Es war vor der Sitzung von Stiftungsausschuss und Aufsichtsrat am 17. Juli, als etwa ein Dutzend Leute Cerny um ein Gespräch baten. Vier von ihnen sind Mitglieder der Bewohnervertretungen der beiden Heime, an der Spitze Walter Kupski, der Vorsitzende dieser Einrichtung im Bürgerspital, und Rita Kummert sowie Marianne Kies-Baldasty (beide Heilig-Geist-Stift); die anderen sind Beschäftigte des Bürgerspitals. Die Unterredung fand hinter geschlossenen Türen statt, doch auf Anfrage der AZ erläuterten die Beschwerdeführer anschließend ihre Anliegen.
Es gehe nicht um die Pflege in den Einrichtungen an sich, sagte Kupski: „Die Pflege ist gut.“ Es gehe um die Stimmung unter den Beschäftigten. Die sei schlecht, „weil man ihnen ihr Geld wegnehmen will“. Das führe zu Verunsicherung und Angst, die sich auch auf die Heimbewohner übertrage.
Vonseiten des Personals hieß es, die Arbeitsbelastung in der Pflege sei sehr hoch. „Wir arbeiten am Limit.“ Es gebe keine Rufbereitschaft, die einspringe, wenn Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfielen. Das müssten dann Beschäftigte übernehmen, die eigentlich frei hätten.
Der Unmut der Gruppe richtete sich vor allem gegen Claudia Bucher, die Geschäftsführerin der Bürgerspital-GmbH und Einrichtungsleiterin des Heilig-Geist-Stifts. Sie könne zwar perfekt mit Zahlen umgehen, habe aber kein Gespür für die menschlichen Aspekte ihrer Tätigkeit, sagte Kupski. So sei sie etwa dafür verantwortlich, dass die Betriebsratswahl habe wiederholt werden müssen, nachdem eine von ihr unterstützte Liste für den regulären Wahlgang nicht zugelassen worden sei.
Von der AZ mit diesen Aussagen konfrontiert, äußerte sich Claudia Bucher zu den einzelnen Punkten:
Die Betriebsratswahl
Zur Betriebsratswahl erläuterte die Geschäftsführerin, bei der turnusgemäßen Wahl des Gesamtbetriebsrats 2018 habe der Wahlausschuss nur die Liste der Gewerkschaft Verdi zugelassen, nicht die freie Liste mit der Bezeichnung „Betriebsfrieden“, die ebenfalls antreten wollte. Diese habe deshalb auf Zulassung zur Wahl geklagt. Das Arbeitsgericht habe dem Antrag entsprochen, woraufhin der Betriebsrat in die Berufung gegangen sei. Schließlich habe das Landesarbeitsgericht die Wahl für unwirksam erklärt. Bei der Neuauflage mit beiden Listen seien bei 76 Prozent Wahlbeteiligung sechs Verdi-Leute und einer von der freien Liste in das Gremium gekommen.
Die Zahlen
„Natürlich habe ich die Zahlen im Kopf, ich muss auch“, reagierte Claudia Bucher auf die entsprechende Bemerkung der Bewohnervertreter. Als Geschäftsführerin sei sie verantwortlich für das Gesamtergebnis. Und das sei nach positiven Abschlüssen in den Jahren 2016 und 2017 im Vorjahr deutlich ins Minus gerutscht – wegen des Rechtsstreits um den Betriebsrat, weil man den Mitarbeitern mehr Geld bezahle als in anderen Häusern und weil man für Leistungen in Personalverwaltung und Informationstechnik viel Geld an die Stadt Amberg habe überweisen müssen. Um das in den Griff zu bekommen, habe man jetzt eine eigene Personalverwaltung aufgebaut. Zudem habe auch die Umstellung auf die Fünf-Tage-Woche, die man im Sinne der Mitarbeiter vorgenommen habe, einige zusätzliche Ausgaben beschert.
Das Geld
Von den 197 Beschäftigten der Bürgerspital-GmbH werden 106 nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt. Das stammt noch aus der Zeit, als die Bürgerspital-Mitarbeiter direkt bei der Stadt angestellt waren, also vor der Überleitung in die Stiftung. Alle diese alten Verträge genießen Bestandsschutz. Der Rest wird nach der Manteltarifrichtlinie entlohnt.
Die Stiftung strebe eine Vereinheitlichung an und habe deshalb im März den TvöD für das Gesamtunternehmen zum Jahresende gekündigt, sagte Claudia Bucher dazu. Das betreffe aber nicht die existierenden Verträge der Mitarbeiter, sondern lediglich die Bindung des Unternehmens selbst an diesen Tarif. Neue Mitarbeiter können nun zu anderen Konditionen angestellt werden. „Es wird also niemand was weggenommen“, betonte Bucher. Der individuelle Bestandsschutz gelte weiterhin.
Die Tariffrage
Der TvöD ist laut Claudia Bucher „ein Tarif, der die besonderen Herausforderungen in der Pflege nicht angemessen berücksichtigt“. So sehe er etwa in der Hauswirtschaft sehr hohe Gehälter vor, die von der Pflegekasse nicht refinanziert würden. Das neue Regelwerk für die einheitliche Bezahlung in der gesamten GmbH müsse man mit der Gewerkschaft Verdi verhandeln. Von dort sei aber zunächst keine Gesprächsbereitschaft signalisiert worden.
Inzwischen sehe aber auch die Gewerkschaft eine einheitliche Bezahlung in beiden Häusern als „dringend notwendig“ an, erklärte eine Verdi-Vertrauensfrau im Unternehmen, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte, gegenüber der AZ. Ziel sei ein Haustarifvertrag, der ein Aushängeschild für beide Häuser werden könne.
