Je länger und je öfter man ins Luftmuseum in Amberg geht (und bald sind es 15 Jahre, dass diese Gelegenheit besteht!), desto interessanter wird die Frage der Kombination und Komposition: Welche Arbeiten Wilhelm Koch – nicht nur der Gründer des Hauses, sondern auch der für alles Künstlerische Zuständige – dieses Mal als Kurator einander gegenüberstellt?
Denn das Luftmuseum hat zwei Etagen. Mit anderen Worten: Die große, drei Räumlichkeiten umfassende Ausstellung im Erdgeschoss, sie kann immer noch getoppt werden von der Handvoll Exponate in der kleinen, kurfürstlichen Kapelle, die sich oben im ersten Stock befindet. Ja, denn das ist vielleicht der eigentliche Reiz des Hauses im Schatten der Martinsbasilika: Welches Mischungsverhältnis das quantitiv Ausgreifende und das qualitativ Pointierte dieses Mal aufzuweisen hat?
Ernsthaftigkeit und Spielerei
Da ist zum einen die gebürtige Römerin Noa Pane, die heute in einem Palazzo ganz in der Nähe der Accademia in Venedig lebt. Von dort aus schickt die bekennende Camping-Van-Fahrerin ihre Kunst unter dem Titel „mobile units“ in die Welt hinaus. Federleicht und erdenschwer zugleich sind die Objekte, mit der die Ottmar-Hörl-Schülerin die Räume zwischen „Fragilem und Mächtigem“ mittels aufgeblasener Ballons (Latex kennt man natürlich, das Material Expandium ist da schon etwas exotischer) vermisst, indem sie deren Drang und Streben, sich auszuweiten, mit Schraubzwingen, Stahlträgern oder Spanngurten zähmt.
Diesen Objekten, die obendrein zutiefst seelenverwandt sind mit der Kunst des oben schon eingeführten Hausherrn, ihnen wohnt die Idee des Spielerischen ebenso inne wie die der Ernsthaftigkeit, etwas, das im Überschwang und Elan nach oben hinauswill. Und das gleichzeitig eingefangen wird und gedrosselt werden muss, von den Kräften des Beharrenden. Diese Balance auszumachen, zwischen dem Leichten und dem Schweren, das ist, wie sie selbst im Gespräch bekennt, Noa Panes Antrieb und Ziel.
Haut und Federn
Auch die Kunst der aus Falkenstein stammenden Barbara Sophie Höcherl, die sie in ihrer „Aves“ (lateinisch für Vögel) überschriebenen Ausstellung zeigt, lebt von der Kraft der Widersprüche. Denn die Naturliebhaberin, die auch schon Seerosenblätter zum Schweben brachte, sie vernäht das, was man den Balg von Vögeln nennt (Haut und Federn also), so geschickt miteinander, dass unter ihren flinken Händen neue, nie zuvor gesehene und gänzlich faszinierende Mischwesen entstehen. Das können beispielsweise Reste eines Helmperlhuhns sein, die mit Anteilen eines Fasans und einer Schopfwachtel zu einer wahrhaft fantastischen Skulptur erwachsen, die die Schönheit ihrer Federkleider feiert.
Bevor Barbara Sophie Höcherl ihren Abschluss an der Westböhmischen Universität Pilsen erwarb, hat sie Staudengärtnerin gelernt. Später dann, um das notwendige Wissen im Umgang mit Tierkörpern zu erwerben, absolvierte sie bei einem Präparator einen Lehrgang. Die leblosen Körper müssen entfettet und in Lösemitteln gewaschen werden, um so gegen Mottenbefall gefeit zu sein.
Totes Material
Dass die Künstlerin, die sich als Bildhauerin begreift, dabei mit totem Material arbeiten muss, stellt für sie weder etwas Problematisches noch Grausames dar. Trotzdem räumt sie ein, dass auch der Arbeitsprozess auch von Abscheu und von Ekel begleitet wird. Und auch der Schmerz um die Vergänglichkeit des lebendig Schönen, ist ein ständiger Begleiter bei diesem demiurgischen Schaffen. Gleichzeitig aber gelingt es Barbara Sophie Höcherl, ein transformiertes Abbild zu schaffen, das mehr zu leisten vermag als bloßes „Bewahren“. Und dass sie im Obergeschoss des Luftmuseums, in einem sakralen Raum, ausstellen darf, das begreift sie als Ehre. Weil damit diesen Hüllen wieder jene Würde zuwachsen kann, die der Tod ihnen genommen hatte.
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