Amberg
08.09.2019 - 10:24 Uhr

Im ehemaligen Studenten-Rennwagen unterwegs zum vierten Meister-Titel

Was als eine studentische Liebe begann, läuft nach 14 Jahren zur Hochform auf. Tivadar Menyhart baute den ersten Running-Snail-Boliden der OTH Amberg-Weiden mit und fährt heute mit ihm Slalom-Rennen. Und seinem vierten DM-Titel entgegen.

Tivadar Menyhart mit seinem Rennwagen. Bild: Petra Hartl
Tivadar Menyhart mit seinem Rennwagen.

Garage, Keller, Dachboden, das Schrankwand-Büfett im Esszimmer, überall Pokale, in allen Größen, silber- oder goldfarben. Mindestens drei weitere kommen nach dem nächsten Wochenende dazu. Dann, das steht nach menschlichem Ermessen jetzt schon fest, ist Tivadar Menyhart (41) zum vierten Mal Deutscher Meister im Amateur-Slalom (NAVC) der Klasse 13. Laut Reglement sind das "Formel- und Eigenbaufahrzeuge ohne Hubraumbegrenzung". Der Hobby-Rennfahrer startet mit dem RS 52 R 1, der früher einmal RS 05 hieß und der erste Wettbewerbs-Bolide des studentischen OTH-Rennteams Running Snail (RS) war.

Menyhart war damals mit dabei, als diese Projektgruppe 2004 von dem Maschinenbau-Professor Horst Rönnebeck ins Leben gerufen wurde, um in der internationalen Formula Student (FS) mitzumischen. Das tut Running Snail heute noch, allerdings elektrisch. RS 19 heißt die neueste Entwicklung, mit der es in der aktuellen Saison gilt, den Weltranglisten-Platz 2 der FSE (Formula Student Electric) unter 172 Teams zu verteidigen. Als Menyhart studierte, hieß die OTH noch Fachhochschule Amberg-Weiden. Sein Rennwagen trägt mit einem gewissen Stolz den Aufkleber nach wie vor auf der Schnauze.

Tivadar Menyhart. Bild: Petra Hartl
Tivadar Menyhart.

Späte Karriere

Der Running-Snail-Prototyp ist 14 Jahre nach der Enthüllung also nicht von der Bildfläche verschwunden, sondern schlägt sich äußerst erfolgreich im Wettbewerbsalltag eines Hobby-Rennfahrers. Menyhart führt aktuell die NAVC-Wertung an, aus seiner Sicht uneinholbar. Rennen bestreitet er nach den Regularien des Neuen Automobil- und Verkehrsclubs (NAVC), weil der deutlich größere und dominierende DMSB (Deutsche Motor-Sport-Bund) kein Slalom-Klassement definiert hat, in dem er mit seinem RS 52 an den Start gehen könnte.

Tivadar Menyhart sammelt Erfolge - unter anderem ist er dreifacher Deutscher Meister. Bild: Petra Hartl
Tivadar Menyhart sammelt Erfolge - unter anderem ist er dreifacher Deutscher Meister.
Info:

Erfolge

2005 als RS 05 Best Newcomer der Formula Student UK, 4. Gesamtrang der Formula Student Italy sowie 2. Rang Kategorie „Pursuit“.

2011-2019 NAVC-Slalom (Stand Mai 2019) 58 Gesamtsiege, Streckenrekordhalter auf fast allen NAVC-Slalomstrecken.

2015-2013 Deutscher Meister NAVC-Slalom Klasse 13.

2019 erneuter Titelanwärter Deutscher Meister.

Der Amateur-Motorsportler findet das schade. Er würde sich gerne auch einer breiteren Konkurrenz stellen und hatte sich deshalb mit einem entsprechenden Antrag an den DMSB gewandt, blitzte aber ab. Menyhart dominiert nun schon seit 2015 seine Disziplin in der Wertung des NAVC, deshalb auch die unzähligen Pokale im ganzen Haus. Das wundert den Maschinenbauer, der sein Studium noch mit dem Titel Dipl.-Ing. (FH) abschloss, eigentlich nicht. Mit sieben oder acht Wagen ist ein Wertungsrennen für ihn in der Regel bestückt. Kurzer Radstand (1,7 Meter), relativ geringes Gewicht (340 Kilogramm ohne Fahrer), Power ohne Ende (200 PS), wahnsinnige Beschleunigung (104 km/h im ersten Gang in 2,92 Sekunden), hammermäßige Bremsverzögerung (25 Meter von 100 km/h auf 0) und eine akribische Vorbereitung auf die Rennen. Das ist sein Erfolgsrezept, wobei er fast ausschließlich auf sich selbst gestellt ist.

Beim Rangieren mit dem RS 52 Zuhause legen Tivadar Menyhart und seine Ehefrau Szilvia Baricza besser selbst Hand an. Bei laufendem Motor würden sich die Nachbarn bedanken, und einen Rückwärtsgang hat der Bolide auch nicht. Bild: Petra Hartl
Beim Rangieren mit dem RS 52 Zuhause legen Tivadar Menyhart und seine Ehefrau Szilvia Baricza besser selbst Hand an. Bei laufendem Motor würden sich die Nachbarn bedanken, und einen Rückwärtsgang hat der Bolide auch nicht.

