Amberg
29.03.2019 - 17:33 Uhr

"Der Anfang war schwer - ich konnte ja null Deutsch"

Seit mehr als 20 Jahren lebt der Brite Cris G. im Vilstal. In unserer Rubrik "Zugroast" erzählt er von den Unterschieden zwischen der Oberpfalz und England. Mittlerweile hat er sich mit der deutschen Bürokratie und Sprache angefreundet.

Auch nach mehr als 20 Jahren in der Oberpfalz fühlt sich Cris G. noch als Engländer. "Das kann man ja auch nicht ändern." Bild: privat
Auch nach mehr als 20 Jahren in der Oberpfalz fühlt sich Cris G. noch als Engländer. "Das kann man ja auch nicht ändern."

Der Engländer Cris G. stammt aus London und lebt seit mehr als 20 Jahren in der Oberpfalz, im Vilstal. Der 53-Jährige arbeitet als Sprachreisenvermittler - hauptsächlich Reisen nach England und Malta. Zudem ist er in verschiedenen Blaskapellen aktiv. Er schwärmt von seiner neuen Heimat, mittlerweile hat er sich sogar mit der deutschen Bürokratie angefreundet.

ONETZ: Der Oberpfälzer ist ein Grantler und Sturkopf. Stimmt’s?

Cris G.: Nein, grantig auf keinen Fall. Ich habe hier ganz viele Freunde, da ist keiner ein Grantler. Auch stur sind sie nicht unbedingt. Es gibt zwar welche, aber man kann das nicht allgemein sagen.

ONETZ: Mit welchen Vorurteilen und Erwartungen sind Sie in die Oberpfalz gekommen? Und wie lautet jetzt Ihr Fazit?

Meine Frau und ich haben vorher in London gewohnt. Wir haben gedacht, hier ist es schöner für die Familie als in England. Ich als Stadtmensch wollte schon immer auf dem Land leben. Hier gefällt es uns viel besser.

ONETZ: Spielen Sie oft mit dem Gedanken, in Ihre alte Heimat zurückzukehren? Wie oft fahren Sie tatsächlich zurück?

Ich bin mehrmals im Jahr in England, meine Mutter ist nicht mehr so fit. Aber ich habe keine Pläne, dass ich nochmal komplett nach England zurückkehre. Überhaupt nicht.

ONETZ: Was erzählen Sie dort von Ihrer neuen Heimat? Was würden Sie Ihren Verwandten oder Freunden zuerst zeigen, wenn die zu Besuch in die Oberpfalz kommen?

Die Unterschiede zwischen den Ländern. England hat ein Riesenproblem mit dem Müll. In manchen Seen sind tausende Flaschen und Dosen. So etwas sieht man in Deutschland nicht – da gibt’s ja auf jede Flasche 25 Cent Pfand. Umgekehrt die Bürokratie: So etwas wie eine Wohnsitzanmeldung haben wir in England nicht. Oder dass ich nicht einfach an der Vils angeln konnte, war ungewohnt für mich – ich brauchte einen Schein. Mittlerweile verstehe ich die Gründe. Auch das Gesundheitssystem ist hier viel besser. Meine Mutter muss zwei bis drei Wochen auf einen Termin beim Hausarzt warten. Hier kriege ich einen Termin nach zehn Minuten.

ONETZ: Verstehen Sie Ihre Oberpfälzer Kollegen, wenn Sie mit ihnen nach Feierabend ein Bier trinken?

Ein bisserl was. Nein, mittlerweile verstehe ich schon viel, natürlich nicht alles. Am Anfang war es aber sehr schwer – ich habe ja null Deutsch gesprochen, mein Schwiegervater konnte kein Englisch und die Schwiegermutter hat sich verweigert, Englisch zu sprechen. Dass war aber ganz gut, um Deutsch zu lernen. Meine Grammatik ist aber immer noch nicht perfekt.

ONETZ: Fühlen Sie sich bereits als Oberpfälzer?

Im Herzen fühle ich mich noch als Engländer, das kann man ja nicht ändern. Aber ich bin jetzt deutscher Staatsbürger, ich habe das alles geregelt wegen des Brexit. Vorher hatte ich keinen Grund, mich einbürgern zu lassen.

Alle Teile der Serie

Serie "Zugroast":

In der Kolumne "Zugroast" stellen wir jede Woche Menschen vor, die aus Hamburg, dem Ruhrpott oder Kasachstan in die Oberpfalz gezogen sind - und hier eine neue Heimat gefunden haben. Weil am Freitag eigentlich der Brexit vollzogen werden sollte, erklären in den fünf März-Ausgaben von "Zugroast" Oberpfälzer Britten ihr Verhältnis zur Region.

 
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