Amberg
20.02.2019 - 16:41 Uhr

Ist Humanismus in Gefahr? Vortrag gibt Antworten

"Wie dem Bösen richtig begegnen?", wollte Siegfried Kratzer, der Vorsitzende des Evangelischen Bildungswerks, wissen.

Siegfried Kratzer, Vorsitzender des Evangelischen Bildungswerks. Bild: mma
Siegfried Kratzer, Vorsitzender des Evangelischen Bildungswerks.

Zur Vortragsreihe "Humanismus in Gefahr?" waren mehr als 20 interessierte Teilnehmer in das Sozialpsychiatrische Zentrum (SPZ) in der Paulanergasse gekommen, um engagiert über eine Stunde lang nach dem Referat noch zu diskutierten.

In seiner Begrüßung betonte Karl Kirch, dass wohl "jeder Mensch sowohl Täter wie auch Opfer" sei. Er fügte hinzu: "Das diabolische Problem sind wir selbst, schon immer." Siegfried Kratzer zeigte ebenfalls die Ambivalenz des Bösen auf und meinte, dass man gerne das brandmarke, was Angst mache, was fremd sei.

An Erscheinungsformen des Bösen konnte er viel Bekanntes aufzählen, von den 60 bis 65 Millionen, die der Zweite Weltkrieg gekostet habe, bis hin zu den sechs Toten pro Tag derzeit im Mittelmeer. Auch die Ausbeutung der Natur zählte er dazu und manch scheinbar unerklärlich Böses.

Das Gute werde oft als "das Erstrebenswerte" und das Böse als "das zu Meidende, zu Fliehende" definiert. Als Ursprung des Bösen sah er die eigentlich lebensnotwendige Angst. Aus ihr wachse ein Mangel an Urvertrauen, Gier und Egoismus. Im Kampf des Menschen gegen das Böse werde der Mensch aber dabei oft "selbst zum Teufel". Doch nähme man dem Menschen jene Entscheidungsfreiheit, würde man, wie Dostojewski im Großinquisitor aufzeigte, ansonsten in einem "Glückseligkeits-Zuchthaus" landen.

Die "Banalität des Bösen" mit all den Alltagsängsten sei oft gar nicht bewusst, so Kratzer, und sie verstecke sich nicht selten hinter Systemen, die unmoralisches Handeln verlangten. Ob ein Teufel real existiere sei wohl kaum zu klären, fuhr er fort und veranschaulichte dies mit einer Erklärung für Kinder. Da hörte man, dass man vielleicht nur "den Luzifer, den Klügsten aller Engel, falsch verstanden hat", da dieser einfach nur die Entstehung der Welt verhindern wollte. "Aber wenn man alles Böse ausreißen will, richtet man nur Unheil an", resümierte er.

Auch die Psychologie und Philosophie stehen oft vor Unbegreiflichem und verweisen auf "Rückfälle auf infantiles Verhalten" und auf die "Angst vor Kontingenz, vor Nichtigkeit, vor der eigenen Verantwortung in Freiheit". Mit dem Verweis "eigentlich kann man nur religiös angemessen auf das Böse reagieren" wagte Kratzer, hilfreiche Antworten zu geben. Er plädierte für "immer wieder neu vertrauen" und für ein Verstehen, das eine "enorme spirituelle Kraft der Menschlichkeit" freisetze. Im Mit- und Einfühlen, in einem "wahrhaftigen Leben in Begegnung", zitierte er Martin Buber, werde dann dialogisch am "Du" ein neues befreites Verhalten möglich. Dann gehe man wie einst Jesus dem verlorenen Schaf nach, nehme es ohne Vorwürfe auf den Arm, um es wieder zu gewinnen. "Vertrauen wir doch immer wieder neu uns selber und den Menschen", postulierter er am Ende. Dann schaffe man tatsächlich ein Überlieben in Güte und würde damit tatsächlich "dem Bösen richtig begegnen".

 
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