Amberg
02.05.2019 - 15:14 Uhr

Minister Bernd Sibler lässt mit sich reden

Ist das überhaupt Wahlkampf? Der Minister setzt sich mit lokalen Akteuren aus seinem Zuständigkeitsbereich an den Tisch und lässt die über ihre Anliegen reden. So praktiziert von der CSU mit Bernd Sibler im ACC. Wohl nicht zum letzten Mal.

Bernd Sibler (rechts), bayerischer Minister für Wissenschaft und Kunst, im Gespräch mit dem Tisch „Hochschule“. Der stellvertretende Amberger CSU-Vorsitzende Matthias Schöberl neben ihm schreibt fürs Protokoll mit. Zusammen mit Sibler drehten auch OB Michael Cerny und Landtagsabgeordneter Harald Schwartz ihre Runden bei den Themen-Tischen. Bild: Wolfgang Steinbacher
Bernd Sibler (rechts), bayerischer Minister für Wissenschaft und Kunst, im Gespräch mit dem Tisch „Hochschule“. Der stellvertretende Amberger CSU-Vorsitzende Matthias Schöberl neben ihm schreibt fürs Protokoll mit. Zusammen mit Sibler drehten auch OB Michael Cerny und Landtagsabgeordneter Harald Schwartz ihre Runden bei den Themen-Tischen.

Etwa 60 Teilnehmer konnten, auf vier Themen-Tische aufgeteilt, dem bayerischen Minister für Wissenschaft und Kunst ihre Sicht der Dinge schildern. Die Amberger CSU-Vorsitzende Michaela Frauendorfer und ihr Stellvertreter Matthias Schöberl zogen hinterher im Interview mit der AZ ein Fazit.

ONETZ: Wie kam denn das neue Format bei den Beteiligten an?

Michaela Frauendorfer: Die Rückmeldungen waren durchwegs positiv. Der Zeitdruck diszipliniert, und deswegen läuft die Kommunikation sehr konzentriert ab. Trotzdem war die Atmosphäre schon fast familiär. Die Politiker waren angetan, weil viele konkrete Anregungen und Wünsche geäußert wurden.

ONETZ:

Matthias Schöberl: Die Teilnehmer fanden es auch gut, sich untereinander austauschen zu können - da wurden teilweise Personen zusammengewürfelt, die sonst nicht jeden Tag miteinander sprechen.

ONETZ: War diese Gesprächsform für den Minister eine neue Erfahrung?

Michaela Frauendorfer: Er hat offenbar in seinem eigenen Kreisverband ganz ähnliche Gesprächsformate durchgeführt. Aber diese konzentrierte Form war für ihn auch neu.

Michaela Frauendorfer. Bild: Petra Hartl
Michaela Frauendorfer.

ONETZ: Wie hat sich Sibler hinterher über den Abend geäußert? Konnte er schon konkrete Zusagen machen?

Matthias Schöberl: Er hat sich einiges aufgeschrieben. An konkreten Zusagen gab's Terminzusagen für Gespräche im Ministerium. Und unser Landtagsabgeordneter Harald Schwartz hat mehrere "Hausaufgaben" mitgenommen.

ONETZ:

Michaela Frauendorfer: Bernd Sibler meinte, früher wäre eine Veranstaltung so abgelaufen, dass ein Minister kam und eine Stunde lang vom Rednerpult aus Parolen auf die Leute runtergedonnert hat. Ist irgendwie für beide, für den Redner und das Publikum nur begrenzt spannend. Das Gespräch schätzt er mehr - und er interessiert sich auch wirklich für das, was die Bürger sagen.

ONETZ: Wurden auch Themen genannt, die Sie überrascht haben? Oder waren es die erwartbaren Problemfelder

Michaela Frauendorfer: Nein, es kamen viele neue Anregungen – auch im lokalen Bereich. Beim Denkmalschutz redete man eher übers Grundsätzliche.

ONETZ:

Matthias Schöberl: Nicht alles ist konkret. Wenn es grundsätzlich wurde, beispielsweise am Tisch "Kunst und Kultur", dann gab das dem Minister sicher auch Denkanstöße, die sich letztlich mehr auswirken können als eine ganz konkrete Forderung.

ONETZ: Darf man jetzt weitere neue Veranstaltungsformate von der Amberger CSU erwarten?

Michaela Frauendorfer: Am 23. Mai kommt der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Den setzen wir ins Goldfischglas ...

