Brav und gelehrig folgte der voll besetzte Saal dem pädagogischen "Nachschlag! Eh ich es vergesse" des seit fünf Jahren pensionierten oberbayrischen Musiklehrers. Dem fast 70-Jährigen und seinen Déjà-vu-Erlebnissen nahm man die "Segnungen des Alters" in seinem mittlerweile vierten Programm gerne ab.
Da konkurrierten Vergesslichkeit, Hunger, Kurzzeitgedächtnis, Blasenschwäche, Blutdrucktabletten und Brillensuchen mit dem positiver konnotierten Weinholen aus dem Keller. Der Wein gewann natürlich, da Multitasking nur bei Frauen funktioniere. Reden und Gehen oder Duschen und Singen gehe bei ihm eben nicht gemeinsam. Mit Klaffl tauchte man in eine "schwere Kindheit auf dem Land" ein. Bei "sträflich vernachlässigter Sicherheit in einer Prêt-à-porter-Dorflederhose" wurde ihm damals Lebertran für zehn Pfennig pro Löffel eingeflößt. Konsequent mutmaßte er, dass die neue Naturschutz-Welle im Geheimen wohl nur ein Versuch sei, Wale zu retten, um alte Lebertran-Traumata zu überwinden.
Aber selbst aus jener Zeit, als es noch "begehbare gelbe Handys" gab und die Rotzglocke die einzige Süßigkeit war, weiß er um schlimme Intoleranzen. Jene Fremdenfeindlichkeit gegenüber den heimatvertriebenen "Pfflüchtlingen" oder den Evangelischen habe nur "die Farbe gewechselt". Die Inhalte wurden nur ausgetauscht. Schon damals bestand Integration darin, dass die Ankommenden sich anzupassen hatten. Waren Lehrer einst noch "gebenedeite Respektspersonen" oder einfach nur "Arschlöcher", so sei mittlerweile der Anwalt der "natürliche Feind der Pädagogen". Diese und die Wirtschaft forderten "Abi für alle" in einer Schule, die sich den Erwartungen der Eltern und Kinder anzupassen habe.
"Heiliger Zorn" steige in ihm noch immer auf, wenn er an seinen sadistischen Religionslehrer denke, der es offensichtlich liebte, seine Schüler zu "schmalzfedern". Doch hätten sich haptische Erziehungsmethoden bis in die Oberstufe gehalten, in der er aber wegen seiner Schulstrafen - primär für freche Bemerkungen - im Rückschluss als hochbegabt galt. Mittlerweile sehe er aber eine "palliative Pädagogik" im "Gymnasium des langsamen Lernens". Mit einer bis zu 15-jährigen Reifezeit hin zum "Barrique-Abitur" stelle er fest, dass "das Niveau anderswo" sei. Wenn dann Akademiker unter der Brücke philosophierten und diejenigen, die nur einen Bachelor haben, zum Brotzeitholen und Abspülen taugen, habe man wohl bei der von der Wirtschaft geforderten Verdreifachung der Abiturienten um den Preis eines ständig fallenden Anspruchs was übersehen.
Mit Bonmots aus Zeitungen und seinen Wechseln vom E-Piano zum Kontrabass unterhielt Klaffl seine "Schüler aller Altersstufen" bestens. Gemeinsam endete der Abend mit dem Stimmungsaufheller "Dodadiadada" in südlicher Kultursprache.
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