Amberg
18.11.2018 - 15:12 Uhr

Fachkräftemangel: Aquise in Trikala

Offene Stellen, die nicht besetzt werden können, weil es keine Bewerber gibt: Willkommen Fachkräftemangel. Im Jahr 2030 werden zwölf Prozent weniger Menschen in der Oberpfalz im Erwerbsleben stehen, so die Hochrechnungen.

Symbolbild: Industriemechaniker sorgen dafür, dass Maschinen laufen, wie sie sollten. Bild: Wolfgang Thieme/dpa
Symbolbild: Industriemechaniker sorgen dafür, dass Maschinen laufen, wie sie sollten.

Für die Gewerbebau ist das Grund, zu handeln. Zum Beispiel in Trikala, der griechischen Partnerstadt von Amberg. Geschäftsführer Karlheinz Brandelik und Wirtschaftsförderer Christoph Fuchs über ein Projekt, das sich „Fachkräfte aus Trikala“ nennt und derzeit noch in den Kinderschuhen steckt.

ONETZ: Sind Fachkräfte aus Trikala nötig?

Brandelik: An allen Ecken und Enden gehen uns die Fachkräfte aus. Das liegt natürlich an dem Boom, den die Wirtschaft erlebt, und das führt zu Verzerrungen. Wer einen Handwerker braucht, bekommt keinen. Viele werden von der Industrie abgesaugt, weil auch dort die Leute fehlen. In allen Sparten, vom Rechtsanwalt bis zum Elektriker, herrscht Fachkräftemangel. Jetzt müssen wir uns neue Systeme überlegen, wie wir dem entgegen wirken können. Und warum nicht auch mal den europäischen Gedanken mit Leben erfüllen?

ONETZ: Richtet sich der Aufruf an junge Leute, die eine Ausbildung suchen?

Brandelik: Der Aufruf richtet sich an junge Leute und Fachkräfte. Alle, die arbeitssuchend sind.

ONETZ: Woher kam der Anstoß für dieses Projekt?

Brandelik: Der Gedanke entstand weniger aus der Wirtschaft, als aus der Politik.
Fuchs: Mitinitiator ist als gleichwertiger Partner die Arbeitsagentur, die im Raum Schwandorf ein europäisches Projekt angestoßen hat. OB Michael Cerny hat bei uns Wirtschaftsförderern angefragt, ob wir uns in der Lage sehen, so etwas in Amberg umzusetzen. Es gibt ähnliche EU-geförderte Sonderprogramme. Für unser Projekt stehen wir jetzt in Kontakt mit einem Bildungsträger, der WBS-Training in Amberg, der einen großen Erfahrungsschatz hat im Anwerben ausländischer Fachkräfte.

ONETZ: Was machen sie konkret?

Fuchs: Schulungen für Unternehmen, Qualifizierungsmaßnahmen, sie sind aber auch im Bereich Arbeitskräfte-Migration unterwegs. Sie haben schon Projekte in Spanien, Italien und Griechenland gemacht. Da sie hier im Gebäude ihren Sitz in Amberg haben, war der Weg relativ kurz. Die ursprüngliche Initiative kam vom Oberbürgermeister. Wir haben die Rahmenbedingungen gecheckt, ob es möglich ist.

ONETZ: Und?

Fuchs: Jetzt sind wir an dem Punkt, an dem wir unseren Bedarf abgleichen mit dem Angebot, das es in Griechenland gibt.

ONETZ: Wo gibt es bei uns Bedarf?

Fuchs: Der ist natürlich da, wo wir besonders stark sind: Das ist Maschinenbau, Metallbau, Anlagenführer, Zerspanungstechnik, Schweißer, Elektriker, Schlosser, aber auch im Dienstleistungs- oder Hotel- und Gaststättengewerbe, Friseur, Pflegeberufe. Wir werden am 9. Dezember eine Delegationsreise nach Griechenland antreten, um die Stadt Trikala davon zu überzeugen, dass es ein positives Projekt für alle Beteiligten ist.

