Ein Rockstar ist Max Reger für die breite Öffentlichkeit nicht – anders ist es mit der Musikwelt, insbesondere der Orgelwelt. Dieses Feld hat der gebürtige Brander sehr wohl „gerockt“. Warum also sollten sein Geburtsort und viele Fans aus der Region ihn nicht feiern wie einen Rockstar! Die Reger-Fan-Gemeinde ist nach wie vor überschaubar, aber auch im Wachsen begriffen.
Die Brander ließen sich an Regers 150. Geburtstag nicht lumpen, begingen das Fest würdig und lebendig und machten das Auftaktkonzert zu einem musikalischen Event. Als sich bei Beginn alle drei Brander Chöre aufstellten und damit ein imposantes Bild vor dem Altar schufen, sich Domorganist Professor Franz Josef Stoiber nach zwei Stunden Beschäftigung mit der Orgel in Position brachte, war den Besuchern klar, dass sie eine musikalisch Stunde erleben würden, die unter die Haut gehen wird. „Nehmt Gottes Melodie in euch auf!“ zitierte der Vorsitzende des Kulturellen Förderkreises (KFK), Bertram Nold, den heiligen Ignatius von Antiochien. Er ergänzte es um ein Zitat, das sich auf der Homepage von Franz Josef Stoiber befindet: „Jedes Wort ist ein Gebet.“ Wer unter dieser Prämisse ein geistliches Konzert besuche, formulierte Nold, erlebe Tiefe und die Innigkeit der Botschaft, die in ihr steckt.
Eine gemeinsame Probe
Alle drei Chöre hatten intensiv geprobt, sodass nur eine einzige gemeinsame Probe in den Tagen vor dem Konzert nötig war. So gelang der Satz "O Haupt voll Blut und Wunden" von Johann Sebastian Bach unter der Orgelbegleitung beeindruckend. Ein besonderes Extra für die Besucher: Um den Organisten bei seinem Spiel beobachten zu können, hatte es Hilmar Zaus möglich gemacht, die Orgel auf die Seitenwand neben dem Altar zu projizieren. So konnten die Gäste die Bewegung der Hände und Füße auf Tasten und Pedalen sowie die Klangänderung durch häufiges Umregistrieren verfolgen.
Nold erläuterte Details zur d-Moll-Toccata von Bach und erinnerte daran, dass der Komponist der fünfte Evangelist genannt wird, nachdem es ihm wie keinem zweiten gelungen sei, „Erbauen und Glauben in ästhetische Formen zu gießen“. Alle Möglichkeiten der Orgel schöpfte Stoiber bei diesem Werk aus, ließ die Besucher hören und spüren, was in ihr steckt, dass sie auch leise und gefühlvoll ihre Botschaft verkünden kann und ihre Pfeifen zusammen einen mächtigen Klang erzeugen können, wenn die richtige Mischung der Register gefunden ist. Durchatmen ist nach einem lang ausgehaltenen Schlusston dringend nötig, um langsam die Spannung abbauen zu können und sich auf das nächste Stück vorzubereiten.
Regers Wanderung
Dem Zitat der ersten Strophe des Fichtelgebirges folgte die Erzählung über Regers Wanderung durchs Fichtelgebirge 1901, als er auch vergeblich versucht hatte, sein Geburtshaus von innen anzuschauen. Vor der Wanderung noch hatte er sein Opus 59 fertiggestellt, das er nach seinem Umzug nach München einem bekannten Kritiker vorstellte. Der versprach daraufhin, sich schreibend für ihn einzusetzen. Nach einem fis-Moll-Präludium interpretierte Stoiber drei Werke aus dem genannten Werk. Wie alle seine Werke spiegeln auch sie Regers widersprüchliches Leben wider. Das forderte den Organisten gewaltig, wenn er neben anspruchsvollen chromatischen Tonfolgen in Händen und Pedal auch über alle Maßen gefordert ist, die dynamischen Vorgaben des Komponisten zu erfüllen, die prägend sind für Reger-Werke und immer wieder diesen schwierigen, manchmal auch derben Oberpfälzer erkennen lassen. Besonders die Beobachtung des linken Fußes war spannend, wenn sich dieser auf den letzten Ton der Pedalreihe setzte und die ganze Fülle des 32-füssigen Fagotts spüren ließ.
„Ich möchte in einer Welt ohne Musik nicht leben“ zitierte Nold den französischen Autor Pascal Mercier, der das so untermauert: Musik gegen das Oberflächliche und Gedankenlose, gegen das geistlose Gebrüll auf dem Kasernenhof, gegen die Verwahrlosung der Kultur und gegen die Diktatur der Parolen. „Jeder Ton ist ein Gebet.“ Zwei Improvisationen nach Kirchenliedern nahm sich der Organist vor, um sein Zitat zu zelebrieren: „Zeige uns Herr deine Allmacht und Güte“ und das moderne Lied „Suchen und fragen“.
"Göttliches Spiel"
„Göttliches Spiel“ bestätigte ihm eine Besucherin und fasste damit die Eindrücke der vergangenen Stunde zusammen. Ein hoffnungsvoller Ausblick beendete das Konzert: „Nun danket alle Gott“ von Reger sangen die Chöre mit Orgelbegleitung – und die Besucher waren eingeladen, die dritte Strophe mitzusingen, was sie gerne, sehr kräftig und mit Innbrunst taten. Sich nicht unbedingt homogen ins Programm, doch dem Zustand der Welt gewidmet, sollte sich das letzte Lied statt einer Zugabe einfügen. Die Besucher waren noch einmal eingeladen, das „Lied der Freude“ mit einem neuen Text als Friedenslied mitzusingen. Unter dem Anblick der ukrainischen Flagge und einer Pace-Fahne wurde es zu einem unvergesslichen Erlebnis. Mit einem Empfang im Mehrzwecksaal endete die Auftaktveranstaltung. Dort hatte der Männergesangverein Max Reger Gelegenheit, sich mit zwei Liedern seines Namens gerecht zu werden. Bürgermeister Bernhard Schindler ging auf die Arbeit des KFK und wünschte dem Reger-Jahr 2023 einen guten Verlauf.
Als Erinnerungsgeschenk überreichte der KFK Stoiber eine Kopie des Fichtelgebirgsliedes sowie Schokolade mit Regers Konterfei. Dem Hinweis, dass es von dem Lied leider keinen Satz für gemischten Chor gibt, folgte spontan Stoibers Antwort: „Das muss ja nicht so bleiben!“ Was das hieß, stand schon 24 Stunden später in einer E-Mail: Es wird einen solchen Satz geben, versehen mit einer Widmung.
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