Amberg
27.05.2019 - 17:46 Uhr

Gropius-Zeitzeugen: Mit Geldkoffer zu Dalí nach Barcelona

Dali, Gropius & Co: Während ihrer Zeit bei der Rosenthal AG erlebten Dietrich Müller und Eugen Gomringer nicht nur berühmte Künstler, sondern auch den Menschen, Philip Rosenthal, hautnah. Ihre Erfahrungsberichte gab es nun aus erster Hand.

Zeitzeugengespräch im Stadmuseum: Dietrich Müller (ehemaliger Vorstandssprecher; Zweiter von links) und Eugen Gomringer (ehemaliger Kulturbeauftragter; Dritter von links) erzählen von ihrer Zeit bei der Firma Rosenthal. Bild: kmo
Zeitzeugengespräch im Stadmuseum: Dietrich Müller (ehemaliger Vorstandssprecher; Zweiter von links) und Eugen Gomringer (ehemaliger Kulturbeauftragter; Dritter von links) erzählen von ihrer Zeit bei der Firma Rosenthal.

Wenn Dietrich Müller und Eugen Gomringer mit Kulturreferent Wolfgang Dersch durch die Sonderausstellung "Gropius, Bauhaus und Rosenthal" im Stadtmuseum schlendern, kann es sein, dass es schon mal etwas länger dauert. Schließlich haben der ehemalige Vorstandssprecher und der ehemalige Kulturbeauftragte der Firma Rosenthal zu vielen Ausstellungsstücken ganz persönliche Geschichten zu erzählen. Das Zeitzeugengespräch war als Beitrag des Jubiläumsprogramms in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Hochfranken Selb entstanden.

Trotz Kaufhaus-Akustik freute sich Kulturreferent Wolfgang Dersch, der durch das Gespräch führte, über das zahlreiche Erscheinen der Kulturinteressierten. Auch Peter Geiger, dessen Artikel einst zur Zusammenarbeit von Amberg und Selb im Bauhaus-Jahr geführt hatte, freute sich über das rege Interesse und stellte den Gästen seine Fragen.

Gropius in Ulm getroffen

Der 94-jährige Eugen Gomringer nahm das Publikum mit auf seinen Lebensweg. Aufgewachsen in Bolivien, ging er bald in die Schweiz, aus der sein Vater stammte. In den 50er-Jahren war der "Erfinder der konkreten Poesie" als Sekretär von Max Bill an der Hochschule für Gestaltung in Ulm tätig, wo er auch Walter Gropius kennenlernte. 1967 begann er seine Tätigkeit als Kulturbeauftragter bei Rosenthal: "Der Begriff wurde für mich quasi neu erfunden. Niemand wusste, wie man das nennt, was ich bei der Firma machen sollte."

Heute könnte man seinen Beruf als Netzwerker bezeichnen, denn er sollte für Rosenthal mehr als 100 Künstler zur Zusammenarbeit anregen. Seine Tätigkeit lag nicht zuletzt zwischen der, wie es Peter Geiger nannte, "Knappheit der Mittel und der Schönheit der Dinge".

Wie es um die Finanzierung der Kunst bei Rosenthal stand, wusste Dietrich Müller. Der ehemalige Leiter der Produktentwicklung und spätere Vorstandssprecher erzählte: "Geld stand natürlich nie im gewünschten Maße zur Verfügung. Viele große Künstler haben wir nicht mit Geld, sondern mit Charme zu uns geholt." Die Ausstellung in Amberg lobte Müller in den höchsten Tönen: "Ich bin wirklich begeistert. Rosenthal kann man nicht besser sehen in nächster Zeit. Ich erzähle das auch all meinen Freunden und Bekannten und schicke sie nach Amberg."

Weiter aus dem Nähkästchen plauderte dann Gomringer. Unter anderem darüber, wie er mit einem Koffer voller Geld nach Barcelona gereist war, um eine seiner schwierigsten Aufgaben zu bewältigen: Salvador Dalí für Rosenthal gewinnen. Eins hatte er aber nie geschafft: "Bring' uns den Picasso!" Dafür klappte es aber mit einem anderen großen Künstler: Walter Gropius. Aber wie kam es nun zur Zusammenarbeit?