ONETZ: Müssen Sie in Trikala Überzeugungsarbeit leisten?

Fuchs: Die Arbeitsverwaltung in Griechenland verweigert sich komplett. Sie fürchten einen Brain-Train, sie wollen nicht, dass ausgebildete Fachkräfte im Job in andere europäische Länder weggeholt werden. Da muss ich aber auch ganz klar sagen: Das ist nicht unser Ziel. Wir wollen nur Leute, die man im Arbeitsmarkt hier integrieren kann, die aber in Griechenland keine Arbeit haben.
Brandelik: Die eher negative Einstellung der Arbeitsagentur in Griechenland schlägt sich nicht so ganz in der Meinung der Akteure vor Ort in Trikala nieder. Die lokalen Akteure stehen dem Projekt aufgeschlossen gegenüber. Nur aus diesem Grund gibt es die Konzeption und den Besuch. Es wird sich an einem Tisch darüber unterhalten, wie man es praktisch angehen könnte. Die grundsätzliche Befürwortung eines Austausches ist da. Sonst wären wir gar nicht an dieser Stelle.

ONETZ: Was können Sie Interessenten aus Griechenland versprechen?

Fuchs: Die Leute bekommen einen sicheren Arbeitsplatz. Sie lassen sich nicht auf ein unwägbares Abenteuer ein.

ONETZ: Das würden Sie garantieren?

Fuchs: Wir würden die Menschen nur nach Deutschland mit einem fest unterschriebenem Arbeitsvertrag holen.

ONETZ: Unbefristet?

Fuchs: Das sollten unbefristete Arbeitsverträge werden. Probezeit ist natürlich klar.
Brandelik: Wir wollen keinen kurzfristigen Bedarf decken. Das Projekt ist auf lange Frist ausgelegt. Eine Garantie, ob das dann auch funktioniert, hat natürlich auch viel mit der sozialen Einbindung der Leute vor Ort zu tun. Ob es gelingt, jemanden umzuwurzeln, hat natürlich auch mit dem Einzelnen zu tun.

ONETZ: Müssen die Griechen schon Deutsch sprechen können?

Fuchs: Natürlich müssen sie einen Deutschkurs in Griechenland durchlaufen. Das wird vor Ort über Bildungsträger abgewickelt. Dann kommen die Bewerbungsgespräche. Entweder fliegt man die Bewerber ein oder man macht es über Videokonferenzen. Bei ausgebildeten Fachkräften ist es nicht zwingend notwendig in Deutschland einen Sprachkurs draufzusetzen, aber wir halten das für sehr, sehr wichtig. Über die Sprache werden die Leute integriert, sie ist der Schlüssel zu allem. Hier muss man vielleicht die Firmen überzeugen, noch mehr in Leistung zu gehen. Man kann nicht alles den Kandidaten aufbürden, der sich ja eine neue Existenz schaffen muss.

ONETZ: Wer bezahlt die Vorleistungen für geeignete Kandidaten?

Fuchs: Das können nur die Unternehmen sein. Es ist ein stattlicher Betrag, auf der anderen Seite kostet ein Bewerbungsverfahren mit Zeitungsannoncen etc. auch Geld. Hinzu kommt der Betrag, den man verliert, weil man Aufträge ausschlagen muss, weil man keine Leute hat. Es rechnet sich auf der anderen Seite wieder.

ONETZ: Gibt es Erhebungen darüber?

Fuchs: Es gibt eine Statistik, dass bis 2022 der Oberpfalz 5,4 Milliarden Euro aufgrund von Fachkräftemangel entgehen. Der Betrag kann nicht erwirtschaftet werden, weil das Personal fehlt.
Brandelik: Wir haben mittlerweile eine extreme Sondersituation. Und der versuchen wir mit Sonderwegen zu begegnen. Die herkömmlichen Maßnahmen greifen nicht mehr.

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.