Spürbare Nachteile für die Beschäftigten kann Claudia Bucher in dieser Entwicklung nicht erkennen: „Kein Arbeitgeber in der Pflege kann sich zurzeit Lohndumping leisten.“
Die Arbeitsbedingungen
Dasselbe gelte für schlechte Arbeitsbedingungen. Eine Rufbereitschaft oder einen Springerdienst gebe es auch in keiner anderen Einrichtung. Zum einen wolle niemand unter diesen Vorzeichen arbeiten. Zum anderen sehe ihn die Pflegekasse nicht vor, „und deshalb ist er nicht refinanzierbar“, so Bucher. Man behelfe sich inzwischen damit, dass man bei kurzfristigen Ausfällen mit weniger Personal arbeite oder es zwischen den verschiedenen Bereichen verschiebe. An negative Auswirkungen auf die Senioren mag sie angesichts von 96 Prozent Zufriedenheit bei Bewohnerbefragungen nicht glauben.
Die Rotation
In der Bürgerspital-GmbH ist Claudia Bucher die Geschäftsführerin, Renate Rauch Prokuristin. „Wir verantworten beide zusammen die GmbH“, beschreibt es Claudia Bucher. Wenn sie jetzt die Zuständigkeit für die beiden Heime, die sie aktuell zusätzlich leiten, tauschen, ist Bucher in Zukunft für das Seniorenzentrum Bürgerspital zuständig (plus die Tagespflege), Rauch für das Heilig-Geist-Stift. Der Wechsel diene dazu, „einen gemeinsamen Blick auf die beiden Häuser zu bekommen“, begründete Claudia Bucher diesen Schritt. „Wir haben sehr unterschiedliche Herausforderungen in den beiden Häusern.“ Mit aktuellen Entwicklungen habe das nichts zu tun, vielmehr sei das seit 2017 so beabsichtigt.
Walter Kupski will der Rotation Widerstand entgegensetzen. Denn das Bürgerspital verlöre mit Frau Rauch eine „supertolle Chefin“, bei der man nie einen Rechtsanwalt gebraucht habe, um zu einer Einigung zu kommen. Er vermutet als Hintergrund des Wechsels: Nachdem im Mai vonseiten des Bezirks die Sätze abgelehnt worden seien, die sich Geschäftsführerin Bucher zur Refinanzierung der Tätigkeiten in der GmbH vorgestellt habe, suche sie jetzt nach Einsparmöglichkeiten. Dabei habe sie schon mit ihren Aktivitäten in Sachen TvöD-Kündigung eine riesengroße Verunsicherung bei den Schwestern bewirkt.
Die gemeinnützige Bürgerspital-GmbH wurde laut ihrer eigenen Pressemitteilung als Tochterunternehmen der Bürgerspitalstiftung gegründet, um am 1. Dezember 2015 die Betriebsträgerschaft aller Pflegeeinrichtungen zu übernehmen, die im Verantwortungsbereich der Bürgerspitalstiftung lagen. Das betraf auch die beiden Seniorenzentren Bürgerspital (heute 99 Wohn- und Pflegeplätze) sowie Heilig-Geist-Stift (88). Damit wurden rund 170 Beschäftigte in vier Einrichtungen in die neue GmbH übernommen.
Zur Begründung hieß es damals, in der neuen GmbH könnten „Prozesse schneller und direkter abgewickelt werden“. Zudem wolle man den „Sanierungsprozess ... beschleunigen“. Den Mitarbeitern sei als Entlohnungssystem „der dynamische Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes TVöD bis 31. Dezember 2019 zugesichert“ worden.
Die Plätze in den beiden Seniorenzentren sind derzeit voll belegt. (ll)
Anreden gegen die Eskalation
Wenn es um Geld geht, wird in der Pflege mit harten Bandagen gekämpft: Die Pflegekassen schauen sehr genau hin, für welche Leistungen sie zahlen. Oft decken sich die Auffassungen hier nicht mit denen der Träger, die sowohl ihren Bewohnern etwas bieten als auch ihren Beschäftigten ein ordentliches Gehalt zahlen müssen, um sie halten zu können. Zugleich gibt ein strenger Schlüssel vor, wie viel Personal da sein muss. Und weil nur entlang dieser Vorgabe refinanziert wird, müssen alle Heime nah an diesem Schlüssel arbeiten.
Unter diesen Rahmenbedingungen wirkt die Eskalation, die sich in der Bürgerspital-GmbH andeutet, aus der Sicht eines Journalisten in erster Linie wie ein Kommunikationsdesaster. Wie etwas, das sich mit mehr und früheren Gesprächen, mit mehr Geduld und mehr Willen zu gegenseitigem Verständnis, mit dem Ausblenden persönlicher Antipathie hätte vermeiden lassen. Aus diesem Blickwinkel wäre es noch nicht zu spät, im Sinne des Gesamtgebildes und der Menschen dort wieder auf eine Schiene zu kommen.
Bei der Leitung der Stiftung darf man das Interesse an einem reibungslosen Betrieb ohnehin voraussetzen. Auch Personal- und Bewohner-Vertretern fällt es erkennbar schwer, als Störenfriede aufzutreten. Doch offenbar sehen sie momentan keine Alternative. Walter Kupski will „offene Fragen klären. Danach muss man sich wieder in die Augen schauen können.“ Das hört sich zumindest nach einem ersten Schritt zur Deeskalation an.
Markus Müller