Amberg
08.04.2019 - 11:39 Uhr

Europawahl: Keine klaren Mehrheiten mehr

Markus Ehm, der Leiter des Europa-Büros der Hanns-Seidel-Stiftung, referiert in der Lüdecke-Akademie über Veränderungen, die sich durch die Europa-Wahl ergeben könnten. Die Kernaussage: Es wird schwieriger, Mehrheiten zu bilden.

In den Institutionen der EU wird es künftig schwieriger, Mehrheiten zu finden, sagt Markus Ehm. Der Sulzbach-Rosenberger ist Leiter des Brüsseler Europa-Büros der Hanns-Seidel-Stiftung. Bild: Petra Hartl
In den Institutionen der EU wird es künftig schwieriger, Mehrheiten zu finden, sagt Markus Ehm. Der Sulzbach-Rosenberger ist Leiter des Brüsseler Europa-Büros der Hanns-Seidel-Stiftung.

Für einen Vortrag über die Veränderungen in der Europäischen Union nach den Europawahlen war der Sulzbach-Rosenberger auf Einladung der Wirtschaftsjunioren Amberg-Sulzbach zur Firma Lüdecke gekommen. Dort sagte er: "Wenn es in der Vergangenheit auf die Europawahl zuging, dann gab es einen Spruch: Hast du einen Opa, schick' ihn nach Europa." Zu glauben, die Wahlen seien von keiner großen Bedeutung, ist ihm zufolge ein fundamentaler Irrtum.

"Wir haben schon oft gehört, dass jemand im Bundestag behauptet hat, Brüssel habe eine Entscheidung gefällt, und die deutsche Politik hätte darauf keinen Einfluss gehabt. Das kann überhaupt nicht sein." Denn: Der Rat der Europäischen Union, auch Ministerrat genannt, übe mit dem Europäischen Parlament die Rechtsetzung der EU aus. Das heißt: Dieser Rat repräsentiert die einzelnen Mitgliedsstaaten, weil er sich aus den einzelnen Staatsministern dieser Länder zusammensetzt. Neben Parlament und dem Rat gibt es noch eine weitere Institution, die Kommission. "Um einschätzen zu können, wie es in Europa nach der Wahl aussehen wird, müssen wir die Situation dort kennen", sagte Ehm. Demnach gib es in der EU fünf Spitzenämter zu besetzen: Den Hohen Vertreter für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie jeweils den Präsidenten des Europäischen Rats, der Kommission, des Parlaments und der Europäischen Zentralbank. "Die Positionen werden aufgrund der Ergebnisse verteilt." Und: "Vor fünf Jahren war das einfach. Es gab klare Mehrheitsverhältnisse, die Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten (SPE) und Christ-Sozialen (EVP), Martin Schulz und Jean-Claude Juncker, haben sich gut verstanden." Zudem habe die Wahl klare Mehrheitsverhältnisse schaffen können. Nun sehe es so aus, als würde es diesmal nicht für eine schwarz-rote Mehrheit reichen. Das wird Ehm zufolge Konsequenzen haben: "Wir müssen uns darauf einstellen, dass es nach der Wahl zu einer Art zweiten Wahlkampf kommen wird. Dabei wird es um die Mehrheitsbildung gehen und um die Ämterverteilung." Selbst wenn sich die Liberale ALDE-Partei für eine Zusammenarbeit gewinnen ließe, sei die Lage noch nicht komfortabel.

Der Grund: "In der EU herrscht keine so strikte Fraktionsdisziplin, wie es auf deutscher Nationalstaatsebene üblich ist." Schließlich gebe es einige Schlüsselfaktoren, die die Zeit nach der Wahl bestimmen: "Es wir darauf ankommen, ob die Spitzenkandidaten, Manfred Weber von der EVP und Frans Timmermans von der SPE zusammenfinden und dann von ihren Fraktionen bestätigt werden." Zudem werde es für die Parteien wichtig sein, ihre Koalitionspartner zu kennen, damit sie ein Übergewicht in die Waagschale werfen können. Ehm ist sich sicher: "Die Sozialdemokraten werden schwere Einbußen hinnehmen müssen." Besonders Italiens Lega-Nord werde zulegen.

Ehms Fazit lautete daher: "Wir werden es mit einer Zersplitterung der Mehrheitsverhältnisse zu tun haben. Folglich wird es auch so sein, dass es schwieriger wird und teils auch länger dauern wird, die Ämter in der EU überhaupt zu besetzen."

 
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