Hinter ihm der Globus, schaut er nach rechts, blickt er auf Lateinamerika: Siegfried Schröpf, Inhaber und Geschäftsführer von Grammer Solar, hat mehr als einen Plan von der Welt. "Für Mittelständler ist es wichtig, sich einerseits zu spezialisieren - nicht jeder kann von der Mittelspannung bis zum Solarpark alles abdecken - und trotzdem offen zu sein für Neues: nicht nur für Innovation, sondern auch für eine andere Sicht auf die Dinge", erzählt der 59-jährige Chef von gut 40 Mitarbeitern in Deutschland - und dreien in Chile.
Eine andere Sicht der Dinge? Der Anbieter von Solaranlagen erzählt von Erfahrungen mit Lateinamerika. "Im Frühjahr 2013 war ich dank einer vom Wirtschaftsministerium organisierten Unternehmerreise zum ersten Mal in Chile. Ich ging gezielt zu Firmen, um mich und unser Können vorzustellen. Viele lächelten - manche Spanier hatten schon nach dem Zusammenbruch des dortigen Marktes versucht, in Chile schnell Fuß zu fassen und sind gescheitert", erinnert er sich an den ersten Kontakt ohne profunde Sprach- und Landeskenntnis. "Von August 2013 bis Juli 2014 war ich dann eigentlich nur als Begleitung meiner Frau in Santiago, die dort an einer Schule unterrichtete - und doch war ich neugierig, und so ergab es sich, dass wir am 2. Januar 2014 unsere Niederlassung gründeten, die bis heute besteht."
Vieles umständlich
Das klingt so leicht, aber welche Herausforderungen gab es auf dem Weg dorthin? "Auf die Schnelle geht in Chile schon mal gar nichts. Das zeigte sich im Alltag, zum Beispiel beim Anstehen am Skilift: Der moderne Ticketdrucker hatte unseren Pass innerhalb kürzester Zeit ausgedruckt. Trotzdem legte die Dame am Schalter noch eine handschriftliche Liste an, in die sie unsere Daten eintrug. Auch in kleineren Geschäften ist es üblich, dass es für jeden Kauf noch einen handschriftlichen Beleg gibt. Am Abend ist der Geldbeutel voller Boletos, so heißen die Zettelchen, die viel Zeit kosten und viele Menschen beschäftigen", erinnert sich Siegfried Schröpf an mancherlei Geduldsprobe.
Chiles Sicht auf die Zukunft
Was war noch überraschend? "Diese Umständlichkeit plus ein allgemeines Misstrauen gegenüber Institutionen, gegenüber langfristigen Plänen und gegenüber der Zukunft generell. Das kannte ich so nicht. Chilenen denken in weitaus kürzeren Zeithorizonten als wir. Im Hinterkopf haben sie immer die Erinnerung an die politischen Umwälzungen, von Allende über den Putsch gegen Allende 1973 und die anschließende Diktatur von Pinochet bis 1990." Und vor allem ist ihnen bewusst, wie unvorhersehbar die Naturgewalten sind: "Jeder stimmt zu, dass die zwei Minuten, die ein Erdbeben dauert, die längsten sind, die man sich vorstellen kann. Sie zerstören von einem Moment auf den anderen alles", beschreibt Schröpf ein Lebensgefühl. "Da lebt man mehr im Jetzt als in der Zukunft."
"Neben diesen eher psychologischen Faktoren unterscheiden sich Deutschland und Chile vor allem strukturell: Ich bin es gewohnt, mit Entscheidungsträgern direkt zu kommunizieren, in Chile gibt es kaum Mittelstand und jeder Ansprechpartner hat einen Chef, mit dem er erst noch Rücksprache halten muss."
Rucksack voll Geld
"Als wir eine Wohnung gefunden hatten, ging es um den Mietvertrag, der dort vor einem Notar geschlossen wird. Und es ging um die Bezahlung der Miete für sechs Monate im Voraus. Doch keine Bank richtet für Ausländer erst mal Konten ein, eine Überweisung aus dem Ausland auf das Konto der Vermieterin oder ein Scheck waren kurzfristig auch nicht möglich. So blieb nur eine Abhebung am Automaten, die aber durch ein tägliches Kartenlimit gedeckelt war. Bis wir eine ,Geheimfunktion' entdeckten: Wenn man den Vorgang nicht beendet und die Karte nicht aus dem Automaten herausholt, kann man deutlich mehr bekommen. Wir erschienen also mit einem Rucksack voller Scheine beim Notar - das sorgte auch für keinen Begeisterungssturm", erinnert sich Schröpf amüsiert an eine absurde Situation.
Mit ähnlichen Problemen sah er sich später im Tagesgeschäft konfrontiert. Doch diese Anfangsschwierigkeiten sind heute überwunden: "In Chile haben wir mittlerweile ein gutes Dutzend größere Photovoltaikanlagen gebaut. Die erste konnten wir in Puerto Montt, gut tausend Kilometer südlich von Santiago, auf einer Schule errichten. Sie deckt den Eigenbedarf ab, Stromüberschüsse werden eingespeist und vergütet. Und auch eine 220 Quadratmeter große solare Trocknungsanlage für Pellets beweist meines Erachtens, dass die erneuerbaren Energien innovatives Potenzial haben."















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