In seinen zwölf Jahren, in denen er in Oberbayern tätig war, hatte er als männliches Pendant an der Schule einzig und allein den Hausmeister. An der Situation hat sich wenig verändert. Der 49-Jährige ist derzeit Klassenlehrer an der Dreifaltigkeitsschule und eine Rarität. Im Schuljahr 2016/17 lag der Anteil der weiblichen Grundschullehrkräfte in Amberg bei 98 Prozent und im Landkreis bei 95 Prozent.
An der Dreifaltigkeitsschule ist Rau zwar nicht der einzige Mann – es gibt Förderlehrer und Religionslehrer –, dennoch scheint der Beruf des Grundschullehrers ein beliebter Frauenberuf zu sein. Während seines Studiums in Bayreuth machte der 49-Jährige diese Beobachtungen: „Unter 80 Studenten waren nur fünf Männer.“ Sein Kollege Marco Skiba (33) ist eigentlich Gymnasiallehrer. Er wechselte über die Zweitqualifizierung an die Grundschule. Seit September unterrichtet er eine vierte Klasse an der Albert-Schweitzer-Schule. „Es hat definitiv eine Entscheidung für die Grundschule stattgefunden“, sagte Skiba. „Ich arbeite lieber mit jungen, motivierten Kindern. Grundschulkinder sind begeisterungsfähig ohne Ende – wenn man es mit älteren Schülern vergleicht.“
Grundschule statt Aushilfe
Diese Begeisterungsfähigkeit für Kleinigkeiten der Mädchen und Buben habe ihm den Schritt in die Grundschule leicht gemacht. Hinzu kommt: Der Stellenmarkt für Lehrkräfte sieht in den verschiedenen Schularten sehr unterschiedlich aus. Zwar sei in der Gesellschaft das Stichwort „Lehrermangel“ ein Begriff, aber es werde nicht zwischen Schularten unterschieden. Marco Skiba hätte Alternativen als Gymnasiallehrer gehabt, „aber es wären keine langfristigen Stellen und irgendwo in Bayern gewesen“. Das übliche Dilemma der Lehrkräfte. Auch deshalb entschied er sich für die Grundschule, „anstatt irgendwohin zu gehen und dort einen Aushilfsvertrag zu bekommen“.
Ausgebildete Pädagogen, die sich für die Zweitqualifizierung entscheiden, belegen zusätzliche Seminare. Und da an den Amberger Grundschulen, an denen es mehr Klassen der gleichen Jahrgangsstufen gibt, häufig im Team gearbeitet werde, fand sich Marco Skiba sofort in ein funktionierendes System eingebettet. „Die Unterstützung ist gut.“ An der Albert-Schweitzer-Schule ist der 33-Jährige zwar der einzige „normale“ Lehrer, aber trotzdem nicht allein unter Frauen. „Es gibt Religionslehrer.“ Es ist selten, aber ab und zu kommt es noch vor, dass sich Marco Skiba denkt: „Heute sind die Religionslehrer gar nicht da, ich bin ja der einzige Mann.“ Da er erst in diesem Schuljahr an die Schule gekommen ist, sei er für seine Klasse noch etwas Besonderes. Die Kinder sind stolz, dass sie den einzigen Lehrer der Schule haben.
Klischee im Kopf
Aber warum ergreifen so wenig Männer den Beruf des Grundschullehrers? „Mich würde tatsächlich mal interessieren, was Abiturienten für Fragen an mich hätten, was es für Vorurteile gibt“, sagte Markus Rau. Das funktionslose Beförderungsamt existiere auch im Grundschulbereich, merkte Schulamtsdirektorin Beatrix Hilburger an. „Es ist beispielsweise möglich, dass jemand zum Studienrat im Grundschuldienst ernannt wird.“ Damit steigt die Bezahlung.
„Viele haben vom Grundschullehrer ein Klischeebild, das nicht der Realität entspricht“, beobachtete Marco Skiba. „Oft hat man das Bild von der Lehrerin im Kopf, die bastelt und singt. Es wird fast mit Kindergarten gleichgesetzt. Aber da sind Welten dazwischen.“ Auch in der vierten Klasse gebe es Stoff, „mit dem man sich als studierter Mensch erst einmal wieder beschäftigen muss, damit man es begreift und vermitteln kann“. Und der gigantische psychologische und pädagogische Bereich, der im Klassenzimmer tagtäglich stattfindet, sei ebenfalls nicht zu unterschätzen.
"Die Persönlichkeit ist entscheidend"
"Ich persönlich finde, dass der Grundschulberuf ein wunderschöner und äußerst anspruchsvoller Beruf ist, der durchaus auch für Männer interessant ist", sagte Schulamtsdirektorin Beatrix Hilburger. "Es ist Persönlichkeitssache, wie jemand unterrichtet, nicht geschlechtsspezifisch." Die Forschungslage erlaube nicht das Fazit, dass die unbestrittene zahlenmäßige Dominanz von Frauen in der Grundschule für Jungen nachteilig wäre. Eine Mischung des Lehrerkollegiums sei immer sinnvoll, aber das müsse nicht automatisch der Männer- und Frauenanteil sein, sondern könne sich auch anhand von Alter, Kompetenzen oder Neigungen unterscheiden. "Wir haben hervorragende Grundschullehrerinnnen, die hervorragende Arbeit leisten. Das ist nicht eine Frage von männlich oder weiblich. Ein professioneller Unterricht und die Wertschätzung von Kindern sind hier entscheidende Faktoren, die im Grundschulbereich benötigt werden." Im Schulamtsbezirk gibt es insgesamt zwölf Lehrer und Förderlehrer, die an Grundschulen tätig sind, fünf Lehramtsanwärter, drei Lehrkräfte, die die Zweitqualifikation machen, und 35 Fachlehrer für Religion. (roa)
Eine Frage der Persönlichkeit
Die alleinerziehende Mutter, die Erzieherin im Kindergarten, die Lehrerin in der Grundschule. Kinder sind in Erziehungsfragen in der Regel mehr von Frauen umgeben als von Männern. Mehr als 70 Prozent der rund 121 000 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen in Bayern sind laut einem Bericht der Bayerischen Staatszeitung weiblich. An den Grundschulen beträgt der Frauenanteil sogar fast 90 Prozent.
„Ich persönlich finde, dass der Grundschulberuf ein wunderschöner und äußerst anspruchsvoller Beruf ist, der durchaus auch für Männer interessant ist“, sagte die Amberger Schulamtsdirektorin Beatrix Hilburger. Schließlich sei die Persönlichkeit ausschlaggebend, wie jemand unterrichtet, nicht das Geschlecht. Damit hat sie durchaus recht.
Schon länger wird versucht, Frauen für „Männerberufe“ zu interessieren, weil Ausgewogenheit eben wichtig ist. Genauso könnten junge Männer für Berufe in der frühkindlichen Entwicklung begeistert werden. Natürlich nicht, weil sie besser sind, sondern weil die Kinder sehen, dass auch Männer für sie da sein können – was eine enorme Bereicherung und hervorragend dazu geeignet wäre, stereotype Rollenbilder ein für alle Mal zu ersetzen.
Andrea Mußemann