Ein Leben voller Widersprüche: Kultureller Förderkreis Brand blickt auf Max Reger

Brand (VG Neusorg)
26.05.2023 - 10:55 Uhr

Bewundert und verschmäht: Max Regers Werke sprechen nicht jedermanns Geschmack an. Um ein bisschen mehr Verständnis für den Komponisten und dessen Bedeutung zu schaffen, gab der Kulturelle Förderkreis Brand Einblick in dessen Leben.

Max Reger war ein Vertreter der Romantik, wegen seiner Bedeutung als Brücke zwischen Klassik und der Neuen Musik wird er auch "Erz-Romantiker" genannt. Genaueres erklärte Bertram Nold in der zweiten Veranstaltung zum Reger-Jahr 2023. Bis zur Romantik habe die Musik eine große Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten entwickelt, die Reger grenzenlos und expressiv ausgeschöpft habe, um auch die Widersprüchlichkeit seines Lebens in sein Werk einfließen zu lassen. Auf diese Weise habe er eine Brücke zur Strömung der Musik des 20. Jahrhunderts, der sogenannten Neuen Musik, geschaffen.

Die beiden Referenten - den zweiten Part hatte Gerlinde Seeliger, Mitglied des Kulturellen Förderkreises Brand, übernommen - wollten den Zuhörern das widersprechend geartete Leben Regers näher bringen, um mehr Bewusstsein für seine Bedeutung zu erreichen. Der Vortrag, untermalt mit Fotos aus Regers Leben, belebt durch Zitate aus Büchern und ausgewählten Musikbeispielen, war zugleich die erste Lesung in der neuen Gemeindebibliothek - passender Ort für solche Veranstaltungen, zumal die Reger-Ecke das Flair für die Thematik mitbestimmte. Die relativ kleine Zahl an Zuhörern - an diesem Abend waren alle vorbereiteten Plätze besetzt - schaffte eine familiäre Atmosphäre.

Schicksalsschläge

Das widersprüchliche Leben Regers habe bereits mit den Lebensgeschichten der Eltern begonnen, erklärte Nold: Mutter Philomena Reichenberger habe eine große Zahl an Schicksalsschlägen verkraften müssen: den Tod von Geschwistern und Eltern sowie später dreier eigener Kinder in Weiden, den Niedergang des elterlichen Hammerwerkes. Der Wunsch, eine Familie zu haben, habe sie nach einem kurzen Ausblick in die Welt der Reichen zurückkommen lassen nach Grötschenreuth, um dann mit Joseph Reger nach Brand zu ziehen. Im Gegensatz zu ihr - hochsensibel und gebildet - sei ihr Mann ein derber Oberpfälzer mit einem Alkohol-Problem gewesen, das sich auch mitbestimmend durch das Leben seines Sohnes gezogen habe.

In Weiden hat Reger eine ungeliebte Präparandenschule besucht, später hat er ein Leben unter der Strenge der Familie Riemann geführt. Reger habe finanzielle Probleme gehabt, unter mangelnder Anerkennung gelitten, wieder Alkohol-Probleme gehabt: Letztere hätten ihn zurück nach Weiden in die Geborgenheit seiner Familie geführt, in der eine äußerst kreative Schaffensperiode möglich gewesen sei. Nach dem Umzug nach München habe Reger psychische Probleme wegen scharfer Kritik gehabt, die Heirat mit der evangelischen und geschiedenen Elsa von Bagensky hab zur Exkommunikation und Zerrüttung mit der Familie geführt.

Nold erinnerte an ein Interview mit Professor Franz Josef Stoiber, der festgestellt habe, dass niemand seine Kindheit verbergen könne, und dies auch in der Musik Regers stets zu spüren sei. Als große Schaffensperiode nannte Nold die Freundschaft mit Henri Marteau und schließlich die glückliche Zeit als Dirigent der Meininger Hofkapelle, der Reger zu Weltruhm verholfen habe.

Grimmiger Humor

Der ganz andere Reger wurde in den Ausführungen von Gerlinde Seeliger sehr deutlich: Nur vier Jahre könne seine Ehe als glücklich bezeichnet werden. Berufliche Rückschläge habe Reger nicht verkraften können. Auch seinen grimmigen Humor sprach Gerlinde Seeliger an, hinter dem sich möglicherweise eine verletzliche Seele versteckt habe.

Die Regers hätten versucht, die Kontroversen durch die Adoption zweier Mädchen zu lösen. Das habe ihn angeregt und seine Arbeit positiv beeinflusst. Nach sechs Jahren als Dozent am Konservatorium in München wurde Reger Universitätsmusikdirektor und Professor in Leipzig und schließlich Hofkapellmeister in Meiningen. In Jena wurde er mit dem Ehrendoktor ausgezeichnet. Erinnerungen der beiden Adoptivtöchter spiegelten einen lieben und humorvollen Vater wider, der seinen Kindern Privatstunden vermittelte: Er habe nicht gewollt, dass Mitschülerinnen erfuhren, dass es nicht seine eigenen Kinder waren. Die beiden Mädchen hätten das als weiteres Zeichen von Liebe gewertet. Er habe sie zu Ordnung, Pflichttreue und Respekt vor den Dingen der Erwachsenen erzogen und "wir liebten ihn viel zu sehr, um seine Erziehung nicht ernst zu nehmen", zitierte die Referentin die Töchter. Froh und unbeschwert hätten sie sein können, wie aus weiteren Erinnerungen hervorging.

Bürgermeister Bernhard Schindler dankte Besuchern und Referenten. Das Bild, das in den Vorträgen gezeichnet worden sei, ermögliche einen anderen Blick auf den Komponisten. Bei Konzertbesuchen sei das sehr hilfreich.

Hintergrund:

Zur Person Max Reger

  • geboren: 19. März 1873 in Brand
  • Eltern: Vater Joseph Reger, Lehrer, und Mutter Philomena Reichenberger
  • Privates: 1895 bis 1898 Lebenskrise, Militärzeit, Rückkehr ins Elternhaus; 1902 Vermählung mit Elsa von Bargenski und Exkommunikation
  • Ausbildung und Wirken: 1878 bis 1886 Besuch der Präparandenschule in Weiden; 1884 bis 1889 Klavierunterricht; August 1890 Konservatorium Sondershausen; 1890 bis 1896 Studium und Anstellung am Konservatorium in Wiesbaden; 1901bis 1907 in München freischaffender Komponist und Pianist; 1905 bis 1906 Akademie für Tonkunst in München; 1907 bis 1916 Professor am Konservatorium Leipzig; 1907 bis 1908 Universitätsmusikdirektor; 1908 bis 1910 Ehrendoktor der Universitäten Jena und Berlin; 1911 bis 1915 Meiningen; 1911 bis 1914 Leiter der Hofkapelle; 1915 bis 1916 freischaffender Komponist, Dirigent und Pädagoge in Jena
  • verstorben: 11. Mai 1916 in Leipzig, Feuerbestattung in Jena, 11. Mai 1930 Beisetzung in München
  • Ehrenbürger von Brand am 13. März 1913 anlässlich seines 40. Geburtstags
  • Quelle: www.gemeinde-brand.de
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