Einen Sponsor hat der Amateurfahrer nicht. Der technische Aufwand muss deshalb so gering wie möglich gehalten werden. Doch der Ingenieur mit einem ausgeprägten Hang zum Tüfteln weiß sich zu helfen, mehr als 1500 Euro gibt er pro Saison nicht aus. Die auf die jeweilige Strecke abzustimmende Fahrwerksgeometrie müsse nicht zwangsweise auf einem Lasermessstand eingestellt werden, sagt er lapidar. Das gehe auch mit Hilfe eines Fadengerüsts und vier Personenwaagen. Ebenso könne er auf eine aufwändige Telemetrie auf der Strecke verzichten, indem er sie durch eine handelsübliche Action-Kamera ersetze und die Aufnahmen akribisch auswerte. So bereite er sich auf seine Rennen vor.

Ein Motorrad-Motor

Der RS 52 R 1 Evolutionsstufe III, so die korrekte Bezeichnung, ist neben seinem fahrerischen Können natürlich das Erfolgsrezept von Menyhart. Von der ursprünglichen Entwicklung RS 05 unterscheidet sich die jetzige Rennversion in zwei wesentlichen Punkten: dem Motor und einem selbst entwickelten, auf das Fahrwerk abgestimmten Spoiler-Konzept. Angetrieben wird der Bolide jetzt mit einem im Internet ersteigerten gebrauchten Yamaha-Motorrad-Motor mit vier Zylindern in Reihe und knapp einem Liter Hubraum. "Innendrin habe ich nichts geändert", erzählt Menyhart über sein Tuning. Er habe sich auf die Luftzufuhr konzentriert.

Der Wagen verfügt über ein Sechs-Gang-Schaltgetriebe, beim vierten ist im Rennen Schluss. Kein Wunder, ein Wertungslauf dauert kaum länger als 70 Sekunden. Ein Rennen besteht aus drei Durchgängen, die beiden schnellsten werden gezählt. Diesem Prozedere stellt sich Menyhart zum Saisonabschluss am Sonntag, 8. September, beim 31. Flugplatz-Super-Slalom des Motorsportclubs Sophienthal auf dem Verkehrslandeplatz Bayreuth-Bindlach. Die Strecke ist 1550 Meter lang. So gerechnet ist bei drei Durchgängen der Wernberg-Köblitzer Amateur-Rennsportler nur noch 4650 Meter von seinem vierten DM-Titel entfernt.

Info:

Patent angemeldet

In seiner Freizeit schlägt sein Herz für den Motorsport, beruflich arbeitet er als Ingenieur in der Motorenentwicklung. Der Dieselskandal hat die Branche allerdings in Verruf gebracht. Als „frustrierend“ empfand Tivadar Menyhart die seiner Meinung nach vorschnelle und nahezu ausschließliche Festlegung auf die E-Mobilität als künftige Alternative für den Individualverkehr.

Als entscheidende Schwachstelle macht er wegen des Gewichts und der Ladezeiten die Batterien aus. Daran werde sich wegen der physikalisch-chemischen Gegebenheiten grundsätzlich wenig ändern, ist sich der Ingenieur sicher und verweist auf die Grenzen der theoretisch möglichen Energiedichte von Akkumulatoren. Menyhart setzte sich in seiner Freizeit hin und genau an diesem Punkt an. Er entschied sich für kaltverflüssigte Luft als Energiedepot, sprich Treibstoff. Carl von Linde entwickelte 1895 das Verfahren zur Verflüssigung von Gasen.

Phänomenologisch besteht es in der Änderung des Aggregatszustands von gasförmig (Umgebungstemperatur) in flüssig (extrem kalt). Diesem Prozess ist die physikalische Gesetzmäßigkeit gegeben, vom flüssigen wieder in den gasförmigen Urzustand zurückkehren zu wollen. Das geschieht, ohne technisch einzugreifen, explosionsartig unter einer enormen Volumenzunahme. Menyhart beziffert das Expansionsverhältnis auf 1 zu 700. Aus einem Kubikzentimeter verflüssigter Luft werden schlagartig also 700 Kubikzentimeter Atemluft.

Diese Kraft möchte der Ingenieur in Bewegungsenergie umsetzen. Damit rückt er mechanisch in die Nähe eines Verbrennungsmotors, Menyhart spricht aber lieber von Verbrennungskraftmaschinen. Seine Berechnungen haben ergeben, dass ein herkömmlicher Kolbenmotor für seinen Ansatz nicht geeignet ist. Er schlägt deshalb eine Turbine vor.

In seinem Kopf und auf dem Papier funktioniert Menyharts Idee und sie trägt den umweltschützerischen Charme der Emissionslosigkeit des Fahrzeugs in sich. Der Ingenieur hat diese Gedanken zu Papier gebracht und eine Patentschrift eingereicht. „Das kann Jahre dauern“, ist er nun zu Geduld verurteilt. Derweil rechnet er lieber aus, wie viel Liter verflüssigte Luft ein Mittelklasse-Pkw auf 100 Kilometer verbrauchen würde. Er kommt auf 31 Liter, gewonnen aus Atemluft.

 
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