Der Papst und die Tochter

Der Chef selbst sei zunächst skeptisch gewesen: "Da könnte ich auch den Papst fragen, ob er meine Tochter taufen will", entgegnete er auf den Vorschlag von Josef Müller-Brockmann, ehemaliger Bauhaus-Schüler und Gestalter bei Rosenthal in Selb. Aber nicht zuletzt durch Gomringers Beziehungen kam es dann doch zur geschichtsträchtigen Kooperation Gropius/Rosenthal. Dietrich Müller über die entscheidende Begegnung: "Wir hatten Gropius durch die Fabrik in Selb geführt. Er stellte dann eine Flasche Wein zwischen uns auf den Tisch und fragte mich, was man beim Entwerfen eines Geschirrs beachten muss."

Mit Humor und Charme wurden auch kritische Themen angesprochen. Darunter die katastrophalen Zustände der Fabriken nach dem Krieg: "Eigentlich schade, dass keine Bomben reingefallen sind", sagte ein Zeitzeuge mit einem Schmunzeln. Aber auch Philipp Rosenthals Engagement in der Politik oder die schwere Zeit für ihn und seine Familie während des Antisemitismus kamen zur Sprache. "Es war nicht immer leicht und lustig mit ihm, doch seine unternehmerische Grundhaltung war bewundernswert", resümierte der 88-jährige Dietrich Müller und sagte: "Gropius war ihm sehr ähnlich." Auch die Amberger Glaskathedrale war eine dieser unternehmerischen Ausnahmeentscheidungen, erklärte Müller: "Damals hätte kaum ein Unternehmer den Mut für so einen kostenintensiven Bau gehabt." Kulturreferent Dersch belegte dies mit einer Original-Korrespondenz zwischen Müller und Rosenthal.

Leben geprägt

Für Gomringer kam, trotz der bewegten Vergangenheit, eines nie infrage: Rosenthal zu einer seiner Romanfiguren zu machen. "Es hat mich schon gereizt. Aber ich glaube, das wäre zu schwierig", sagte der 94-Jährige und lächelte als Antwort auf die Frage von Geiger. Eugen Gomringer beendete das Gespräch mit diesen Worten: "Rosenthal war definitiv einer der wichtigsten Menschen, die mein Leben geprägt haben."

Eugen Gomringer (links) erzählte im Gespräch mit Journalist Peter Geiger von seinen Erfahrungen als Kulturbeauftragter bei der Firma Rosenthal. Bild: kmo
Eugen Gomringer (links) erzählte im Gespräch mit Journalist Peter Geiger von seinen Erfahrungen als Kulturbeauftragter bei der Firma Rosenthal.
Auch Dietrich Müller (rechts), ehemaliger Vorstandssprecher bei der Rosenthal AG, plauderte mit Kulturreferent Wolfgang Dersch aus dem Nähkästchen. Bild: kmo
Auch Dietrich Müller (rechts), ehemaliger Vorstandssprecher bei der Rosenthal AG, plauderte mit Kulturreferent Wolfgang Dersch aus dem Nähkästchen.
Das Zeitzeugengespräch im Stadtmuseum war gut besucht. Bild: kmo
Das Zeitzeugengespräch im Stadtmuseum war gut besucht.
Zeitzeugengespräch im Stadmuseum: Dietrich Müller (ehemaliger Vorstandssprecher; Zweiter von links) und Eugen Gomringer (ehemaliger Kulturbeauftragter; Dritter von links) erzählen von ihrer Zeit bei der Firma Rosenthal. Bild: kmo
Zeitzeugengespräch im Stadmuseum: Dietrich Müller (ehemaliger Vorstandssprecher; Zweiter von links) und Eugen Gomringer (ehemaliger Kulturbeauftragter; Dritter von links) erzählen von ihrer Zeit bei der Firma Rosenthal.
 
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