Bei den Seidls in Kleinraigering fühlt man sich sofort wohl. Georg und Theresia Seidl haben Humor, strahlen Warmherzigkeit aus. Und eine große Zufriedenheit. Das Paar geht vom Wohnzimmer in die Küche. Der Kaffee läuft durch die Maschine, der Tisch ist gedeckt, zwei Kuchen stehen in der Mitte der Tafel. Gleich wird der Bürgermeister kommen, um den Eheleuten zu diesem besonderen Hochzeitstag zu gratulieren. 70 Jahre verheiratet zu sein, nennt man Gnadenhochzeit. Vielleicht, weil es eine Gnade ist, so lange gemeinsam durchs Leben zu gehen. Und weil es eine Gnade ist, dass zwei Menschen überhaupt so alt werden, um so lange miteinander verheiratet sein zu können. Die Seidls wissen diese Gnade zu schätzen.
Durchs Haus wuselt ein Hund. Das ist Barney, ein Malteser. "Seit sieben Jahren ist er bei uns in Pflege", sagt Theresia Seidl. Der schneeweiße Vierbeiner gehört eigentlich der Enkelin, sie bringt ihn frühmorgens zu den Großeltern und holt ihn abends wieder ab. Aber wehe, Barney ist einmal einen Tag nicht hier. "Dann fehlt ihnen was", sagt Heidemarie, die jüngste Tochter der Seidls, die in Neudrossenfeld lebt und mit ihrem Mann zum 70. Hochzeitstag der Eltern nach Amberg gekommen ist.
Freude über die Geschenke
Bepackt mit Geschenken kommt Bürgermeister Martin Preuß. Die Seidls freuen sich über den Besuch, sind ganz gerührt, als Preuß ihnen das Glückwunschschreiben des bayerischen Ministerpräsidenten vorliest. Markus Söder schreibt, dass sie viele schöne, gemeinsame und erfüllte Jahre miteinander verbracht hätten. Die Eheleute nicken, Georg Seidl legt einen Arm um seine Frau. Über das Porzellanbecher-Set mit bayerischem Wappen, das Söder mitgeschickt hat, freut sich das Paar genauso wie über das Kaffee- und Tee-Set mit Ambergs Wappen, das Preuß als Geschenk der Stadt überreicht. Heuer waren die Seidls schon mal reich beschenkt worden. Sie feierten nämlich ihre 90. Geburtstage - nur vier Tage sind sie auseinander. "Ich habe am 30. April Geburtstag, meine Frau am 4. Mai."
Kennengelernt hatten sie sich, weil Georg Seidls Vater Tauben züchtete und Theresia Seidls Vater, ebenfalls ein Taubenzüchter, zu dessen Bauernhof in Kleinraigering ging und seine Tochter ihn begleitete. Da waren die beiden Menschen, die heute 70 Jahre verheiratet sind, 17 Jahre alt. Die 90-Jährige erinnert sich, wie sie damals im Hof der Seidls stand, der Sohn des Hauses herauskam und sie in die Laube bat, um miteinander zu plaudern. "Er hat mir gleich gefallen", sagt die Frau. Und sie ihm? "Ah ja, sie war ja a schön's Mädl." Wie es mit ihnen weiterging, hatten sie schon im Mai erzählt, als OB Michael Cerny ihnen zum Doppel-Geburtstag gratulierte. Demnach war der damals 17-Jährige wohl ein bisserl zu forsch, weshalb seine spätere Ehefrau zum ersten Date nicht erschien. Zufällig trafen sich die beiden einige Wochen später im Stadttheater wieder. Als sie 20 waren, heirateten sie.
Ein Patentrezept für eine 70-jährige Ehe hat das Paar nicht. Wenn schon Tipps, dann vielleicht diesen: "Man muss mal was akzeptieren können, aber auch sagen, wenn einem was nicht passt", so der Jubilar. Und seine Frau fügt an, dass man auch verzeihen müsse. Zum Beispiel in Situationen wie dieser: Als die jüngste Tochter geboren wurde, wollte Theresia Seidl, dass das Mädchen Michaela heißt. Ihr Mann allerdings entschied sich, als er das Neugeborene standesamtlich anmeldete, für Heidemarie. Und heute findet Theresia Seidl, dass dieser Name schöner sei als Michaela. "Wir haben Glück gehabt mit allem", sagt Theresia Seidl. Dazu zählen die Jubilare ihre fünf Kinder, die zwölf Enkel und die inzwischen zwölf Urenkel. Die Eheleute freuen sich, dass ihr Sohn Bernhard, dem inzwischen das Haus gehört, sich um sie kümmert. In der Küche riecht es unwiderstehlich gut nach Braten. Tochter Heidemarie hat gekocht: Kalbsbraten mit Steinpilzen und Semmelknödeln. Im Laufe des Tages wird noch der eine oder andere Gratulant eintrudeln. Theresia Seidls jüngere Schwester wird zum Mittagessen erwartet. Und Georg Seidls Schwester, die in der Nachbarschaft wohnt, will vorbei schauen.
Ein erfülltes Leben
Ein großes Fest wie zum doppelten 90. im Frühjahr mit allen Kindern, Enkeln und Urenkeln wird es nicht geben. Gefeiert wird am Samstag mit den Kindern und Schwiegerkindern. Das Ehepaar möchte auch eine Messe lesen lassen, oben auf dem Mariahilfberg. "Da haben wir geheiratet." Die Eheleute finden, dass sie ein erfülltes Leben haben. "Ich hoffe, dass wir noch ein paar Jahre haben", wünscht sich Theresa Seidl, "und dass es gesundheitlich noch einigermaßen geht."
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