Das neue Gesetz "ist ein Kompromiss, der durchaus tragfähig ist", sagt Dr. Wolfgang Rechl. Der Weidener Facharzt für Innere Medizin ist Vizepräsident der Bayerischen Landesärztekammer. "Es ist ein sachlich richtiger Kompromiss." Nach dem neuen Gesetzentwurf, über den das Bundeskabinett an diesem Mittwoch beraten will, besteht das Werbeverbot für Abtreibungen weiterhin. Paragraf 219a soll aber ergänzt werden: Gynäkologen dürften demnach nur darüber informieren, dass Frauen in ihren Praxen die Schwangerschaft beenden können. "Für die beteiligten Frauen ist das durchaus eine Erleichterung", meint Rechl. "Der Gesetzesentwurf berücksichtigt die Informationsmöglichkeit für die Frau", stimmt Elisabeth Schieder zu. Sie leitet die Schwangerenberatungsstelle von Donum Vitae in Weiden. "Gleichzeitig erlangen die Praxen und Krankenhäuser, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, Rechtssicherheit", ergänzt sie. Schieder lobt vor allem die Einrichtung einer Liste aller Praxen, in denen eine Abtreibung möglich ist. Diese soll die Bundesärztekammer erstellen und aktualisieren. Die Methode ist auf dem Papier allerdings nicht notiert. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung soll es dann veröffentlichen.
Beratungsstellen in freier Trägerschaft dürften dazu keine Infos weitergeben, erläutert Schieder. Ihre Klientinnen muss sie an die untere Gesundheitsbehörde (Gesundheitsamt) oder an die Krankenkassen verweisen. "Insofern würde eine allgemein zugängliche Information eine Verbesserung darstellen."
Über Methode informieren
Etwas anders sieht das Sabine Steitz-Niebler von der Schwangerenberatung am Landratsamt Amberg-Sulzbach. "Ich finde, das ist ein kleiner Fortschritt", sagt die Diplomsozialpädagogin. Sie halte es aber für sinnvoll, wenn Praxen zusätzlich "sachlich informieren" dürfen, wer die Abtreibung mit welcher Methode vornimmt. Sie habe sich auch die Internetseite der wegen unerlaubter Werbung verurteilten Ärztin Kristina Hänel aus Gießen angesehen. Und das, was dort steht, sei für sie noch keine Werbung, sagt Steitz-Niebler. Dafür müsse man "etwas Tolles" anbieten, was Hänel nicht mache.
Doch wo hört Information auf, fängt Werbung an? "Der Unterschied ist für mich auch schwierig", gibt Schieder zu. Information sei etwa, wenn eine Praxis Schwangerschaftsabbrüche als einen Punkt im Leistungsspektrum nennt. Ein Plakat mit dem Spruch "Wir machen Abtreibungen, kommen Sie zu uns" oder einen TV-Spot, in dem eine Methode angepriesen werde, stellt für die Amberger Beraterin eindeutig Werbung dar. "Die Aktivität muss von den Patienten ausgehen", erläutert der Mediziner Rechl. Werbung dagegen würde "die ein oder andere mehr dazu bewegen, etwas machen zu lassen", sagt er.
Kasse zahlt Pille
Das neue Gesetz sieht auch vor, dass die Krankenkassen Kosten für Antibabypillen bis 22 Jahre übernehmen. Bisher lag die Altersgrenze bei 20 Jahren. "Das ist für junge Frauen schön, wenn das bezahlt wird", sagt Steitz-Niebler. Die Altersstufe 22 hält sie aber für Willkür. "Ich glaube nicht, dass so Schwangerschaftsabbrüche verhindert werden", ergänzt sie. Die Regierung will mit dem neuen Gesetz ungewollte Schwangerschaften verhindern. Doch die meisten Frauen, die zur Schwangerenberatung am Landratsamt Amberg-Sulzbach kommen und abtreiben, seien zwischen 25 und 33 Jahre alt.
Die Krankenkassen hätten eine andere Überlegung, erklärt Dr. Rechl. Würden jüngere Frauen schwanger, müssten sie "sozial und beruflich die größten Konsequenzen" tragen. Er hält die neue Altersstufe daher für sinnvoll.
Schieder hält dagegen eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Wahlfreiheiten für Frauen für wirksamer: "Grundsätzlich müsste sich das Klima für Familien oder Frauen mit Kindern noch viel mehr verbessern ... Es fehlt noch an bezahlbarem Wohnraum, flexibler Kinderbetreuung - vor allem auf dem Land -, einer wirklichen Wahlfreiheit zwischen der Entscheidung für eine Familienzeit und Wiedereinstieg in den Beruf, die Vereinbarkeit Familie und Beruf."
Chance vertan
Die Frage ist schwer zu beantworten: Wo hört Information auf, wo fängt Werbung an? Die Bundesregierung war zu feige, um das beim Thema Schwangerschaftsabbruch exakt festzulegen. Dabei hätte es eine einfache Möglichkeit gegeben. Die CDU-Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker hat laut „taz“ vorgeschlagen, die Regierung könnte einen Textbaustein für Ärzte und Kliniken formulieren, den die dann straffrei auf Internetseiten veröffentlichen dürfen. Ein guter Vorschlag – ausgerechnet von der CDU, die doch an dem Werbeverbot festhalten will. Schade, dass das nicht auch umgesetzt wurde. Denn so hätten wirklich alle Beteiligten Rechtssicherheit.
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