ONETZ:

Matthias Schöberl: ... weil die Methode "Fishbowl" heißt. In der Mitte der Minister und ein freier Stuhl. Außen herum im Kreis die anderen Teilnehmer. Wer mitdiskutieren will, setzt sich in die Mitte, bringt sein Thema vor. Dann kommt die nächste. Das wird bestimmt abwechslungsreich.

ONETZ: Ist diese neue Herangehensweise nur für den Europa-Wahlkampf gedacht? Oder stecken grundsätzliche Überlegungen dahinter, dass Wahlkampf heute anders aussehen muss als vor 15 Jahren?

Michaela Frauendorfer: Wir als CSU haben den Anspruch, immer zeitgemäß zu sein. Und momentan brauchen wir in unserer Gesellschaft dringend das Gespräch, mehr Miteinander-Reden. Diesen Dialog müssen die Parteien organisieren. Wir wollen ja wirklich besser hinhören und verstehen, was die Bürger bewegt.

Kommentar:

Plaudern ist nur der Anfang

Natürlich ist es für einen Minister einfacher, sich vorne hinzustellen, ein paar bewährte stimmungsfördernde Parolen zu rufen und sich bei konkreten Fragen mit Allgemeinplätzen aus der Affäre zu ziehen. Das Risiko im direkten Gespräch ist, dass schnell klar wird, wovon der Politprofi wirklich eine Ahnung hat und wovon nicht. Was man so hört, hat Bernd Sibler in dieser Hinsicht in Amberg überzeugt. Aber über den Erfolg des neuen Formats entscheidet eine andere Frage: War es nur ein nettes Geplauder oder werden die Gespräche konkrete Folgen habe? Daran muss sich auch die örtliche CSU messen lassen.

Markus Müller

Tischgespräche:

zusammengefasst von Matthias Schöberl

  • Tisch "Denkmalschutz"

Die Konfliktlinien beim Denkmalschutz sind seit Langem klar: Es geht um den guten Kompromiss zwischen Erhalten und Schützen sowie der Finanzierbarkeit von Maßnahmen. Das Image der Behörde sei teilweise abschreckend. Stadtbau-Chef Maximilian Hahn stellte konkrete Projekte u.a. am Bergsteig vor und bat hier um Prüfung. Denn Denkmalschutz dürfe nicht die Schaffung von Wohnraum verhindern. Dass es bei Denkmalschutzmaßnahmen oft lange dauert, bis Behörden und Bauherren sich einig werden, ist nicht nur aus Sicht von Annette Baumann ein Problem. Für Objekte, die gewerblich genutzt werden, oft zu lange – weswegen es immer teurer werde und eben weniger angegangen wird. Architekt Georg Zunner wies auf weitere Probleme wie die Vereinbarkeit mit Brandschutzregeln hin.

Dass sich „in den letzten Jahren einiges hin zu mehr Pragmatismus“ verändert habe, nahm Bernd Sibler für sich in Anspruch. Aus seiner Sicht solle der Denkmalschutz ein ähnliches Image haben wie die Kommission von „Unser Dorf soll schöner werden“. Wenn diese sich melde, freuten sich die Betroffenen, meinte der Minister schmunzelnd. Vereinfachende Lösungen wie z.B. die Einführung von drei Kategorien lehnte er jedoch ab. Die Frage, was wertvoll sei und erhalten werden müsse, könne stets nur im Einzelfall geklärt werden.

Info:
  • Tisch "Kreativwirtschaft"

Ob und wie das Programm Kunst am Bau noch aktiv sei, wollte Marcus Trepesch vom Minister wissen. Auch Manfred Wilhelm forderte mehr Unterstützung für die kleineren Unternehmer der kreativen Szene ein. Bayern solle sich eine Scheibe von der vorbildlichen Förderkulisse in Österreich abschneiden. Hedwig Gerl bat, die Förderung der Erwachsenenbildung angesichts des Megathemas Digitalisierung nicht zu vergessen. OTV-Geschäftsführer Christoph Rolf mahnte, die Schnittstelle zwischen Kunst und Markt zu pflegen. Die Förderung sei Aufgabe der Regierung. Schließlich stelle die Kunst- und Kulturszene für eine Region einen weichen, aber eben wichtigen Standortfaktor dar. Gerade in Zeiten, in denen um Arbeitskräfte gebuhlt werde.

