussten. Bitterkräuter stellen im übertragenen Sinne die Tränen dar, die in pharaonischer Knechtschaft vergossen wurden. Ein gebratener Hähnchenknochen ist das Pessach-Opfer, ein gekochtes Ei das Festtagsopfer. Zu vier festen Zeitpunkten während des Sedermahls wird jeweils ein Becher Wein getrunken. Ein fünfter wird laut Dray eingeschenkt, aber nicht geleert. "Er ist für den Propheten Elias", sagt der Rabbiner. Dieser verkünde die Ankunft des Messias' und damit die bevorstehende Erlösung.
In den vergangenen Tagen sind Bilder aus Israel um die Welt gegangen: Ultra-Orthodoxe Juden, die vor allem im Jerusalemer Stadtteil Mea Shearim und in Bnei Brak unweit von Tel Aviv leben, widersetzten sich den wegen der Coronavirus-Pandemie geltenden Ausgangsbeschränkungen, so dass die israelische Polizei eingreifen musste. Bilder, die auch Elias Dray, Rabbiner der israelitischen Kultusgemeinde in Amberg, gesehen hat.
Er schildert die Situation der Haredim, die Gottesfürchtigen, wie sich Israels Ultra-Orthodoxe selbst nennen. „Sie haben keine Smartphones, kein Fernsehen, kein Radio“, erklärt Dray. Somit hätten sie zunächst auch keinen Zugang zu Informationen gehabt. „Das war eher ein Kommunikationsproblem“, so der Amberger Rabbiner. Elias Dray erzählt von einem im Heiligen Land lebenden Freund. Dieser sei jetzt im Auftrag des Staates Israel unterwegs, um das Gespräch mit den streng nach den Geboten Gottes lebenden Ultra-Orthodoxen zu suchen, sie über die Gefahr einer Corona-Infizierung und die Lungenkrankheit Covid 19 aufzuklären.
Eine wichtige Rolle kommt den Rabbinern zu. Sie hätten inzwischen eindringlich die Menschen dazu aufgerufen, dass jeder für sich alleine beten solle statt in Gruppen oder in der Synagoge. Dray weiß, dass die meisten der Strenggläubigen den Ernst der Lage erkannt hätten, vernünftig seien und sich an Anti-Corona-Regeln hielten. Ausnahmen gebe es überall, sagt er und verweist auf hierzulande. Die Mehrheit halte sich an die Ausgangsbeschränkungen, „aber es gab auch solche, die in großen Gruppen im Englischen Garten in München saßen“.
Dray schildert die vielen Einschränkungen für das jüdische Leben wegen Corona. Das betreffe die Waschungen von Verstorbenen vor Beerdigungen genauso wie rituelle Tauchbäder zur Reinigung des Geistes und der Seele. Oder das traditionelle Verbrennen der letzten Brotkrümel vor Pessach. Dray unterstreicht, was auch im Judentum das Wichtigste ist: die Rettung von Menschenleben. „Lebensrettung steht über allen Geboten.“















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