Bärnau
07.10.2020 - 14:10 Uhr

Alte Steinkreuze in Mauer verborgen

Die Erneuerung der Nordmauer am städtischen Friedhof beschäftigt auch Heimatforscher Harald Fähnrich. In der Mauer hätte sich ein seltenes "Tatzenkreuz" befunden, wohl aus der Zeit der Gotik, also um 600 Jahre alt!

Jahrzehnte übersehen wurde das „Tatzenkreuz-Fragment“ in der Friedhofsmauer. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2009. Bild: Paul Basler/exb
Jahrzehnte übersehen wurde das „Tatzenkreuz-Fragment“ in der Friedhofsmauer. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2009.

Gefehlt hätte, wie bei vielen Steinkreuzen, der steinerne Erdfuß, schreibt Fähnrich. Solche wuchtigen Steinkreuze aus grobem Granit müssen tief verankert werden, weiß der Historiker. Fähnrich vermutet, dass der Erdanker der "Entheiligung" um 1600 in der calvinischen Zeit der Stadt zum Opfer gefallen ist. Im reformatorischen Glauben galten etwa katholische ("paptistische") Kreuze in der Flur als schlimmes Sakrileg und wurden als Beschmutzungsgefahr des Geheiligten bewertet. Oft seien die oberirdischen Teile zerstört worden. Ehrfurchtsvoller sei es gewesen, das Kreuz zu verstecken oder zu vermauern, wie Fähnrich es in Bärnau vermutet. Bei einer Besichtigung im September sei dann sogar noch ein zweites mittelalterliches Steinkreuz, ebenso ohne Fuß, gefunden worden. Es ist viel einfacher gestaltet - und jünger. In das Kreuz eingemeißelt sind die Umrisse einer bäuerlichen Pflugschar. Beide seien ein seltenes und damit erhaltenswertes Kulturgut des Mittelalters, appellierte der Historiker an die Stadt, entsprechende Maßnahmen zu treffen.

Zudem fragt Heimatforscher Fähnrich nach dem Verbleib zweier denkmalgeschützter Grabplatten. In der Denkmalliste von 2000 (Buchform) heißt es "in der Friedhofmauer".

Hintergrund:

Sühnekreuze als Bet- und Standeszeichen

Steinkreuze sind Sühnekreuze, errichtet von Totschlägern, ja Mördern, weiß Heimatforscher Harald Fähnrich. Im Mittelalter waren sie wichtiger Teil der Buße. Und Symbol der neuen Rechtsprechung, welche die archaische Familienblutrache ablöste! Ins Christliche umgeformt: Das sündige Opfer war gestorben ohne priesterlichen Beistand und musste deshalb besonders lange im reinigenden Fegefeuer büßen.

Aufgestellt wurde solch ein „Erlösungskreuz“ an vielbegangenen Wegen. Es forderte die gläubigen Vorbeigänger auf, hier für die unbekannte arme Seele zu beten. Besonders viele Gebete flossen, glaubt die moderne Wissenschaft, wenn ein Standeszeichen eingemeißelt war. Das Häufigste war die Pflugschar – Bauer getötet. Sie ziert den zweiten Bärnauer Überraschungsfund.

Das freigelegte Sühnekreuz. Deutlich eingemeißelt ist das Standeszeichen des getöteten Bauern, die alte Pflugschar. Bild: Fähnrich/exb
Das freigelegte Sühnekreuz. Deutlich eingemeißelt ist das Standeszeichen des getöteten Bauern, die alte Pflugschar.
 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.