„Genauso is“, pflichtete Bernd Sibler bei. Umso bedauerlicher sei es, dass die „in der Tat vielfältigen Angebote“ des Freistaates zu wenig bekannt seien, zum Beispiel für Ateliers und Kataloge. Eine bessere Vernetzung zwischen den Ministerien und eine klarere Präsentation der Förderkulisse sei aber offenbar notwendig. Weitere unterstützende Maßnahmen wie eine KünstlerInnen-Datenbank seien auf dem Weg. Der Minister forderte die Kreativen auf, auch aktiv zum Beispiel bei den Regierungen nach Fördermöglichkeiten nachzufragen. Meistens würden die Töpfe nicht vollständig geleert.

Info:
  • Tisch "Kunst & Kultur"

Luftkünstler Willi Koch bemängelte die Unterstützung der Politik für Kunst-Netzwerke. An mehreren Beispielen zeigte er, wie andere Staaten kleine Projekte und Nachwuchskünstler förderten, zum Beispiel durch Ausstellungen im Ausland. Hans Graf vom Kunstverein A.K.T. ergänzte, dass „Toleranz mindestens so wichtig ist wie Geld“. Schon mit kleinen Beträgen könnten Stadt und Staat große Hilfe leisten. Ob der Freistaat zu sehr auf das „Bayerntum“ setze und dieses zu stark vermarkte, wurde am Tisch strittig gesehen. Einerseits ist die Gefahr einer zu verengten Wahrnehmung gegeben, andererseits verschaffe die Bayern-Marke auch Aufmerksamkeit.

Minister Sibler plädierte dafür, Aufmerksamkeit offensiv zu nutzen. Die Beispiele aus dem ostbayerischen Raum seien Beleg dafür, dass dies gelänge. Er gestand zu, dass die CSU in der Vergangenheit nicht immer ein Signal für eine stärkere Unterstützung für Kultur gesetzt oder offensiv genug für Toleranz gegenüber Kunst geworben habe. Allerdings habe der Freistaat durchaus Förderungsmöglichkeiten geschaffen. Diese wolle er bekannter machen und den Zugang vereinfachen: „Ein Künstler schreibt halt nicht so gern bürokratische Anträge.“ Sein Ministerium „mitten in München“ möchte er als Ausstellungsort gerade für unbekannte Künstlerinnen oder Musiker aus den Regionen öffnen. Die Vernetzung habe er als Aufgabe begriffen, einfach sei diese aber nicht, da man es „in der Szene mit vielen Individualisten“ zu tun habe. Dies sei zwar großartig für die Kultur, für die unterstützende Behörde aber eine Herausforderung.

Info:
  • Tisch "Hochschule"

Der Unternehmer Dr. Georg Baumann lobte die Wirkungen der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Amberg-Weiden für die Region, kritisierte jedoch die Inflation der Studiengänge und generell die Kleinteiligkeit der Ausbildung in Deutschland. Für den Arbeitskreis Hochschule regte Udo Hartmann an, die Hochschulförderung weniger an Quantität auszurichten, sondern noch mehr auf qualitative Indikatoren umzustellen. Für die Einführung des 365-Euro-Tickets für Studierende auch auf dem Land warb Stefan Stiegler, Studierendenvertreter. Die Problematik der sachgrundlosen Befristungen von Arbeitsverträgen und die Auswirkungen für die persönliche Situation der Arbeitnehmer thematisierten Albert Lukas, Harald Wirth und Jürgen Schafberger.

Minister Bernd Sibler bekannte sich zu den regionalen Hochschulen: „Ich werde auf die kleinen Standorte intensiv aufpassen.“ Strukturen sollten aber immer verbessert werden. Hinsichtlich der Finanzierung gebe es Gespräche auf nationaler Ebene. Sibler wolle zudem stärker international um Studierende für Bayern werben. Ein Semesterticket fürs Land nehme er ebenso mit, wie den weiteren Abbau von befristeten Arbeitsverträgen. Hier gebe es Signale des Bundes. Auf Null werde man dabei nie kommen, aber Kürzest-Verträge könnten bald der Vergangenheit angehören. Die Personalsituation an den Hochschulen insgesamt werde sich schrittweise verbessern – 300 Stellen seien im aktuellen Haushalt vorgesehen, bei insgesamt 1500 gewünschten. Die CSU-Fraktion habe auch Dank des MdL Harald Schwartz („liegt mir ständig in den Ohren“) bei den Forschungsprofessuren zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt.

 
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